Berlin. Depression und Burnout haben teils ähnliche Symptome. Doch die Abgrenzung der beiden Diagnosen ist für die Behandlung entscheidend.
Unruhe, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen – diese Symptome können sowohl bei einer Depression als auch bei einem Burnout auftreten. Die Abgrenzung zwischen den beiden Diagnosen fällt daher häufig schwer. Mit dem richtigen Wissen behalten auch Sie den Überblick über die Zusammenhänge und Unterschiede zwischen Depression und Burnout.
Im Gegensatz zum Burnout ist die Depression eine von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell anerkannte Krankheit, an der allein in Deutschland rund fünf Millionen Menschen leiden. Ärzte sprechen von einer leichten Depression, wenn mindestens zwei Hauptsymptome wie ständige Erschöpfung und Antriebslosigkeit sowie zwei Zusatzsymptome wie Schuldgefühle und Schlafstörungen länger als zwei Wochen bestehen.
Studien: Depressive Menschen leben im Schnitt kürzer
Von der Bezeichnung „leichte Depression“ sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen, sagt Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. „Es handelt sich um eine schwere Erkrankung, die mit einem hohen Leidensdruck und einer verkürzten Lebenserwartung einhergeht“, sagt er. Tatsächlich zeigen Studien, dass depressive Menschen im Durchschnitt sieben bis elf Jahre früher sterben als Gesunde.
Der Begriff „Burnout“, zu Deutsch „ausbrennen“, tauchte ursprünglich in den 1970er Jahren in den USA im Zusammenhang mit Pflegeberufen auf, ist aber mittlerweile international geläufig. Die Ursache des Phänomens liegt nach der Definition der WHO in Belastungen am Arbeitsplatz, die nicht erfolgreich bewältigt werden können. Doch auch Stress durch alltägliche Anforderungen wie die Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder Hausarbeit können zu einem Burnout führen.
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Eine eigenständige Diagnose für das Krankheitsbild gibt es allerdings bis heute nicht. Vielmehr kann ein Burnout als Zusatzdiagnose zu einer Erkrankung gestellt werden, zum Beispiel einer Depression. Typische Symptome sind Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Leistungsschwäche, Gefühle der Sinnlosigkeit, Antriebslosigkeit sowie Angst- und Panikattacken. Auch körperliche Anzeichen wie Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Beschwerden können auftreten. Oft haben Betroffene das Gefühl, ihren Alltag nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Sie fühlen sich gereizt und unwirksam, als könnten sie einfach nichts zustande bringen.
Psychiater: „Burnout ist weniger stigmatisiert“
Laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2019 unter allen gesetzlich Versicherten in Deutschland hochgerechnet 185.000 Burnout-Betroffene. Ulrich Hegerl kritisiert jedoch, dass der Begriff „Burnout“ häufig verwendet wird, ohne vorher auszuschließen, dass die Diagnosekriterien einer echten Erkrankung vorliegen. Denn versteckt sich hinter der Bezeichnung „Burnout“ eine Depression, könne das sogar gefährlich werden.
Als Beispiel nennt der Psychiater das Thema Schlaf: „Wenn sich jemand völlig erschöpft fühlt und glaubt, dass Überlastung die Ursache ist, könnte er zu dem Schluss kommen, dass mehr Schlaf die Symptome heilt“, sagt er. „Wenn aber eine Depression dahintersteckt und kein Burnout, dann macht Ausschlafen die Sache oft noch schlimmer.“ So habe Schlafentzug zur Überraschung der Betroffenen bei mehr als der Hälfte eine deutliche antidepressive Wirkung.
Einen Vorteil der Bezeichnung „Burnout“ sieht Hegerl darin, dass sich Menschen, die eigentlich an einer Depression leiden, eher trauen, Hilfe zu suchen. „Man hat sich selbst überfordert, war beruflich zu ehrgeizig – das klingt irgendwie besser als der Begriff ‚Depression‘ und ist in unserer Leistungsgesellschaft auch weniger stigmatisiert“, sagt er. Wenn eine Depression vorliegt, sei es jedoch sehr wichtig, sie auch so zu nennen, so der Psychiater.
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Hegerl berichtet von Fällen, in denen falsche Kausalzuschreibungen die Situation depressiver Menschen noch verschlimmert hätten. „Wenn Menschen mit Depressionen den Druck am Arbeitsplatz für die Ursache halten, liegt es für sie oft nahe, vorzeitig in Rente zu gehen oder in einen weniger stressigen, aber vielleicht schlechter bezahlten Job zu wechseln“, erzählt er. „Kommt die Depression dann erneut, da die Arbeit nicht Schuld war, dann hat sich ihre Lebenssituation eher verschlechtert“, so Hegerl weiter.
Depressionen: Diese Rolle spielt die Veranlagung
Eine entscheidende, aber oft unterschätzte Rolle bei Depressionen spielt laut Hegerl die Veranlagung. Liegt diese vor, rutschen die Betroffenen in der Regel immer wieder in depressive Krankheitsphasen. Menschen ohne entsprechende Veranlagung könnten dagegen schwerste Belastungen erleiden, ohne jemals an einer richtigen Depression zu erkranken.
Zudem sei es bei Menschen mit einer Veranlagung möglich, dass äußere Faktoren wie zum Beispiel berufliche Überforderung als Trigger für eine depressive Episode wirken. Häufig trete die depressive Krankheitsphase aber auch ohne erkennbare Ursache auf. „Manche Betroffene fragen sich dann, warum sie schon wieder in eine Depression gerutscht sind, obwohl sie sich eigentlich in einer guten Lebensphase befinden“, so der Psychiater.
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Besteht Unsicherheit, ob man an einem Burnout, also einer überlastungsbedingten Krise, oder an einer Depression leidet, rät Hegerl, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anlaufstellen sind in Deutschland der Hausarzt, der Facharzt für Psychiatrie oder Nervenheilkunde sowie der psychologische Psychotherapeut.
Grundsätzlich wird ein Burnout eher kontextbezogen, das heißt mit Bezug auf eine Ursache, beschrieben, während Depressionen häufig auch kontextunabhängig diagnostiziert werden. Zudem gibt es Symptome, die spezifisch für das eine oder andere Krankheitsbild sind. So deutet ständige Gereiztheit eher auf ein Burnout hin, während Suizidgedanken eher typisch für eine Depression sind.
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Liegt ein Burnout im Sinne einer chronischen Überforderung vor, reicht es laut Hegerl oft aus, den Stress am Arbeitsplatz oder zu Hause zu reduzieren. Eine Depression sei dagegen eine schwere, oft lebensbedrohliche Erkrankung, die möglichst rasch und konsequent behandelt werden müsse. Die beiden Hauptsäulen der Behandlung seien Antidepressiva sowie die kognitive Verhaltenstherapie.