Berlin. Schauspielerin Barbara Dussler ist bipolar. Auf Phasen der Manie folgen schwere Depressionen. So bekam sie die Krankheit in den Griff.

Vom Klischee der manisch-depressiven Künstlerin hält Barbara Dussler wenig. Zu hoch ist der Leidensdruck. Die bipolare Störung ist eine chronische Krankheit, bei der sich Phasen extremer Hochstimmung mit Depressionen abwechseln. Die 33-jährige Schauspielerin hat einen Umgang mit ihrer Erkrankung gefunden und kann über manches inzwischen sogar lachen.

Das tut sie auch in ihrem „Mackenbaracke“, in dem sie im Gespräch mit Experten gemeinsam mit ihrem besten Freund und Ex-Partner Max Eicke über die Erkrankung aufklären will. Im Interview spricht sie über ihre erste Manie, das Gefühl der Scham und ihren Weg zur Stabilität.

Frau Dussler, wissen Sie noch, wann Sie Ihre erste Manie hatten?

Barbara Dussler: Als ich zwölf war, hatte ich eine schwere Krebserkrankung. Damals bin ich zum ersten Mal in eine Art Rauschzustand gekommen. Das war in diesem besonderen Fall nicht gefährlich: Meine Mutter und ich retteten uns durch diese schwere Zeit mit einem grenzenlosen Optimismus.

Ganz nach dem Motto: „Ich könnte morgen tot sein, also machen wir jetzt alles, was uns einfällt.“ Das war in diesem speziellen Fall ein hilfreicher Coping-Mechanismus (Bewältigungsstrategie, Anm. der Redaktion), weswegen ich es nicht bereue. Danach gab die bipolare Störung Ruhe, bis ich 24 war.

Manie veränderte Dusslers Wesen – zum Negativen

Was passiert während einer Manie?

Dussler: In meiner ersten großen Manie habe ich mein Leben richtig an die Wand gefahren. Ich habe mich hoch verschuldet, verhielt mich sexuell komplett ausschweifend, stieß Menschen, die ich liebte, vor den Kopf, war egoistisch und arrogant und wurde insgesamt zu einer sehr unangenehmen Person.

Ich mietete in drei Städten eine Wohnung, ohne dass ich das Geld dafür hatte. Ich dachte, ich würde bald unglaublich berühmt sein und in verschiedenen Städten wohnen und arbeiten, aber das stimmte natürlich nicht. Das war fast schon psychotisch. Ich begann, mir Dinge einzubilden, die für mich selbst in diesem Moment wahr erschienen.

Wie kommt man aus so einer manischen Phase wieder heraus?

Dussler: Das ist ohne professionelle Hilfe sehr schwierig. Meine längste Manie dauerte ein halbes Jahr. Das ist ziemlich krass, wenn man bedenkt, dass ich in dieser Zeit fast gar nicht geschlafen habe oder höchstens ein bis zwei Stunden. Trotzdem war ich fit, fast wie auf Drogen. Ich trank sehr viel Alkohol, war ständig feiern. Man belastet seinen Körper sehr stark über einen langen Zeitraum. Klar, dass der Körper irgendwann Stopp sagt und quasi kollabiert.

Schauspielerin Barbara Dussler spricht offen darüber, wie Manie und Depression über Jahre ihr Leben bestimmten.
Schauspielerin Barbara Dussler spricht offen darüber, wie Manie und Depression über Jahre ihr Leben bestimmten. © Reto Klar | Reto Klar / Berliner Morgenpost

Und dann folgt die depressive Phase?

Dussler: Ja, eine unbehandelte Manie kommt nicht ohne darauffolgende depressive Phase aus. Das hat auch damit zu tun, dass man irgendwann aufwacht und merkt, wer man war und was man getan hat. Man steht vor einem Scherbenhaufen, die Inkassobriefe flattern rein, Menschen sind verletzt, haben sich abgewandt, was ich bis zu einem gewissen Grad auch verstehen kann.

Man sieht sich selbst in die Augen und denkt: Krass, was ist da passiert? Ich konnte die Schuld nicht auf andere schieben, ich hatte ja alles selbst zerstört – das zu akzeptieren ist schwer. Dann folgte eine Welle aus Scham. Die katapultierte mich dann direkt in die Depression. Die Erkrankung führt auch zu einem Identitätsverlust: Ich brauchte zwei Jahre, bis ich das Gefühl hatte, ich habe mich wieder zurecht geruckelt.

Mittlerweile schaffe ich es, zu sagen, ich kann zum Teil nichts dafür, das ist die Erkrankung, so kann man diese Scham etwas loslassen. Aber ich hatte ja keinen bösen Zwilling – ich habe das alles selbst verbockt und es war mir nicht möglich, mich davon ganz zu distanzieren. Durch Akzeptanz und Einsicht wird es besser – und man muss das eigene Chaos selbst aufräumen. Das macht keinen Spaß, war aber für mich sehr heilsam.

