Hamburg. Die Auswahl an fleichlosem Aufschnitt wächst. Die meisten Produkte sind aber schlechter, als ihr Ruf vermuten lässt.
Wer gerne Aufschnitt mag, aber weniger Fleisch essen möchte, kann sich freuen: Seit einiger Zeit wächst die Auswahl an vegetarischem und veganem Aufschnitt in den Tiefkühlregalen der Supermärkte. Das wohl bekannteste Beispiel ist das Unternehmen Rügenwalder Mühle, das bereits 14 vegetarische Produkte anbietet. Auch Discounter wie Aldi bauen ihr fleischloses Angebot aus.
Es gibt mindestens drei gute Gründe, weniger Fleisch zu essen. Ernährungswissenschaftlern zufolge kann eine pflanzenbetonte Ernährung mit wenig oder gar keinem Fleisch wahrscheinlich dazu beitragen, das Krebsrisiko zu senken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.
Wer weniger Fleisch verzehrt, trägt zum Klimaschutz bei. Vor allem die Erzeugung von Rindfleisch verursacht große Mengen an Treibhausgasen. Die Leitlinien des neuen Klimaschutzplans 2050, die das Bundesumweltministerium vor wenigen Tagen vorstellte, sehen deshalb unter anderem vor, dass die Deutschen ihren Fleischkonsum reduzieren sollen.
Und: Zumindest in der Massentierhaltung leben Schweine, Rinder und Hühner oft unter fragwürdigen Bedingungen. Das ist von Tierschützern oft dokumentiert worden.
Etliche Kunden suchen deshalb nach fleischlosen Alternativen. Die Gastronomie hat auf diese Nachfrage längst reagiert: Vegetarische und vegane Restaurants eröffnen, in vielen alteingesessenen Gaststätten stehen nun auch vegetarische Gerichte auf der Karte. Sogar McDonald’s bietet Veggie-Schnitzel an.
Nur die Hersteller von Aufschnitt reagierten zunächst schleppend. Doch das ändert sich nun. Das Abendblatt wollte angesichts dieses Trends wissen: Wie schmeckt die Aufschnitt-Alternative? Bei einem Testessen in der Redaktion ließen wir acht Produkte, die Wurst nachahmen, und einen veganen Käse von vier Experten verkosten:
Michael Durst ist Obermeister der Fleischerinnung Hamburg, Vizepräsident des deutschen Fleischerverbands und Inhaber der Fleischerei „Die Feinschmecker“ in der Rindermarkthalle.
Sascha Rohn arbeitet als Professor für Lebensmittelchemie an der Uni Hamburg. Zu seinen Forschungsfeldern gehört die Herstellung von Fleischalternativen und die Frage, wie sich Inhaltsstoffe durch die Verarbeitung verändern.
Thomas Sampl war acht Jahre lang Chefkoch im Restaurant Vlet in der Speicherstadt. Nun arbeitet er freiberuflich, weil er sich mehr Nähe zum Produkt wünscht. Dafür plant er eine enge Zusammenarbeit mit kleinen Produzenten aus der Umgebung. Man kann ihn buchen als Berater für Einkauf, Kochkurse und Catering (www.thomas-sampl.de).
Silke Schwartau ist Ökotrophologin und leitet die Abteilung für Ernährung und Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale Hamburg.
Die erste Überraschung gab es gleich zu Beginn. Mit verdeckten Augen sollten die Experten zeigen, ob sie einen fleischfreien Aufschnitt (Vegetarischer Schinken Spicker Mortadella von Rügenwalder Mühle) von der Hähnchenfleisch-Variante des gleichen Herstellers unterscheiden können.
