Wann sind wir munter? Münchner Forscher haben sieben Chronotypen ausgemacht
München. Für viele Menschen beginnt der Tag im Büro mit einer Stunde Arbeitsunfähigkeit: Sie trödeln, schieben die Arbeit lustlos von einer Ecke in die andere, können noch keinen klaren Gedanken fassen. Andere dagegen singen bereits um sechs Uhr fröhlich unter der Dusche, fühlen sich aber schon zu Beginn der Tagesschau von einer bleiernen Müdigkeit ergriffen. Weshalb reagieren Menschen so verschieden? Und was hat das mit der Schlafdauer zu tun? Forscher der Universität München suchen die Antwort darauf mithilfe einer Datenbank mit mittlerweile mehr als 80 000 Befragten.
Die "innere Uhr" steuert die Leistungsbereitschaft des Organismus. Sie tickt aber bei jedem ein bisschen anders. Der Abendtyp dreht erst richtig auf, wenn es dunkel wird. Er gehört oft zum "harten Kern", der bei Festen am längsten durchhält, er sitzt lange vor dem Fernseher oder liest noch ausgiebig, bevor er einschläft. Morgens dagegen sind solche "Nachteulen" gereizt und brummig, machen immer einen unausgeschlafenen Eindruck. Ganz anders präsentiert sich die "Lerche", also der Frühaufsteher. Er erwacht voller Energie und Tatendrang, stürzt sich sogleich auf die Arbeit, ist aber schon am späten Nachmittag mit seiner Aktivität am Ende. Am Abend ist nichts mehr los mit ihm. Als einziger organischer Unterschied zwischen "Eulen" und "Lerchen" wurde bisher der Blutdruck ausgemacht. Morgenmuffel haben häufiger einen niedrigen Blutdruck.
Unsere Schlafzeit wird von der inneren und der äußeren Uhr kontrolliert
Um eine präzisere Unterscheidung der einzelnen Chronotypen bemüht sich seit Jahren das Münchner Zentrum für Chronobiologie am Institut für Medizinische Psychologie der LMU. Dort wurde unter Leitung von Prof. Dr. Till Roenneberg ein Fragebogen als Messinstrument entwickelt und bereits mehr als 80 000-mal eingesetzt. Nach Auswertung der ersten 25 000 Fragebögen haben die Münchner Forscher die Chronotypen in der Bevölkerung in sieben Gruppen unterteilt, von extremer Frühtyp bis extremer Spättyp. Professor Roenneberg: "Unsere Schlafzeiten werden von zwei 'Uhren' kontrolliert: von der inneren Uhr, die uns zu einem bestimmten Chronotypus macht, und der äußeren Uhr (z. B. dem morgendlichen Wecker). Je verschiedener die beiden Uhren 'ticken', desto schwieriger kann es für Menschen sein, an allen Tagen gesunden Schlaf zu finden."
Ein durchschnittlicher, normaler Chronotyp schläft nach den Berechnungen der Münchner Forscher von 0.15 Uhr bis 8.15 Uhr, wenn er nicht irgendwelche Verpflichtungen (z. B. Arbeits- oder Schulbeginn) hat. Die individuelle Schlafdauer sei jedoch unabhängig vom individuellen Chronotypus, sagt Chronobiologe Professor Roenneberg: "Unter den frühen Typen finden sich genauso viele Kurz- und Langschläfer wie unter den Spättypen."
Der Chronotyp verändert sich auch systematisch mit dem Alter. Schlafbedürftige Eltern erleben das am eigenen Leibe: Kleine Kinder sind frühe Chronotypen, die oft schon um sechs auf der Matte stehen. Ihr Tagesrhythmus verschiebt sich in der Pubertät nach hinten. Etwa mit 20 Jahren wird ein Maximum des Spätseins erreicht. Danach bewegt man sich wieder hin zu früheren Zeiten. Bei Frauen erfolgt der Umschwung im Alter von 19,5, bei Männern von 20,9 Jahren.
Für die Steuerung der inneren Uhr ist eine Reihe von Genen zuständig, so die Gene hPER1, hPER2, hPER3, HCRY2, hBMSL1 und hCLOCK. Als "Frühaufsteher-Gen" gilt Per3. Dr. Simon Archer von der Universität Surrey in Guildford (England) untersuchte Schlafgewohnheiten von mehreren Hundert Briten und analysierte dann Gene bei Probanden, deren Lebensweise besonders deutlich auf morgendliche oder abendliche Aktivitäten festgelegt war. Das Ergebnis: Das Gen Per3 ist bei Frühaufstehern deutlich länger als bei Langschläfern. Dieses Gen wird im Taktgeberzentrum des Gehirns, dem sogenannten suprachiasmatischen Nukleus, aktiviert, das für die unterschiedlichen Schlafmuster bei "Lerchen" und "Eulen" zuständig ist.
"Super-Eulen" schlafen erst in den frühen Morgenstunden ein
Eine besondere Rolle scheint das "Nachteulen-Gen" bei Menschen zu spielen, die unter dem sogenannten Syndrom der verzögerten Schlafphase"(Delayed Sleep Phase Syndrome, DSPS) leiden. Nach den Untersuchungen von Dr. Simon Archer haben DSPS-Patienten gleich zwei Kopien des verkürzten Per3-Gens. Die Folge: Bei den "Supereulen" ist die Einschlafphase in die frühen Morgenstunden verlagert. Sie können oft nicht zum gewünschten Zeitpunkt einschlafen oder aufstehen und machen morgens den Eindruck eines antrieblosen Langschläfers. Zu später Stunde sind sie leistungsfähig und produktiv. Informationen zum DSPS-Syndrom bietet der delta-t-Verein für Zweitnormalität: www.delta-t.org .