Bessere Kontrollen würden nicht genügen. Die Deutsche Ärzteschaft fordert, das Medizinproduktgesetzt auf Lücken zu überprüfen.
Dortmund/Berlin. Nach dem Skandal um die Billig-Brustimplantate aus Frankreich, fordert die deutsche Ärzteschaft schärfere Zulassungsregelungen für Medizinprodukte. „Wir benötigen eine Weiterentwicklung bisheriger Standards. Das Medizinproduktegesetz muss auf Lücken überprüft werden“, forderte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery im Gespräch mit den „Ruhr Nachrichten“ (Donnerstagausgabe). Es würde nicht ausreichen, nur besser zu kontrollieren.
Montgomery kritisierte zugleich Krankenkassen in der Frage der Kostenbeteiligung bei der Entfernung von Implantaten des französischen Herstellers PIP: „Es geht hier um eine dringliche medizinische Indikation.“ Die Regelungen, die eine finanzielle Beteiligung der Patienten von Schönheitsoperationen vorsehen, müssten in diesem Fall hintan gestellt werden.
Maik Pommer, Sprecher des Bundesinstitus für Arzneimittel, appeliert an die Ärzte, frühzeitig auf die Risiken hinzuweisen. Die minderwertigen Silikonkissen des französischen Herstellers PIP richteten schon seit Jahren gesundheitliche Schäden an und hätten viel früher entdeckt werden können. Aus den Implantaten, die 2001 auf den deutschen Markt gelangt seien, „treten über die Jahre Silikonöle auch aus intakten Implantaten aus und gelangen ins Lymphsystem“, sagte Pommer. Dadurch könnten sich schmerzhafte Lymphknoten bilden, etwa unter den Achseln.
Mittlerweile seien „einige“ Frauen bekannt, bei denen sich derartige Knoten gebildet hätten. Bei 25 deutschen Frauen sei mindestens ein Implantat gerissen. Pommer kritisierte die Ärzte, weil diese Probleme zu spät an das Bundesinstitut für Arzneimittel gemeldet hätten. „Ohne Warnungen der Ärzte können wir nicht aktiv werden“, sagte er. Er riet allen Frauen mit PIP-Implantaten, diese „ohne Panik, aber so schnell wie möglich“ entfernen zu lassen.
+++Weitere gerissene Brustimplantate gemeldet+++
Wer dafür die Kosten tragen soll, ist weiter offen. „Die Kassen müssen zunächst die Entfernung übernehmen, da eine konkrete Gefahr für die Gesundheit besteht“, sagte eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums. Aber Paragraf 52 des Sozialgesetzbuchs sieht vor, dass Patienten eines medizinisch nicht notwendigen Eingriffs wie einer Schönheitsoperation „in angemessener Höhe“ beteiligt werden sollen. Nach einer kasseninternen Abstimmung von 2008 sind dies in der Regel 50 Prozent.
Laut dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), Sven von Saldern, kostet eine prophylaktische und ambulante Entfernung von intakten Brustimplantaten pro Eingriff „unter 1.000 Euro“. Bei Komplikationen durch ein gerissenes Silikonkissen rechnete er bei einem stationären Eingriff mit 1.500 bis 4.000 Euro. Dabei sei ein Ersatz der mangelhaften Implantate aber noch nicht inbegriffen. Dies werde von den Krankenkassen auch nicht getragen.
Die meisten Frauen ließen sich Silikonkissen aus ästhetischen, und nicht aus medizinischen Gründen einsetzen. Ein Brustimplantat koste je nach Form und Hersteller zwischen 380 und 650 Euro. Anders als vielfach dargestellt sei PIP kein Billighersteller gewesen, sondern habe sich „im mittleren Preissegment“ bewegt, sagte Saldern. Mit einem Firmensitz in Europa sei PIP „absolut vertrauenswürdig“ erschienen.