Kaum ein Thema wird so tabuisiert wie Sexualität im Alter. Doch einer Studie zufolge scheinen viele Senioren gerade damit zufrieden zu sein.
Rostock. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Sexualleben nimmt einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge bei in Partnerschaften lebenden Senioren eher zu als ab. „Dies gilt, obwohl die sexuelle Aktivität sich verringert“, sagte die Rostocker Medizin-Soziologin Britta Müller der Nachrichtenagentur dpa. Mit zunehmendem Alter komme vor allem den kleinen Zärtlichkeiten eine größere Bedeutung zu, die auch ritualisiert werden, sagte Müller. Es gehe dann um das Versichern der körperlichen Nähe, Händchen halten, beim Einschlafen nochmal vergewissern, dass der andere da ist oder nur um den liebevollen Blick.
In der Studie des Instituts für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universitätsklinik Rostock und zwei weiterer Forschungseinrichtungen wurde allerdings nicht nach der Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs gefragt. Bei den befragten 63-Jährigen waren 57 Prozent zufrieden mit ihrer Sexualität, bei den 75-Jährigen waren es 70 Prozent. Bei Männern und Frauen zeigten sich dabei ähnliche Ergebnisse, allerdings räumten Männer der Zärtlichkeit und Sexualität in ihrem Leben eine höhere Priorität ein als dies Frauen tun.
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„Wir konnten feststellen, dass Menschen, die in jüngeren Jahren sexuell aktiver waren, dies auch im Alter bleiben“, sagte Müller. Umgekehrt gelte, dass Menschen, die im Laufe ihres Lebens kein großes Interesse an sexuellen Aktivitäten hatten, dies im Alter weiter reduzieren. Allerdings können sich auch chronische Erkrankungen und die Einnahme bestimmter Medikamente ungünstig auf die sexuelle Aktivität auswirken.
Prinzipiell gelte, dass beim Thema Sexualität viele Mythen kursieren. „20-Jährige denken, mit 50 Jahren sei Schluss, 40-Jährige siedeln die Grenze bei 70 Jahren an, 50-Jährige bei 80“, sagte der Chef des Rostocker Instituts, Peter Kropp. Dabei könne Sexualität zeitlebens eine positive Rolle spielen. „Nachweislich bleiben durch Aktivitäten im Alter – und dazu gehört auch ein ausgefülltes Liebesleben – die kognitiven Fähigkeiten länger erhalten.“
Die Befragung erfolgte im Rahmen der Multicenter-Studie ILSE (Interdisziplinäre Längsschnitt-Studie des Erwachsenenalters), die seit 1993 an den Universitäten Rostock, Leipzig und Heidelberg mit insgesamt 1390 Probanden läuft. Für die aktuelle Studie wurden die Daten von 170 Senioren im Alter von 63, 67 und 75 Jahren ausgewertet. Die Ergebnisse seien jedoch nur bedingt verallgemeinerbar, da die Befragten meist in Partnerschaften lebten, betonte Müller. Im gesellschaftlichen Durchschnitt lebten dann jedoch schon viele Menschen allein.