Berlin. Während Kleingärtner auf ihren Parzelle jetzt problemlos in die Saison starten können, überlegen Gemeinschaftsgärtner, ob und wie sie überhaupt arbeiten können. Neue Strategien sind gefragt.
Die Gartensaison startet, auf den Parzellen und in Gartenprojekten laufen erste Vorbereitungen. Gerade jetzt, in Zeiten von Corona und eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten, kann die Arbeit in der Natur einen Ausgleich schaffen.
Doch während Kleingärtner uneingeschränkt auf ihrer Parzelle arbeiten können, stehen gemeinschaftlich organisierte Gartenprojekte durch Verbote von Treffen in Gruppen vor ganz neuen Herausforderungen.
Gemeinschaftliches Gärtnern nicht möglich
"Gemeinschaftsgartenaktivitäten sind derzeit tatsächlich bedroht, denn, wie der Name schon sagt, geht es beim Urban Gardening darum, gemeinsam mit anderen, gerne im öffentlichen Raum, Gemüse und Obst anzubauen, die Stadt mitzugestalten und die Nachbarschaften zu beleben", sagt Christa Müller, Vorstandsvorsitzende der Stiftung "Anstiftung", die bundesweit urbane Gärten und ein Netzwerk dazu fördert. Die Aktivitäten seien durch das Kontaktverbot in Frage gestellt.
Auch im Berliner Prinzessinnengarten, einem Pionierprojekt des Urban Gardening, wird Abstand jetzt groß geschrieben. "Wir haben alle Veranstaltungen abgesagt, pflegen aber die Gärten in Kitas, Betrieben und anderen weiter, die wir auch betreuen", sagt Gründer Robert Shaw. Im Prinzessinnengarten in Neukölln auf einem ehemaligen Friedhofsgelände sei das Mitgärtnern noch möglich. "Aber nur, solange wir noch genügend Abstand zwischen den Menschen sicher stellen können", so Shaw. Damit könne das Projekt auch Menschen helfen, die sich jetzt an der frischen Luft betätigen wollen.
Alles steht still
"Wir hatten eine "Zukunftswerkstatt" geplant, wo wir Ideen sammeln und strukturieren wollten. Da dieses Treffen in einem geschlossenen Raum stattfinden sollte und somit die Abstandsregel nicht einzuhalten war, fiel es aus", berichtet Karsten Schröter-Hessel vom Gemeinschaftsgarten Wilde17 in Berlin-Gesundbrunnen.
Auch auf das gemeinschaftliche Gärtnern verzichte die Gruppe jetzt. "Wir trauen uns nicht mehr zu mehreren in den Garten, obwohl er mit 600 Quadratmetern groß genug ist, Abstand zu halten", berichtet Schröter-Hessel. Der Garten liegt an einer Seitenstraße, nur durch einen Maschendrahtzaun vom Bürgersteig getrennt. "Wir scheuen die etwaige Kritik, ein schlechtes Vorbild zu sein, oder sich der neidvollen Denunziation der "Eingeschlossenen" auszusetzen", so Schröter-Hessel. In Berlin gibt es zahlreiche Gemeinschaftsgärten. Auf der neuen Plattform "Produktives Stadtgrün" finden sich über 200 Adressen.
Digitale Arbeitsaufteilung
In den Netzwerken, mit denen die Anstiftung kooperiere, sei jetzt viel Selbstorganisation zu beobachten, was einen kreativen und zugleich verantwortungsbewussten Umgang mit den behördlichen Vorgaben betreffe, berichtet Christa Müller von der Anstiftung. So sprächen sich die Gemeinschaftsgärtner untereinander per Mail oder Social Media ab, wer wann zu welcher Zeit auf die Fläche gehe, um zu pflanzen oder zu gießen, damit nicht mehr als jeweils zwei Personen mit entsprechendem Abstand voneinander gärtnern können, berichtet Müller.
Die Anstiftung bietet auch ein Forum zum Urbanen Gärtnern im Netz. Hier tauschen sich Aktive derzeit aus. "Statt Workshops am Wochenende zum gemeinsamen Gärtnern organisieren wir die Pflanzenpflege in diesem Frühjahr per Beetpatenschaften", berichtet eine Gärtnerin. "Alles auf Sparflamme, entweder kümmert sich ein Kernteam um alles oder es gibt Terminpläne, wer wann gärtnern darf", berichtet ein anderer Gärtner.
Kleingärtnern weiterhin möglich
Themen, mit denen sich Kleingärtner nicht beschäftigen müssen. "Ein Garten ist im Moment der beste und sicherste Ort, an dem man sich aufhalten kann. Man kann innerhalb des eigenen Hausstandes bleiben und ist trotzdem draußen. Ein größeres Glück gibt es im Moment nicht", sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Gartenfreunde, Stefan Grundei. Nur auf dem Weg zum Garten müsse man die Vorschriften einhalten, um sich keinem Infektionsrisiko auszusetzen.
"Gerade jetzt zeigt sich, wie wichtig die wohnortnahe Lage eines Gartens ist", sagt Grundei. Immer wieder werde diskutiert, Gärten vor die Tore von Großstädten zu verlagern, um Platz für Wohnungen zu schaffen. Generell sei die Nutzung von Gärten auch trotz eingeschränkter Bewegungsfreiheit erlaubt.
In der jetzigen Krisenzeit einen neuen Garten zu finden, dürfte allerdings schwierig werden, berichtet Michael Matthei, Präsident des Landesverbands Berlin der Gartenfreunde. Denn auch bei den Kleingärtnern laufe der Verwaltungsbetrieb auf Sparflamme. "Was abgearbeitet werden muss, wird noch gemacht", so Matthei. In Berlin warten seinen Angaben zufolge rund 14.000 Personen auf einen Kleingarten. Etwa 70.000 Gärten gibt es im Landesverband.