Berlin. Immer noch lassen zu wenige Menschen eine Darmspiegelung machen. Dabei kann eine Koloskopie selbst 30-Jährigen das Leben retten.
Die von den Krankenkassen gezahlte Darmkrebsvorsorge hat die Zahl der Neuerkrankungen seit ihrer Einführung im Jahr 2002 um 20 Prozent gesenkt. Goldstandard ist dabei die Koloskopie – die Darmspiegelung. Sie ermöglicht, Krebsvorstufen zu erkennen und direkt zu entfernen. Aber nur 20 Prozent der Männer ab 50 und Frauen ab 55 lassen so untersuchen.
Warum die Koloskopie ein Akzeptanzproblem hat und wie man die Darmkrebsvorsorge weiter verbessern könnte, erklärt Prof. Frank Kolligs, Chef-Gastroenterologe des Helios Klinikums Berlin-Buch und Sprecher der Taskforce Darmkrebs der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS).
Herr Kolligs, können Sie erklären, warum die Darmspiegelung so unbeliebt ist?
Kolligs: Der Koloskopie hängt das Image an, eine Art Folter und zudem auch noch wahnsinnig gefährlich zu sein. Das sind Schreckensgeschichten aus der Vergangenheit. Beides stimmt nicht.
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Was stimmt denn?
Kolligs: Man muss sich auf die Untersuchung gut vorbereiten und das ist sicher kein Vergnügen. Die Darmentleerung dauert Stunden und man muss ständig auf die Toilette. Wobei ich auch sagen muss: Dank moderner Mittel wird sie von den allermeisten Menschen richtig gut vertragen.
Ist es nicht auch die Vorstellung, sich bei der Koloskopie einen Schlauch in den After einführen zu lassen, die viele Menschen abhält?
Kolligs: Man kann ja eine Sedierung bekommen. Dann durchschläft man das Ganze und bemerkt es nicht. Und dafür entscheiden sich die meisten Menschen. Bei uns ist es zum Beispiel oft so, dass viele Leute wach werden und fragen, wann es endlich losgeht, dabei sind wir längst fertig.
Und die Risiken einer Koloskopie?
Kolligs: Die Komplikationsraten, das ist in großen Untersuchungen publiziert, sind sehr, sehr gering.
Darmkrebs: Gerade Hausärztinnen und -ärzten kommt eine wichtige Rolle zu
Manche Menschen fürchten dennoch eine Stuhlinkontinenz.
Kolligs: Das Endoskop, das in den After eingeführt wird, ist nicht dicker als ein Finger. Das liegt dann für eine Viertelstunde im Darm. Dadurch entsteht keine Inkontinenz.
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Wie begegnet man diesen Vorurteilen am besten?
Kolligs: Die Informationsbroschüre, die die Vorsorgeberechtigten automatisch von den Krankenkassen bekommen, halten wir nicht für besonders gelungen. Das haben wir auch schon mehrfach erklärt und sie wird zum Glück gerade überarbeitet. Wir hoffen, dass da etwas Besseres herumkommt, das auch Vorurteile und Ängste abbaut. Aber auch und gerade Hausärztinnen und -ärzten kommt da eine wichtige Rolle zu.
Wie denn?
Kolligs: Sie sollten das Thema aktiv ansprechen, wenn die Menschen 50 werden. Nach dem Motto: Herzlichen Glückwunsch, Sie sind 50, bei Ihnen steht jetzt die Darmkrebsvorsorge an. Wenn das systematisch erfolgen würde, würden wir sicherlich noch einige Leute mehr erreichen. Denn zum Hausarzt oder zur Hausärztin hat man ja meist ein ganz besonderes Vertrauensverhältnis.
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Sie schlagen noch etwas anderes vor, um die Teilnehmerquoten bei der Darmkrebsvorsorge zu erhöhen.
Kolligs: Ich denke, dass wir das Einladungsverfahren überarbeiten müssen. Die Niederländer machen das richtig gut. Sie haben eine Teilnahmequote von etwa 70 Prozent.
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Was machen die Niederländer besser?
Kolligs: Sie haben ein niederschwelliges Angebot. Mit 50 bekommt man dort einen Brief, in dem einem mitgeteilt wird, dass man jetzt eine Darmkrebsvorsorge machen sollte und bald einen Stuhltest zugeschickt bekommt. Dann kommt zwei Wochen später der Stuhltest per Post. Den macht man dann zu Hause und schickt ihn in einem frankiert beiliegenden Umschlag zurück und bekommt dann auch das Ergebnis per Post. Bei uns muss man erst zum Arzt, den Test dann mitnehmen, wieder zurückbringen und dann eventuell noch einen Termin für die Befundbesprechung vereinbaren. Die Schwellen sind zu hoch.
Vorsorge: Medizin setzt große Hoffnungen in neuartige Bluttests
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten fordert, die Darmkrebsvorsorge schon vor dem 50. Lebensjahr beginnen zu lassen. Warum?
Kolligs: Für Menschen, bei denen bereits Darmkrebsfälle in der Familie bekannt sind, wären regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen bereits ab dem 30. Lebensjahr vielfach lebensrettend. Und sie wären auch gesamtgesellschaftlich kosteneffektiv. Das zeigen die Ergebnisse einer 2023 veröffentlichten Studie, bei der Menschen mit familiärer Darmkrebs-Vorbelastung zu einem Screening eingeladen wurden.
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Wagen Sie mal einen Blick in die Zukunft. Wie könnte die Darmkrebsvorsorge in fünf oder zehn Jahren aussehen?
Kolligs: Wir setzen große Hoffnungen in neue Tests, die momentan noch intensiv erforscht werden. Die können im Blut auf molekularer Basis Veränderungen nachweisen, die vom Krebs und seinen Vorläufern stammen. Dahin könnte es gehen, dass wir in zehn Jahren einen weiteren Test mittels Blutabnahme haben, der dann mit einer guten Trefferquote sagt: Da ist was im Darm, wir sollten jetzt eine Darmspiegelung machen.