Berlin. Die Zahl der Sterbefälle durch Herzerkrankungen insgesamt hat leicht zugenommen. Verantwortlich für einen Großteil ist der Lebensstil.

Verstopfte Kranzgefäße, akute Infarkte, Rhythmusstörungen, Klappenfehler, Herzschwäche: Herzkrankheiten bleiben in Deutschland die Todesursache Nummer eins. 2015 starben daran 221.000 Menschen, etwa 13.000 mehr als ein Jahr zuvor, aber deutlich weniger als noch in den 1990er-Jahren, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Herzbericht 2017.

Mit rund 270 Gestorbenen pro 100.000 Einwohner verharren die Zahlen auf einem Niveau mit nur noch leichten Schwankungen. Der Einfluss der alternden Bevölkerung wurde bewusst herausgerechnet. Wie in den Vorjahren war die Sterblichkeit bei Frauen in der Summe aller Diagnosen deutlich höher als bei Männern.

Männer erkranken früher als Frauen

Nur bei koronaren Herzkrankheiten und dem akuten Infarkt sei die Sterbeziffer der Männer höher gewesen. Männer erkrankten den Angaben zufolge aber rund zehn Jahre früher als Frauen. Besonders besorgt zeigten sich die Experten von der Deutschen Herzstiftung sowie den Fachgesellschaften für Kardiologie, Herzchirurgie und Kinderkardiologie über wachsende soziale Unterschiede bei wichtigen Risikofaktoren.

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    „Für die koronare Herzkrankheit und Herzschwäche ist die Bekämpfung von Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels, Diabetes oder Stress durch Vorsorge und therapeutische Maßnahmen wichtig“, sagte Prof. Andreas Stang, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Herzstiftung. Ein großer Teil der Krankheiten ließe sich auf das Verhalten zurückführen: wenig Bewegung, Rauchen, zu hoher Alkoholkonsum, Übergewicht durch eine ungesunde Ernährung.

    Je höher die Bildung, desto gesünder das Verhalten

    Laut einer Umfrage hatten im Jahr 2012 etwa 36 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen über 18 Jahre drei oder mehr Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung. „Das Potenzial der Vorbeugung ist hoch“, sagte Stang – aber es erreiche nicht alle Menschen aus den unterschiedlichen Lebenswelten.

    „Je höher der Bildungsstand, desto gesünder verhalten sich die Menschen. Sie rauchen weniger, sind sportlich aktiver und essen mehr Obst und Gemüse“, sagte Hannelore Neuhauser vom Robert-Koch-Institut, Mitautorin des Herzberichts im Kapitel „Vorbeugung“. Je höher der Bildungsgrad, desto häufiger werde die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Sportaktivität von zweieinhalb Stunden pro Woche erreicht.

    Neuhauser zufolge schaffen derzeit 42,6 Prozent der Frauen und 48 Prozent der Männer dieses Pensum. Bei Erwachsenen mit niedrigem Bildungsstand sei der Anteil der Sportmuffel seit Jahren hoch, bei den besser Gebildeten habe er deutlich abgenommen. Besonders auffällig sind den Angaben zufolge die langen Zeiten der Inaktivität während des Arbeitsalltags. Die Hälfte der Frauen und Männer im erwerbsfähigen Alter gaben an, während der Arbeit fast ausschließlich zu sitzen und zu stehen.

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      Der Anteil der Raucher geht zurück

      Bedenklich sind Neuhauser zufolge auch die Analysen im Bereich Ernährung. Der Verzehr von Obst und Gemüse senke nachweislich das Herz-Kreislauf-Risiko und könne dazu beitragen, Übergewicht zu vermeiden. Der durchschnittliche Konsum in Deutschland habe aber von 2006 bis 2012 abgenommen.

      In allen Bevölkerungsschichten lag er weit unter der Empfehlung der Gesellschaft für Ernährung von täglich 400 Gramm Gemüse und 250 Gramm Obst. „Bei Frauen ist der tägliche Obst- wie auch der Gemüsekonsum in der oberen Bildungsgruppe höher als in der niedrigen. Bei Männern sehen wir derartige Unterschiede vorrangig bei den 45- bis 64-Jährigen“, sagte Neuhauser.

      Beim Rauchen konstatiert der Herzbericht eine insgesamt positive Entwicklung: Der Anteil der Raucher ging von 2003 bis 2015 bei den Männern von 38,8 auf 27 Prozent, bei den Frauen von 29,2 auf 20,8 Prozent zurück. „Bei der Betrachtung verschiedener Bildungsgruppen in der erwachsenen Bevölkerung fällt jedoch auf, dass der Rückgang vorrangig in der höheren Bildungsgruppe stattfindet“, heißt es im Bericht.

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        Steuerung von Fast-Food-Angeboten?

        Insbesondere bei Männern hätten sich die Bildungsunterschiede im Tabakkonsum seit Anfang der 2000er-Jahre sogar noch vergrößert. Und auch bei Jugendlichen zeigten sich deutliche Unterschiede nach Sozialstatus: „Jugendliche mit niedrigem Status rauchen häufiger als Gleichaltrige mit hohem.“

        Die beste Vorbeugung vor Herzkrankheiten sei ein gesunder Lebensstil, sagte Epidemiologe Andreas Stang. Angesichts der Bildungsunterschiede im Verhalten dürfe Prävention und Information aber nicht nur als Aufgabe von Ärzten verstanden werden.

        Es müssten sich all jene beteiligen, die das Lebensumfeld prägten: Familie, Arbeitgeber, Kindergärten, Schulen, Medien und Politik. RKI-Gesundheitsexpertin Hannelore Neuhauser forderte auch Konkretes – eine Kennzeichnungspflicht für ungesunde Lebensmittel und eine kommunale Steuerung von Fast-Food-Angeboten.