Wegen bipolarer Störung – „Brauchte dringend Struktur“

Wie haben Sie Ihr Leben „aufgeräumt?

Dussler: Erst mal steckte ich viel Arbeit hinein, mich zu entschuldigen. Meistens waren die Menschen versöhnlich und verurteilten mich oft weniger als ich mich selbst. Dann hörte ich zunächst auf, als Schauspielerin zu arbeiten, was mir sehr schwerfiel. Ich wusste, dass mir der Beruf nicht nur guttut. Ich brauchte dringend eine neue Struktur und arbeitete zwei Jahre als Castingassistentin, bevor ich wieder anfing zu spielen.

Sehr wichtig ist für mich ausreichend Schlaf. Ich bin nach Berlin gezogen, wo viele meiner engsten Freundinnen und Freunde leben. Sie merken es, wenn sich etwas bei mir verändert. Mit meinem Therapeuten habe ich eine Liste mit meinen Frühwarnzeichen für Depression und Manie angefertigt, die ich auch meinen Freunden gegeben habe.

Manche Menschen wenden sich komplett ab, aber manche bleiben auch. Waren sie ausschlaggebend dafür, dass Sie in Behandlung gegangen sind?

Dussler: Sie sind ausschlaggebend dafür, dass ich heute so stabil bin. Professionelle Hilfe gesucht habe ich mir aber vor allem, weil ich keine andere Wahl hatte: Ich hatte so viel kaputtgemacht und musste neu anfangen – von ganz unten. Nicht nur finanziell, auch psychisch war mein Dispo mehr als überzogen. Ich hatte keinen Job und keinen Wohnort mehr.

Viele Menschen mit dieser Erkrankung werden, so wie ich auch, in manischen Phasen zu Arschlöchern, und stoßen ihre liebsten Menschen von sich weg. Viele haben also leider nicht diese Unterstützung und die Ressourcen, die ich habe. Dass meine Freunde geblieben sind, ist alles andere als selbstverständlich – sie waren meine Rettung.

Medikamente helfen Betroffener im Umgang mit der Krankheit

Was hilft Ihnen außerdem?

Dussler: Therapie und Medikamente, die ich zum Glück sehr gut vertrage. Seither hatte ich keine einzige Krankheitsepisode mehr. Das liegt aber auch daran, dass ich mein Leben und Bewusstsein verändert habe, die Krankheit sehr gut kenne und extrem vorsichtig bin.

Was raten Sie Angehörigen und Freunden?

Dussler: Wichtig ist der Spagat zwischen Unterstützung und Abgrenzung. Man sollte sich nicht überfordern, aber nach Möglichkeit auch geduldig sein. Sind die Betroffenen in einer depressiven Phase, sollte man vermitteln: „Ich bin da.“ Allerdings reicht es oft leider nicht aus, wenn man als Betroffene eine Nachricht bekommt, in der steht: „Melde dich, wenn du mich brauchst.“ Man hat schlicht nicht die Kraft, darauf zurückzugreifen. Besser wäre vielleicht eine verbindlichere Absprache: „Wir treffen uns morgen um 11 Uhr zum Spazierengehen“.

Während meiner depressiven Phasen bekam ich Panikattacken, wenn ich allein im Supermarkt stand. Es ist super, das mit den Betroffenen gemeinsam zu erledigen und praktische Hilfe anzubieten: zusammen die Wohnung aufräumen oder bei der Therapieplatzsuche unterstützen.

In einer manischen Phase ist es komplizierter. Angehörige sollten kommunizieren, dass etwas nicht stimmt, und sie sich Sorgen machen. Wenn die Betroffenen nicht einsichtig sind, kann man sich eigentlich erst mal nur noch abgrenzen und selber schützen. Wichtig finde ich aber, da ganz ehrlich zu sein und zu signalisieren: „Ich liebe dich, aber ich kann hier gerade nicht weitermachen. Wenn du bereit bist, dir helfen zu lassen, bin ich da.“

Hatten Sie auch manchmal Angst, dass es nie wieder gut wird?

Dussler: Extrem. Ich hatte Angst, dass ich auf der Straße lande, weil ich kein Geld mehr habe, dass ich keine Freunde mehr habe, dass ich nie wieder einen Job finde, dass ich dumm bin. Das war auch durchaus begleitet von Selbstmordgedanken. Ich habe das nie versucht oder geplant, aber es war da. Man glaubt in jeder Depression fest daran, dass es dieses Mal wirklich nie wieder weggeht. Glücklicherweise bin ich seit vier Jahren stabil und kann endlich wieder sagen: Ich mag mein Leben.

Barbara Dusslers Podcast „Mackenbaracke“ entstand in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für bipolare Störungen.

Anmerkung der Redaktion

Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Suizidgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen.

Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.