Das gelang zwar allen in der Runde, doch bei einigen war die Verblüffung groß: „Die Ähnlichkeit war frappierend“, sagte Sascha Rohn. „Ich habe zwar einen Unterschied bei der Konsistenz geschmeckt; außerdem war das vegetarische Produkt stärker gewürzt. Aber es gibt auch Metzger, die ihre Wurst eher stärker würzen. Auf einem kalten Büfett hätte ich nicht eindeutig sagen können, ob es sich um vegetarischen Aufschnitt handelt oder nicht.“
Ähnlich erging es Silke Schwartau. Ihr Urteil: „Mir haben beide geschmeckt!“ Koch Thomas Sampl sagte, er habe schon viel vegetarische Wurst gegessen, aber: „Im Vergleich war die Rügenwalder ganz gut.“ Fleischer Michael Durst stellte „größere Unterschiede“ fest. „Das ist für mich keine Mortadella, sondern irgendetwas“, sagte er mit Blick auf die vegetarische Variante.
Neben dem Geschmack beurteilte Silke Schwartau auch die Inhaltsstoffe und Nährwerte der Produkte. Dabei orientierte sich die Ernährungswissenschaftlerin am „Ampelcheck“, einer Bewertungshilfe für Lebensmittel, die von der britischen Lebensmittelaufsichtsbehörde FSA entwickelt und von den deutschen Verbraucherzentralen übernommen wurde (siehe Infotext rechts).
Als Gesamtnote waren null bis fünf Sterne zu vergeben. Die Bestnote erreichte allerdings keines der Produkte. Zwei Aufschnitte erhielten immerhin drei Sterne. Hier gab es die zweite Überraschung: Einer der beiden Testsieger war das günstigste Produkt im Test und stammte von Aldi.
Drei Tester würden eines oder beide Siegerprodukte kaufen. Fleischermeister Michael Durst würde die beiden Siegerprodukte nur kaufen, „wenn nichts anderes greifbar wäre“.
Mit den schlechter bewerteten Produkten gingen die Experten hart ins Gericht: „Pappig“ oder „einfach nur salzig“ waren noch die mildesten Urteile. Keinen dieser Aufschnitte würden die Tester kaufen. Dem „Veganen Aufschnitt nach Art Salami“ wollten die Experten nicht einmal einen Punkt geben.
Bei einigen Produkten machen Hühnerei-Eiweiß und Rapsöl einen großen Teil aus, andere basieren auf Weizenfasern oder Tofu, der aus Soja hergestellt wird. Bei den Inhaltsstoffen zeigte sich außerdem: Einige Produkte enthalten Geschmacksverstärker wie Natriumglutamat oder Hefeextrakt sowie Farbstoffe und Palmfett, das umstritten ist, weil für seine Erzeugung Regenwald gerodet wird. Andere Veggie-Aufschnitte sind frei von Zusatzstoffen und Palmfett.
Auch der Salzgehalt und die Menge an gesättigten Fettsäuren, die man nur in Maßen verzehren sollte, weil sie womöglich Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen, waren von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich.
Heiß diskutiert wurde in der Runde, ob Veggie-Aufschnitt überhaupt wie Wurst aussehen und schmecken sollte und wie die Hersteller ihre Produkte nennen sollten. Fleischermeister Michael Durst ärgert sich über Bezeichnungen wie „Mortadella“, „nach Art Salami“ und „wie Lyoner“. „Das ist irreführend und ärgerlich“, sagte Durst. „Wenn ich einen Kochschinken mache, wird mir genau vorgeschrieben, dass er aus einem Stück Schinken hergestellt werden muss, dass die Struktur erkennbar sein muss und wie viel Wasser hinzugefügt werden darf. Man darf aber ein Produkt als veganen Kochschinken bezeichnen, obwohl nicht ein Stück Schinken drin ist. Das kann doch nicht sein.“
Auch Koch Thomas Sampl fände es besser, wenn bei Veggie-Aufschnitt auf Begriffe verzichtet würde, die an Wurstsorten aus Fleisch erinnern sollen.
„Es steht doch meistens groß auf den Packungen, dass es sich um ein vegetarisches oder veganes Produkt handelt“, sagte hingegen Silke Schwartau. „Dass Kunden ein solches Produkt fälschlicherweise wählen, weil sie es für Fleisch halten, halte ich für eher unwahrscheinlich. Es haben sich deshalb jedenfalls noch keine Kunden bei der Verbraucherzentrale beschwert.“