Hamburg (dpa/tmn). Ob mexikanische Tacos, vietnamesisches Bánh-Mì oder amerikanische Hotdogs: Wer kulinarisch um die Welt reisen möchte, braucht kein Flugzeug. Das geht auch richtig lecker mit Streetfood aus Foodtrucks.

Was vor knapp zehn Jahren als Streetfood-Hype begann, ist in unserer kulinarischen Kultur mittlerweile fest verwurzelt: Foodtrucks stehen nicht mehr nur auf Festivals, sie haben sich in Großstädten einen festen Platz erobert, wie zum Beispiel in Hamburg auf St. Pauli, in Berlin in der Markthalle Neun oder in Köln auf dem Rudolfplatz. Man findet sie immer öfter als hippe Caterer auf Hochzeiten oder Firmenevents und mit eigenem Ladenlokal.

Interesse an neuen Aromen und Länderküchen

Streetfood hat eine lange Tradition in Asien und steht für die frische Zubereitung und den direkten Verzehr von Essen auf der Straße. Wir verstehen unter Streetfood oft spezielle Gerichte einer bestimmten, uns fremden Küche. So können wir mit Gyros Pita geschmacklich nach Griechenland reisen oder mit einem Biss in ein Bánh-Mì noch ein bisschen weiter weg nach Vietnam.

«Wir sind neugierig und weltoffen und haben ein großes Interesse an neuen Aromen und Länderküchen», sagt Stevan Paul. Der gelernte Koch und Foodjournalist hat 2015 mit «Auf die Hand» eines der ersten Kochbücher mit Streetfood-Rezepten geschrieben. Dass der Titel des Brandstätter Verlags gerade in der sechsten Auflage erscheint, zeigt, dass das Thema immer noch aktuell ist.

Hinter den Gerichten stecken oft spannende Geschichten

Streetfood ist als schnelle Mahlzeit auf die Hand zwar irgendwie Fast Food, hat mit dem schlechten Ruf ungesunden Essens aber nichts gemeinsam. Im Gegenteil: In den Gerichten aus qualitativ hochwertigen Zutaten, die meist ohne Fertigprodukte auskommen und vor Ort frisch zubereitet werden, stecken nicht nur viel Herzblut, sondern oft auch spannende Geschichten.

«Wir sind mit diesem lässigen Essen nah dran an Köchen und Produzenten, sehen wie sie arbeiten, lassen uns erzählen, wo sie ihre Produkte beziehen», sagt Stevan Paul. In seinem Buch verrät er daher nicht nur knapp 100 Rezepte, mit denen man zu Hause um die Welt reisen kann, in kleinen Reportagen nimmt der Kochbuchautor sein Publikum auch mit hinter die Kulissen der Take-away-Küchen und beleuchtet die Geschichten, die hinter den Rezepten stecken.

Streetfood zu Hause nachkochen

So erzählt Stevan Paul zum Beispiel, wie Anh Vu Dang das Bánh-Mì, den vietnamesischen Streetfood-Klassiker, nach Rezepten seiner Großeltern weiterentwickelt hat, um dann in Berlin auch eine vegetarische Variante anzubieten. Auch wenn er Dang das Original-Rezept mit dem knusprigen Reismehl-Baguette nicht entlocken konnte, fasst er in dem Kochbuch zusammen, wie man die Leberpastete zubereitet, das Schweinefleisch mariniert und welche Zutaten sonst noch zwischen die Brötchenhälften kommen.

Dafür kann beim Nachkochen des «Gyros de luxe», das Michalis Josing im Dionysos in Hamburg serviert, nichts mehr schiefgehen. So ausführlich ist das komplette Rezept: Scharf angebratenes Schweinefleisch wird mit Knoblauch, Kräutern und Weintraubenöl gewürzt, darauf kommt ein mit Raki aromatisierter Tsatsiki und ein Salat aus zweierlei Bohnen, das alles serviert auf selbstgebackenem Fladenbrot.

Streetfood als Lagerfeuer der Moderne

Aber was macht eigentlich den Reiz von Streetfood und Foodtrucks aus? Einer, der das wissen muss, ist Klaus Peter Wünsch. Er stand 2010 als einer der ersten Deutschen hinter einer Foodtruck-Theke, dem RibWich, und war so voller Begeisterung für das Thema, dass er die Facebookseite und die App «Foodtrucks Deutschland» entwickelte. Hier gibt es eine Übersicht über das Angebot und die Standorte von rund 1500 Foodtrucks in Deutschland - von Pani Smak in Hamburg bis Tibetan Deli in München.

«Die Szene ist sehr bunt, das macht es interessant», sagt Wünsch. Vor den Foodtrucks treffen Familien mit Kids auf Hipster, hinter der Theke ehemalige Harz-IV-Empfänger auf Ex-Chefs. Das Schöne an Streetfood: Die Einstiegshürde ist gering, sowohl für die Gäste als auch für die Köche oder Köchinnen.

«Man muss als Gast nicht viel Zeit und Geld investieren, um viel zu probieren. Ich zahle meist um die acht bis zehn Euro für ein qualitativ hochwertiges Essen, keine 27 Euro wie im Restaurant», sagt Wünsch. Da man nicht an einem festen Platz sitzt, käme man auch schnell ins Gespräch. Streetfood sei das Lagerfeuer der Moderne, sagt Wünsch, den Satz habe er mal irgendwo aufgeschnappt.

Mit Foodtruck in die Selbstständigkeit starten

Vom Tellerwäscher zum Millionär gehe es hier wie generell in der Gastro nicht. Aber mit einem kreativen Konzept, guten Produkten und etwas geschicktem Social Media Marketing sei ein Foodtruck für viele der Einstieg in eine Selbstständigkeit, in der sie sich selbst verwirklichen können, weiß Wünsch, der seit vielen Jahren sein Wissen auch als Berater weitergibt.

Ob der Pommes-Currywurst-Truck um die Ecke auch Streetfood ist? Eher nicht, meint Wünsch und fasst noch mal zusammen, was Streetfood ausmacht: «Chef und Rezepte kommen häufig aus fremden Ländern und transportieren die eigene Kultur. Sie machen fast alle Produkte selber und nutzen wenig Fertigprodukte.» Und die Aufmachung der Trucks passt zu den Produkten. Foodtrucks stehen täglich woanders in einem engen Zeitfenster. Dadurch haben sie häufig eigene Fans und bedienen weniger eine Laufkundschaft.

Literatur:

Stevan Paul: Auf die Hand - Sandwiches, Burger & Toasts, Fingerfood & Abendbrote, Brandstätter Verlag, 272 Seiten, 34,90 Euro, ISBN-13: 978-3850338127.

© dpa-infocom, dpa:220531-99-496894/2 (Von Julia Uehren, dpa)