Das Internet kann süchtig machen. Betroffene vernachlässigen ihren Freundeskreis, sind depressiv und gereizt, wenn sie nicht online sein können.
München. Das Netz ersetzt bei vielen Menschen zunehmend soziale Kontakte in der realen Welt. Rund 560.000 Menschen in Deutschland sind einer Studie zufolge internetsüchtig. Besonders die Jüngeren zeigten häufig typische Sucht-Symptome, heißt es in einer am Montag vorgestellten Untersuchung im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums. Zu den Symptomen gehören den Forschern zufolge körperliche Entzugserscheinungen, wie depressive Verstimmungen, Unruhe und Reizbarkeit, wenn die Süchtigen nicht im Netz unterwegs sind.
Hochgerechnet gilt rund ein Prozent der Bevölkerung als onlinesüchtig. Das entspricht ungefähr der Zahl der Marihuana-Abhängigen. Die Süchtigen können der Studie zufolge ihre Online-Zeit nicht mehr kontrollieren. Sie vernachlässigen ihr Sozialleben in der realen Welt und teilweise auch sich selbst. Die Folgen seien vereinzelt mit denen einer Drogenabhängigkeit vergleichbar, sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans.
Aus der Untersuchung ergibt sich ein deutliches Altersgefälle bei der Internetsucht. Bei den 14- bis 24-Jährigen gelten 2,4 Prozent als internetsüchtig, zwischen 14 und 16 Jahren sind es gar vier Prozent. Fast 14 Prozent der Befragten nutzen den Definitionen der Forscher zufolge das Internet problematisch. Allerdings schränken die Autoren ein, dass es eine einheitliche Definition der Internetsucht noch nicht gibt. „Die Datenlage ist schwach. Wir wissen sehr wenig über die Verbreitung des Problems“, sagte der Suchtforscher Hans-Jürgen Rumpf. Man wisse noch nicht genau, was man bei der Internetsucht diagnostiziere. Deswegen spricht er mit Blick auf die Ergebnisse vorsichtig von „wahrscheinlich Anhängigen“.
Die Forscher wollten in einer Folgestudie ausführliche Interviews mit den Problemgruppen führen, um der Sucht weiter auf den Grund zu gehen. Derzeit verhandeln internationale Forschergremien, ob die Internetabhängigkeit einheitlich als Suchtkrankheit definiert werden soll. Dyckmans kündigte an, die Internetsucht im kommenden Jahr zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit machen zu wollen.
Die Studie ist die erste repräsentative Untersuchung zur Internetsucht in Deutschland. Die Experten befragten mehr als 15.000 Menschen zwischen 14 und 64 Jahren per Telefon.