Berlin. Viel Zucker ist ungesund und kann krank machen – trotzdem belohnen viele sich mit etwas Süßem. Wie sich das Naschen reduzieren lässt.
Während dieser Text entstanden ist, wurden zwei Schokoriegel und ein Eis am Stiel verdrückt – schließlich braucht es zum Arbeiten doch Nervennahrung. Ausreden, weshalb die Gummibärchen und der Keks am Nachmittag vollkommen okay sein sollen, lassen sich viele finden. Aber warum naschen wir eigentlich so gern?
Unter anderem habe Naschen angelernte, psychologische Effekte, erklärt Constanze Lohse, Ernährungsmedizinerin aus Hamburg. „Süßigkeiten werden leider oft als Trost oder Belohnung eingesetzt – sowohl in der Kindheit als auch im Erwachsenenalter“, sagt sie. Man würde ja niemals einem Kind eine Zigarette schenken. Aber es mit etwas Zuckrigem zu trösten, werde tendenziell positiv assoziiert. Dabei sei es potenziell ähnlich schädlich.
Naschen: Darum ist Zucker so unwiderstehlich
Dass zu viel Zucker ernsthafte Folgen für die Gesundheit haben kann, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt vor Karies und Übergewicht durch einen hohen Zuckerkonsum. Übergewicht wiederum kann die Entstehung von Diabetes Typ 2 begünstigen.
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Die DGE empfiehlt aus diesem Grund, bei einer täglichen Zufuhr von 2000 Kilokalorien nicht mehr als 50 Gramm Zucker pro Tag – das entspricht knapp einem großen Schokoriegel. Zucker versteckt sich allerdings noch in einer Vielzahl anderer Lebensmittel – ob nun in Bananen, Brot oder Nudeln –, die in der Rechnung obendrauf kommen.
Neben dem angelernten Naschverhalten sei die Vorliebe für Süßes evolutionsbedingt, so Lohse. „Früher war die Vorliebe für süßes Essen ein Überlebensvorteil, da Süßes als harmlos und energiereich galt, während Bitteres oft giftig war.“ Und es gibt noch einen weiteren Grund: Wenn wir Zucker essen, setzen wir auch Prozesse in unserem Körper in Gang.
Caroline Thiesmeier-Dormann, Ernährungswissenschaftlerin im Bundeszentrum für Ernährung, erklärt: „Der Konsum von Zucker setzt im Belohnungszentrum des Gehirns Dopamin frei, was kurzfristig zu einer Stimmungsverbesserung führen kann.“ Dopamin ist ein Botenstoff, der uns glücklich macht und motiviert fühlen lässt. Kurzum: Wenn wir Zucker essen, findet in unserem Gehirn eine regelrechte Party statt.
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Dass es nicht nur bei diesem kurzfristigen Effekt bleibt, zeigt eine Studie des Max-Planck-Instituts in Zusammenarbeit mit der Yale University aus dem Jahr 2023. Die Forschenden gaben Probanden acht Wochen lang zusätzlich zur normalen Ernährung täglich einen zucker- und fetthaltigen Pudding und maßen die Hirnaktivität der Teilnehmer. Das Ergebnis: Nach acht Wochen war die Reaktion des Gehirns auf fett- und zuckerreiche Nahrung deutlich erhöht. Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass sich das Gehirn quasi neu verdrahtet und unterbewusst lernt, belohnendes Essen zu bevorzugen. Die Folge: Wir wollen immer mehr davon.
Weniger Naschen – was hilft und was nicht
Die gute Nachricht: Sowohl Ernährungswissenschaftlerin Thiesmeier-Dormann als auch Ernährungsmedizinerin Lohse sagen, dass sich das Verlangen nach Süßem auch wieder abtrainieren lässt. „Das geht nicht von heute auf morgen“, betont Thiesmeier-Dormann. Wie bei vielen Gewohnheiten erfordere es Zeit und ein schrittweises Vorgehen.
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Lohse zufolge sei es hilfreich, zu Beginn mit einem ein- bis vierwöchigem Zuckerentzug zu starten. „Wer sich mit einem Verzicht herausfordert, kann das Bewusstsein für den eigenen Zuckerkonsum schärfen und das Verlangen nach Süßem verringern“, so die Ernährungsmedizinerin. Bereits nach kurzer Zeit setze der Effekt ein, dass uns klassische Süßigkeiten eher zuwider werden, weil wir sie zu süß fänden.
Es sei jedoch wichtig, sich keine drastischen Verbote zu setzen, da diese oft zu einem noch stärkeren Verlangen führten. Das sogenannte 80/20-Prinzip sei ein guter Richtwert. Das 80/20-Prinzip bedeutet, dass 80 Prozent der Nahrung aus gesunden Lebensmitteln wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukten bestehen, während 20 Prozent aus weniger gesunden Genussmitteln stammen dürfen.
Die Expertin empfiehlt im ersten Schritt, das Naschverhalten zu protokollieren: „Wie häufig nasche ich? Und wie viel Zucker nehme ich da eigentlich zu mir?“ Häufig erschrecke man erst einmal über die hohe Menge. Außerdem sollte man sich auch überlegen, warum man nascht. Ist es aus Trost, Stress oder Langeweile? Das zu hinterfragen, sich also bewusst zu machen, dass man nicht aus Hunger oder Appetit heraus zu Süßigkeiten greift, sei wichtig. „Wer seine Gründe für das Naschen kennt, könnte versuchen, sich mit anderen Dingen zu belohnen oder abzulenken“, rät Lohse. Vielleicht nehme man ein schönes Bad oder gönnt sich das Oberteil, was man sich schon lange kaufen wollte.
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Süßigkeiten reduzieren: So geht gesundes Naschen
Naschen müsse der Ärztin nach nicht immer ungesund sein. Als Alternativen zu herkömmlichen Süßigkeiten eigneten sich zuckerarmes Obst wie Beeren, selbst gemachte Desserts mit dunkler Schokolade oder Nüssen und gelegentlich auch hochwertige Eiweißshakes, da diese nachhaltig sättigen würden. Ein weiterer Tipp der Expertin: „Wer etwas naschen möchte, sollte erst einmal ein Glas Wasser trinken, das sorgt für eine Magendehnung und somit für Sättigung.“
Außerdem gilt: Ein Dessert nach dem Essen ist grundsätzlich gesünder, als über den Tag verteilt zu naschen. Lohse erklärt: „Die Reihenfolge der Mahlzeiten spielt eine große Rolle bei der Regulation des Blutzuckerspiegels.“ Der Blutzuckerspiegel sorgt für die Energieversorgung im Körper. Gerät er durch zuckerreiche Lebensmittel aus dem Gleichgewicht, kann es zu Heißhungerattacken kommen. Greift man zwischendrin zu Süßkram, treibt man den Blutzuckerspiegel immer wieder neu in die Höhe. Naschen nach einer Hauptmahlzeit sei daher eine bessere Option als zwischen den Mahlzeiten.