Berlin. Weniger Erkältungen, weniger Gewicht und gute Laune? Experten nehmen fünf Mythen zum kalten Wasser bei der Körperpflege auseinander.
Glattere Haut, ein starkes Immunsystem, ein gesundes Herz, gleichzeitig noch ein paar Kilo abnehmen und glücklich in den Tag starten: Klingt gut, oder? Mit solchen Versprechen werben Gesundheitsratgeber schon seit Jahren dafür, kalt zu duschen.
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Dabei ist die Studienlage längst nicht eindeutig. Wie sehr lohnt es sich also wirklich, den inneren Schweinehund zu überwinden und sich bibbernd unter dem kalten Wasserstrahl die letzten Reste der Seife vom Körper zu waschen? Ein Mediziner und eine Molekularbiologin geben Antwort.
Kalt duschen – ein Booster fürs Immunsystem?
Einfach 30 Sekunden kalt duschen und dafür von Schnupfen, Husten und Co. verschont bleiben – kann es so einfach sein? Die schlechte Nachricht vorweg: „Die Verbesserung von kalten Duschen für den Immuneffekt ist tatsächlich nicht wirklich nachgewiesen“, sagt Malte Machleb, Sportmediziner am KRH Klinikum Agnes Karll Laatzen und im Olympiastützpunkt Niedersachsen.
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Lediglich eine Studie aus den Niederlanden konnte aufzeigen, dass sich Kaltduscher weniger häufig bei der Arbeit krankmeldeten als eine Vergleichsgruppe, die auf warmes Wasser setzte. Die Anzahl der Tage, an denen sich die Kalt- und Warmduschenden krank gefühlt hatten, blieb allerdings gleich. Die Forscher und Forscherinnen zogen deshalb das Fazit, dass kalte Duschen zwar wohl nicht weniger häufig krank machen – die Intensität der Krankheitssymptome aber abschwächen könnten.
Kaltes Wasser fürs Haarwachstum: Das sagen Experten
Was allerdings klar zu sein scheint: Wer sich dichteres Haar wünscht, sollte künftig den Wasserhahn in Richtung „kalt“ drehen. Denn: „Schon lange ist bekannt, dass Kälte Gänsehaut auslöst“, sagt Josephine Woseck, Molekularbiologin und Autorin des Buchs „Die Heilkraft der Kälte“. Dadurch werde der Sympathikusnerv getriggert, der den Organismus auf körperliche und geistige Leistungen vorbereitet. Daraufhin ziehen sich Haarbalgmuskel zusammen. Außerdem aktiviert der Sympathikusnerv bei Kälte auch die Haarfolikel-Stammzellen. Die Folge: Das Haarwachstum wird angekurbelt.
Auch Haar-Influencer Dejan Garz empfiehlt das kalte Wasser für die Kopfhaut, da es die Schuppenschicht der Haare schließe – und das mache sie glänzender. So klar belegt sind die positiven Auswirkungen auf die Haut allerdings nicht. „Man kann jetzt zum Beispiel nicht sagen, dass eine kalte Dusche Falten verringert“, sagt Expertin Worseck. Fest stehe aber, dass die Haut infolge der Kälte besser durchblutet werde.
So kann das Herz-Kreislauf-System profitieren
Und diese gute Durchblutung stärke auch das Herz-Kreislauf-System, sagt Molekularbiologin Worseck. „Der Körper will wenig Wärme verlieren, um seine Temperatur von 37 Grad auch zu halten. Um das zu schaffen, ziehen sich die Gefäße zusammen und vermindern so den Wärmeverlust.“ Das wiederum sei ein „unglaubliches Training für das Herz-Kreislauf-System“.
Sportmediziner Machleb ist vorsichtiger. „Die Kälte hat zwar einen Gewöhnungseffekt auf das Herz-Kreislauf-System, aber keinen positiven Langzeiteffekt, der konkret nachgewiesen wurde.“ Wobei sich die Biologin und der Arzt einig sind: Der kalte Schauer könne auch gefährlich sein. „Personen, die eine Herzschwäche oder Herzkreislauf-Probleme haben, sollten vorsichtig sein und wenn überhaupt ganz behutsam mit den kalten Duschen beginnen“, rät der Sportmediziner. Josephine Morseck ergänzt: „Wer Bluthochdruck hat und keine Medikamente nimmt, sollte vorher auch unbedingt mit seinem Arzt oder seiner Ärztin sprechen“, denn die Kälte könne die Werte in die Höhe schnellen lassen.
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Auch bei Erkältungskrankheiten solle man kalte Duschen eher meiden, rät das Unternehmen Kneipp, das basierend auf den Kälte-Lehren des Heilpraktikers Sebastian Kneipp gegründet wurde. Die angeregte Durchblutung belaste den ohnehin schon angeschlagenen Kreislauf zusätzlich.
Kalorienverbrauch: Können kalte Duschen helfen?
Wer ein paar Kilos verlieren will, sollte sich gesund ernähren und regelmäßig Sport treiben. So weit, so gut. Doch kann Kälte vielleicht einen kleinen Extra-Boost bewirken? „Ja“, sagt Josephine Worseck und erklärt: „Wenn wir richtig kalt duschen, wird das Hormon Noradrenalin ausgeschüttet, das unsere braunen Fettzellen anschaltet.“
Im Gegensatz zu weißen Fettzellen, die Energie und Fett einspeichern, seien die braunen dafür verantwortlich, Wärme zu produzieren – und dabei würden durchaus zusätzliche Kalorien verbraucht. Eine kalte Dusche reiche aber kaum aus, da müsse es schon ein Eisbad sein, so Worseck. Sportmediziner Machleb verweist auf eine Studie, bei der Probanden lediglich 2,8 Prozent mehr Kalorien verbrauchten. Das habe bei einem Grundumsatz von 1400 Kalorien bei einer Frau und 1800 Kalorien bei dem Mann kaum einen Effekt.
Fazit: Die Überwindung lohnt sich
Und was ist mit der Psyche? Sorgt die kalte Dusche wenigstens für gute Laune? In dieser Hinsicht lohne sich die Überwindung tatsächlich, sagt Worseck. Denn dabei werde Noradrenalin, das Signale an das Zentralnervensystem weiterleitet, ausgeschüttet. Und „das hellt die Stimmung auf und macht wach“. Worseck empfiehlt auch das kalte Wasser für das Gesicht. Dabei werde der sogenannte Vagusnerv stimuliert, der Entspannungsgefühl auslöst.
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Beim Thema „kalt duschen“ gibt es also noch einige Forschungslücken, schaden kann es in den meisten Fällen jedoch nicht. Für die positiven Wirkungen reicht es schon, sich zum Ende der Dusche hin noch mal für kurze Zeit unter die kühle Brause zu stellen – und zwar in dieser Reihenfolge: Erst die Füße, dann die Beine und dann der restliche Körper, erklärt Worseck. Und auch Sportmediziner Machleb betont: „Nur weil es keine wissenschaftlich nachweisbaren langfristigen Effekte gibt, ist ja ein kurzfristiges Wohlbefinden – vermutlich durch einen recht hohen Placeboeffekt – nichts Verkehrtes.“