Berlin. Seit Januar hilft ein privater Dienstleister Bürgern bei Streit mit Krankenkasse oder Ärzten. Doch es gibt Zweifel an der Neutralität.

Verdacht auf Behandlungsfehler, Ärger mit der Krankenkasse, Fragen zu Arztdiagnose oder Medikamenten: Das sind Fälle für die Unabhängige Patientenberatung (UPD). Fast zehn Jahre lang war sie in der Hand gemeinnütziger Träger wie der Verbraucherzentrale und dem Sozialverband VdK. Dann wurde die Leistung neu ausgeschrieben – europaweit. Den Zuschlag erhielt zum 1. Januar der Callcenterdienstleister Sanvartis aus Duisburg. Die Kritik war groß. Zu Unrecht, bilanzierte am Mittwoch der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU).

Was ist Hintergrund der Kritik?

Weil Sanvartis auch für Krankenkassen und andere Akteure im Gesundheitswesen arbeitet, sahen Verbraucherschützer, Politiker und Ärzte die Neutralität der UPD bedroht. „Das neue Unternehmen mag ein gutes Callcenter betreiben, ist aber nicht unabhängig von Krankenkassen und Pharmaunternehmen“, sagte beispielhaft der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, in der ARD.

Die Kritik sei unbegründet, verteidigte sich das Unternehmen. Für die Patientenberatung sei eine gemeinnützige GmbH gegründet worden. Zwischen ihr und dem „kommerziellen Unternehmen“ gebe es keine Überschneidungen. Ob die neue UPD neu­tral berät, soll streng kontrolliert werden. „Ich werde mir die Arbeit der UPD in Zukunft ganz genau anschauen“, sagte Staatssekretär Laumann. Gleiches gelte auch für den unabhängigen Auditor, der künftig über die Einhaltung der Unabhängigkeit wachen werde.

Was ist Aufgabe der UPD?

Sie handelt im gesetzlichen Auftrag und soll Verbraucher sowie Patienten in gesundheitlichen und gesundheitsrechtlichen Fragen neutral und kostenlos informieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese gesetzlich, privat oder gar nicht krankenversichert sind. Die Themen sind umfassend: Krankheiten, Symptome, Diagnosen und Therapien, Vor- und Nachsorge, Arzneimittel, Patientenrechte, Naturheilkunde, kostenpflichtige Gesundheitsleistungen (IGeL) oder Selbsthilfe. Festgeschriebenes Ziel: eine Verdreifachung der bisherigen Beratungszahlen auf jährlich 220.000 und mehr Bürgernähe.

Wie wird die UPD bezahlt?

Finanziert wird sie vom Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland (GKV). Auch der Verband der Privaten Krankenversicherung ist beteiligt. Der UPD stehen in den kommenden sieben Jahren rund 63 Millionen Euro zur Verfügung. Die Finanzierung wurde mit dem Ziel eines besseren Angebots zum 1. Januar von 5,2 auf neun Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.

Wie funktioniert die Beratung?

Dazu nutzt die UPD in erster Linie ein Beratungstelefon: 0800/011 77 22 (gebührenfrei aus allen Netzen). Neu sind erweiterte Sprechzeiten (montags bis freitags von 8 bis 22 Uhr und samstags von 8 bis 18. Uhr). Beraten wird auch in türkischer, russischer und arabischer Sprache. Hier variieren Rufnummern und Sprechzeiten.

Schon heute sei die UPD besser telefonisch erreichbar als in der Vergangenheit, so Laumann: Mussten Ratsuchende 2015 bis zu 2,8-mal anrufen, um mit einem Berater zu sprechen, hätten sie jetzt bereits nach 1,5 Versuchen Kontakt.

Die UPD informiert aber nicht nur am Telefon, sondern auch per Mail oder Onlineberatungsplattform (www.patientenberatung.de). Für einen persönlichen Kontakt gibt es 30 statt bisher 21 Vor-Ort-Beratungsstellen und drei UPD-Mobile, die durch 100 kleinere Städte touren. Im Notfall können Verbraucher eine Beratung in den eigenen vier Wänden vereinbaren.

Wer berät die Patienten?

Das übernehmen laut UPD „geschulte Experten wie Juristen, Ärzte, medizinische Fachkräfte oder Sozialversicherungsfachangestellte“. 120 sollen es ab August sein. „Grundsätzlich erfolgt die medizinische Beratung auf Basis empirisch gesicherter, wissenschaftlicher Daten, umfassend und neutral“ sagte UPD-Geschäftsführer Thorben Krumwiede am Mittwoch.

Was ist für die Zukunft geplant?

Die UPD will digital weiter aufstocken: Für Apple-Geräte mit ihrem Betriebssystem iOS gibt es bereits heute eine kostenlose Beratungsapplikation mit diversen Informationen und Funktionen. Zu denen gehören unter anderem ein terminierter Rückruf oder eine einfache Dokumentenübermittlung. Die Beratungs-App für Android-Geräte soll noch in diesem Monat folgen. Ebenfalls geplant sind Videotelefonie und Internetseminare.

Gibt es Alternativen zur UPD?

Auch die Verbraucherzentrale bietet eine neutrale Beratung zu den Themen Gesundheit und Patientenschutz an, montags bis freitags 11 bis 13 Uhr. Eine Telefonberatung kostet ab 5 Euro, eine schriftliche ab 10 Euro. Eine persönliche Kurzberatung (bis 20 Min.) kostet 22 Euro, Spezialberatungen zwischen 50 und 100 Euro. Termine können per Mail (patientenschutz@vzhh.de) oder telefonisch vereinbart werden (040/24832-130).