Im Zuge des Klimawandels könnten sich in Deutschland Krankheitserreger aus wärmeren Regionen vermehrt ausbreiten
Hamburg. Sie haben exotisch klingende Namen wie Sindbis oder Toscana - Viren, die aus südlichen Regionen stammen und jetzt auch in Deutschland von sich reden machen. Damit taucht auch die Frage auf, ob die globale Erwärmung mit dazu beiträgt, dass Erreger sich in solchen Gebieten ausbreiten können, in denen sie normalerweise nicht beheimatet sind. "Studien weisen darauf hin, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Denn mit der Klimaerwärmung verändern sich auch die Lebensbedingungen für Insekten, die solche Viren übertragen", sagt Prof. Wolfram Brune, Virologe am Hamburger Heinrich-Pette-Institut (HPI) - Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie.
Durch mildere Winter und Veränderungen der Feuchtgebiete könnten sich Insektenpopulationen ausbreiten und sich eventuell auch Unterarten dieser Insekten vermehren, die solche Viren noch besser übertragen als heimische Insekten. Vor allem handelt es sich dabei um Stechmücken der Gattungen Aedes oder Culex.
Es gibt dafür Beispiele aus anderen Regionen der Welt, die gar nicht weit entfernt sind. So hat es in Norditalien 2007 einen Ausbruch von Chikungunya-Fieber gegeben. "Das ist eine Krankheit, die es dort vorher nicht gegeben hat. Sie wurde durch eine infizierte Person aus Indien eingeschleppt und hat über Mücken zur regionalen Verbreitung geführt. Sie haben diese Infektion durch Stiche weitergetragen", sagt Brune. Doch ein infiziertes Tier oder das Vorhandensein der übertragenden Insekten reicht noch nicht aus, um eine anhaltende Infektionskette zu gewährleisten. "Dafür, ob und wie sich eine Infektion ausbreitet, spielt auch eine Rolle, wie die Krankheitserreger eingeschleppt werden - ob durch Menschen, die sich im Süden infiziert haben, oder durch Handelsware oder Vögel", sagt Prof. Thomas Dobner, Direktor des Heinrich-Pette-Instituts. Hinzu kommt, dass die übertragenden Insekten hier geeignete Lebensbedingungen brauchen. "Prädestiniert sind Feuchtgebiete, also vor allem Regionen in Flussnähe, auch Sümpfe, soweit es sie in Deutschland gibt. Und in Süddeutschland sind auch die Wälder ein geografischer Faktor für die Infektionsketten", sagt Dobner. Doch wenn infizierte Personen schnell erkannt, isoliert und behandelt werden, sinkt das Risiko, dass die Infektion sich weiter ausbreitet.
Zu den Erregern, die künftig möglicherweise in Deutschland heimisch werden, gehören die Chikungunya-Viren, die Fieber, Gelenkschwellungen und Gliederschmerzen hervorrufen können. "Das ist meistens eine relativ gutartig verlaufende Krankheit", sagt Brune. Die Viren werden über Aedes-Mücken übertragen.
Auf dem gleichen Weg scheint auch eine Ausbreitung des Dengue-Fiebers möglich. Diese Viren haben eine gefährliche Besonderheit: Es gibt vier Untergruppen, sogenannte Serotypen, mit denen sich Menschen nacheinander infizieren können. Während es bei der ersten Infektion meist nur zu starken Gliederschmerzen kommt, kann eine Zweitinfektion mit einem anderen Serotyp mit hohem Fieber und Blutungen weitaus gefährlicher werden. "Das liegt daran, dass der Körper des Kranken bei der Erstinfektion zwar Antikörper gegen das Virus bildet. Aber im Gegensatz zu anderen Infektionen schützen diese den Menschen nicht bei einer zweiten Infektion, sondern erleichtern den Viren noch den Eintritt in die menschliche Zelle, sodass es zu einer schwereren Infektion kommt", sagt Brune.
Ein Virus, das aus der Nilregion Ugandas stammt, hat sich stark in Nordamerika ausgebreitet: das West-Nil-Virus. Vereinzelte Ausbrüche dieses Virus gab es auch schon in Rumänien, Ungarn und Italien. In Deutschland sind bisher keine Fälle bekannt. Diese Viren werden über Aedes- und Culex-Mücken übertragen und wurden auch in Zugvögeln nachgewiesen. Symptome sind vor allem Gliederschmerzen.
Vor wenigen Monaten wiesen Forscher des Bernhard-Nocht-Instituts (BNI) erstmals Sindbis-Viren, die aus Afrika stammen, in mehreren Mückenarten in Baden-Württemberg nach. Erkrankungsfälle sind bisher in Deutschland nicht bekannt. Jüngstes Beispiel für in Deutschland neu aufgetauchte Viren sind Toskana-Viren, die im Mittelmeerraum beheimatet sind. Sie werden über Sandfliegen übertragen und wurden kürzlich in Baden-Württemberg nachgewiesen. Die Infektion macht sich durch eine leichte Hirnhautentzündung bemerkbar, sie verläuft aber oft auch ohne Symptome, sodass darüber diskutiert wird, Blutspenden auf diese Viren zu testen, um Übertragungen über Bluttransfusionen zu verhindern.
Die globale Erwärmung kann auch dazu führen, dass Viren, die in Deutschland bereits heimisch sind, sich weiter ausbreiten. Ein Beispiel sind Hanta-Viren, die von Mäusen über Urin, Kot und Speichel ausgeschieden werden. Die Erkrankung geht mit Fieber, Kopf-, Glieder- und Muskelschmerzen einher und kann in Einzelfällen auch schwerwiegend verlaufen. Die Viren können im Staub von Dachböden und Kellern lange überleben. Dort lauert die größte Infektionsgefahr für Menschen. "Es ist keine neue Krankheit, aber sie könnte sich im Zuge des Klimawandels stärker ausbreiten. Denn die Zahl der Fälle hängt auch davon ab, wie die Mäusepopulationen aussehen", sagt Dobner. Ein milder Winter mit großen Mäusepopulationen lässt auch die Zahl der Hanta-Infektionen bei Menschen ansteigen, ebenso ein harter Winter wie der letzte, in dem die Tiere unter der Schneedecke lange geschützt sind.
Auch die Virusinfektion FSME, die Gehirnentzündungen hervorrufen kann, durch Zecken übertragen wird und bisher vor allem im Süden Deutschlands vorkommt, könnte sich im Zuge des Klimawandels nach Norden ausbreiten. In den vergangenen Jahren wurden schon Krankheitsfälle weiter nördlich, so in Hessen, Thüringen und Rheinland-Pfalz, beobachtet.
Um die Ausbreitung der Viren zu überwachen, gibt es in Deutschland unterschiedliche Maßnahmen: "Für einige Viren besteht Meldepflicht, für andere gibt es Netzwerke, in denen Verdachtsfälle gemeldet werden", so Dobner. Er fordert, die diagnostischen Verfahren zu verbessern und zu vereinfachen, sodass man genügend Überwachungssysteme habe, um größere Ausbrüche von Infektionen schnell festzustellen.