Quelle der EHEC-Erkrankungen soll mitten in der Natur liegen. Edeka, Rewe und Real verzichten wegen EHEC-Verdacht auf Sprossengemüse

Hamburg/Lübeck/Köln. Nach der Warnung vor einer möglichen Verbreitung der gefährlichen Darmerkrankung EHEC durch Sprossengemüse haben viele deutsche Handelsketten den Verkauf von Sprossen gestoppt. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka berichtete am Montag, er nehme rohe Sprossen vorsorglich aus dem Angebot. Auch Konkurrent Rewe und die zum Handelsriesen Metro gehörende SB-Marktkette Real verkaufen zurzeit keine Sprossen mehr.

Rewe betonte, das Unternehmen werde nicht von dem unter Verdacht geratenen Biohof in Niedersachsen beliefert. Dennoch habe man alle Sprossen aus dem Verkauf genommen. Dies gelte nicht nur für die Rewe-Supermärkte, sondern auch für die Discountkette Penny, für Karstadt-Feinkost, die Temma-Biomärkte und die toom-Verbrauchermärkte.

Die SB-Marktkette Real erklärte, sie habe bereits in der vergangenen Woche alle Sprossen, aber auch vorgeschnittene Salat aus dem Angebot genommen.

Der Gärtnerhof in Bienenbüttel

Der unter EHEC-Verdacht stehende Gärtnerhof besitzt nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Hannover bislang in Norddeutschland bei Salatsprossen eine Art Alleinstellung. Der Biobetrieb in Bienenbüttel im Landkreis Uelzen sei der einzige Betrieb in Norddeutschland, der aus Saatgut im großen Maßstab frische Keimlingen oder Sprossen heranziehe, berichtete der Sprecher des Ministeriums. Kleinere Konkurrenten des Gärtnerhofes belieferten nur lokale Märkte ihrer Umgebung.

Der Biobetrieb versorgte bis zu seiner Sperrung Großmärkte in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hessen mit Sprossen oder Sprossenmischungen. Hauptkunden waren laut Landwirtschaftsministerium Gastronomiebetriebe und Kantinen. Zudem konnten über Reformhäuser und auf Wochenmärkten auch private Endverbraucher die Sprossen erwerben. Je drei belieferte Restaurants und Kantinen wurden Herde von Infektionen. Bei privaten Käufern von Sprossen aus dem Betrieb wurde bislang kein EHEC festgestellt.

Im Sortiment hat der Gärtnerhof 3 Sprossenmischungen und 16 verschiedene Keimlingssorten – von Radieschensprossen über Weizenkeimlinge, Rotkohlsprossen und Zwiebelsprossen bis hin zu den Mungobohnenkeimlingen, die hierzulande meist „Sojabohnensprossen“ genannt werden. Der Hof betonte in einer Erklärung, dass er seit 25 Jahren einwandfreie Sprossen liefere und seine Ware zuletzt in der zweiten Mai-Hälfte ohne Befund auf Coli-Bakterien wie EHEC habe testen lassen.

Acht Sprossen-Proben in Hamburg negativ

In Hamburg gibt es bislang keinen Nachweis des EHEC-Erregers auf Sprossen. Das Institut für Hygiene und Umwelt hatte in den vergangenen Wochen acht Sprossen-Proben untersucht, davon fünf aus dem in Verdacht stehenden Betrieb im niedersächsischen Bienenbüttel, wie ein Sprecher der Gesundheitsbehörde am Montag in Hamburg mitteilte. Alle acht Proben seien EHEC-frei gewesen.

Das bedeutet laut Schmidt allerdings nicht, dass die Erkenntnisse des niedersächsischen Verbraucherschutzministeriums bezweifelt werden, da sich der Erreger nach bisherigen Erkenntnissen nicht gleichmäßig auf die Produkte eines Betriebes verteilt.

„Wir hoffen, dass die Ergebnisse der Sprossen-Untersuchung in Niedersachsen hinsichtlich der Quelle der Erkrankungen mehr Klarheit bringen“, sagte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die erst die endgültigen Ergebnisse abwarten möchte. Bis wirklich Klarheit über die Quelle der Erkrankungen bestehe, gelte weiter die Warnung des Robert-Koch-Institutes vor Gurken, rohen Tomaten, Blattsalat und Sprossen.

Durch die Kontrolle der Lieferwege waren die niedersächsischen Behörden am Wochenende auf die Spur der Sprossen als möglicher EHEC-Verursacher in einem Gartenbaubetrieb in Bienenbüttel (Landkreis Uelzen) gekommen. Demnach lassen sich die ersten sechs größeren Ausbrüche des Erregers nach Angaben des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) auf Lieferungen des Sprossenherstellers zurückführen.

Brandenburg will Sprossen auf EHEC überprüfen

Brandenburg will bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Erregers verstärkt Sprossen durch Lebensmittelkontrolleure überprüfen lassen. „Nach den neuesten Warnungen der niedersächsischen Behörden könnten Sprossen ein Herd des EHEC-Erregers sein“, sagte Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) am Montag in Berlin auf dapd-Anfrage. Gleichzeitig warnte sie vor Spekulationen.

Am Vortag hatte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann (CDU) bekannt gegeben, dass bei epidemiologischen Auswertungen ein Zusammenhang zwischen den EHEC-Infektionen und in einem Gartenbaubetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel produzierten Sprossen festgestellt worden sei.

Demgegenüber betonte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) am Montag, dass der Verursacher der gefährlichen Darmkrankheit trotz der Hinweise auf Sprossengemüse aus Niedersachsen noch nicht feststehe. Es müsse noch die Bestätigung der Labortests abgewartet werden, die voraussichtlich am Dienstag vorlägen. Bis dahin könne noch keine Entwarnung gegeben werden.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) werden in Deutschland mittlerweile 21 Todesfälle mit EHEC in Verbindung gebracht. Bundesweit seien inzwischen mehr als 1.500 EHEC-Fälle sowie mehr als 620 HUS-Fälle gemeldet worden.

(dapd)