Der 63-jährige Chefarzt der Fachabteilung für Gerontopsychiatrie an der Asklepios Klinik Nord gibt Ratschläge, wie Familienangehörige mit der Demenz umgehen können.
Hamburger Abendblatt: Warum ist eine Demenzerkrankung für die Angehörigen so belastend?
Dr. Claus Wächtler: Der Angehörige bekommt den Krankheitsverlauf – im Gegensatz zum Erkrankten – in vollem Maße mit. Gerade wenn es sich um ein älteres Ehepaar handelt, kommt es häufig zu emotionalen Auseinandersetzungen, die auf einem Fehlverhalten des Erkrankten gründen. Ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus des Demenzerkrankten belastet zum Beispiel oft auch die Nachtruhe des Angehörigen. Die häufigsten Symptome der Demenz sind Inkontinenz und Aggressivität, die häufig eine große Belastung darstellen.
Von welchen Folgeerkrankungen sind die Angehörigen am häufigsten betroffen?
Wächtler: Die Erkrankungen und Probleme, mit denen Angehörige zu kämpfen haben, werden meist noch unterschätzt. Oft leiden die Angehörigen unter Depressionen. Studien zeigen, dass zwischen 30 und 50 Prozent von ihnen davon betroffen sind. Häufig bauen Partner oder Verwandte enorme Schuldgefühle auf, da sie selbst Aggressionen gegenüber dem Demenzkranken entwickeln. Auch die Situation, dass der Erkrankte die emotionale Bindung zum Pflegenden verliert, kann eine depressive Störung begünstigen.
Wie können die Verantwortlichen dem vorbeugen?
Wächtler: Am Anfang steht das Verständnis, die Demenz als eine Erkrankung zu begreifen. Der Angehörige sollte den Erkrankten, egal was er tut, weiterhin wertschätzen und akzeptieren – das ist die wichtigste Liebeshandlung. Darüber hinaus ist es äußerst ratsam, sich selbst beraten zu lassen. Auch der Angehörige braucht Unterstützung, zum Beispiel in Form von Pflegekräften, die ihm tagsüber helfen, etwa beim Duschen des Betroffenen. Im Übrigen gilt auch, den Erkrankten solange wie möglich in der gewohnten Umgebung zu betreuen, da ein Ortswechsel die Konfusion zumeist noch steigert.