Hamburg. Krankenkasse prangert Umgang mit teuren Arzneimitteln an. Kosten für Zytostatika explodieren. Tricksen die Pharmafirmen?

Weil es keine geeigneten Packungsgrößen für jeweils einen Patienten und seine Behandlung gibt, werden in Deutschland jedes Jahr Krebsmittel für viele Millionen Euro einfach weggeworfen. Das geht aus dem neuen Arzneimittelreport 2017 der Barmer Krankenversicherung hervor. Weil gleichzeitig die Ausgaben für onkologische Arzneimittel in der ambulanten Versorgung in fünf Jahren um 41 Prozent gestiegen sind, spricht die Krankenkasse von Verschwendung und sieht dringenden Handlungsbedarf.

Allein bei Barmer-Versicherten seien 2015 für zehn Millionen Euro Restmengen (sogenannte Verwürfe) vernichtet worden. Die Kasse unterstellt den Pharmafirmen und Medikamentenherstellern, bei Krebsmitteln (Zytostatika) zu tricksen: „Offenbar versuchen einige Pharmafirmen über Verwürfe ihren Gewinn zu maximieren, indem sie praxistaugliche Packungsgrößen mit Einzeldosierungen vom Markt nehmen und durch größere Packungen ersetzen“, sagte der Hamburger Barmer-Landesgeschäftsführer Frank Liedtke.

Mindesthaltbarkeitsdatum beeinflusst?

Zytostatika werden häufig extra für an Krebs erkrankte Patienten hergestellt und gemischt. Dabei sollen die Hersteller auch die Haltbarkeitsdaten zu ihren Gunsten beeinflussen, so der Vorwurf. „Auch die tatsächliche Haltbarkeit angebrochener onkologischer Arzneimittelstammlösungen scheint verschwiegen zu werden. Praxistaugliche Einzeldosisstärken sollten direkt mit der Zulassung verknüpft werden. Ebenso sollten Untersuchungen zur Haltbarkeit für die Pharmafirmen verpflichtend sein. Aktuell werden die Kosten dieser Untersuchungen unter anderem von den Kassen bezahlt“, sagte Liedtke.

Laut Barmer-Arzneimittelreport übersteigen die Aufwendungen für Krebsmittel die Kostensteigerung für alle anderen Arzneimittel (ohne Rezepturen) auch deutlich. Als Beispiel nennt die Kasse die Therapiekosten zur Behandlung von Hautkrebs-Patienten. Sie hätten sich in in fünf Jahren fast verneunfacht (von 1309 auf 11.411 Euro). Liedtke sagte, man müsse unbedingt die Debatte vermeiden, ob man sich in Deutschland teure Therapien überhaupt noch leisten könne. Allerdings müsse man sich fragen, ob die Preise für Krebsmedikamente vor allem im internationalen Vergleich noch zu rechtfertigen seien.