Hamburg. Gewächs stammt aus China und steht immer noch in Weimar. Für unser Klima eignet sich aus gleicher Herkunft auch die Gummi-Ulm.
Johann Conrad Sckell war ein wackerer Mann – und Hofgärtner zu Weimar. Als Johann Wolfgang von Goethe 1815 von einer Reise nach Frankfurt in das thüringische Residenzstädtchen zurückkehrte, trug er Sckell auf, einen Ginkgo zu pflanzen. Goethe konnte das, war neben seiner Profession als Dichter auch noch Minister am Hof des Herzogs. Der Landesherr und sein Gärtner hielten den Wunsch des Dichters offenbar für einen Mode-Tick – war der Baum aus dem geheimnisvollen China doch gerade schwer angesagt in den Gärten der Adeligen und Reichen.
Tatsächlich, das enthüllten später findige Goethe-Biografen, wollte der Dichter mit dem Ginkgo einer Frau wohl eine Art lebendes Denkmal setzen. Auf der Frankfurt-Reise hatte sich der 66-jährige Goethe in die 20 Jahre jüngere Frau eines befreundeten Bankiers verliebt – und ihr auch ein Gedicht über den Gingko geschrieben. Die Liebe, das wissen wir, verging. Den Baum hinter dem sogenannten Fürstenhaus zu Weimar gibt es noch. Nachhaltig nennt man das heute wohl.
Wir Gärtner schätzen den Baum aus dem Reich der Mitte, der botanisch korrekt Ginkgo biloba heißt, schon länger. Ginkgo „Mariken“ zum Beispiel passt als kuglig-kompakte Wuchsform auch in kleinere Gärten. In unserem kleinen Mühlenpark im Wendland gibt es eine andere Zuchtform. Auf einen Stamm von knapp zwei Meter Höhe gepfropft wachsen seine Zweige waagerecht nach allen Seiten und bilden so ein kleines, sommergrünes Schattendach. Wenn ein Leittrieb nachwächst, kürze ich ihn ein, um die besondere Form zu erhalten. Die Japaner, Weltmeister in der kunstvollen Bescheidung von Gehölzen, würden das vielleicht Wolkenschnitt nennen.
Ginkgo wieder groß in Mode
Heute ist der Ginkgo mal wieder groß in Mode. Als sogenanntes Klimawandel-Gehölz. Offenbar bestens geeignet für die Anpflanzung in Städten, die sich im Sommer nicht nur in Dürrejahren wie zuletzt 2018 besonders stark aufheizen. Weil der Ginkgo im Winter auch gleichzeitig Temperaturen bis etwa 20 Grad minus aushält, ist der Baum aus dem Fernen Osten in der westlichen Hemisphäre zum beliebten Baum für Straßen und Alleen geworden. In New York, habe ich gelesen, ist er schon der meistgepflanzte Straßenbaum.
Vielleicht auch bald bei uns? Den Ginkgo haben auch Experten von der bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau auf dem Zettel, die bereits seit 2009 unter dem Motto „Neue Bäume braucht das Land“ Gehölze testen, die dem Klimawandel trotzen können – speziell im öffentlichen Bereich, an Straßen und in Parks. Ausgerechnet das CSU-regierte Bayern reagierte als erstes Bundesland auf den Klimawandel, jedenfalls für den Bereich „Stadtgrün“, wie das im Behördendeutsch heißt.
Seit die EU solche Projekte auch noch fördert, kam richtig Zug in die Forschungsvorhaben, denen sich etwa auch Schleswig-Holstein und Hamburg schon 2015 anschlossen. Bereits vor der Förderung auch Brüssel, wie man ehrlicherweise auch anerkennen muss. Immer mehr Länder und Kommunen testen inzwischen bei uns neue Bäume an ihren Straßen, die Hitze und Trockenheit, Pilze und andere Schädlinge im Gefolge des Klimawandels besser vertragen als heimische Gehölze wie Eichen, Eschen, Ulmen oder Kastanien. Die kriegen entweder die Motten, werden von Pilzen und Viren befallen, oder Raupen wie der gefürchtete Eichenprozessionsspinner fressen die Blätter der von Hitze oder Trockenheit geschwächten Bäume.
Risiken und Nebenwirkungen
In der Gartenbau-Amtsleiter-Konferenz (GALK) tauschen sich die beteiligten Länder und Kommunen über die Ergebnisse ihrer Tests aus. 2020/21 sollen erste Ergebnisse vorliegen. Grundlage für die Versuche sind meist Gehölze, mit denen die bayerischen Forscher aus dem fränkischen Veitshöchheim begonnen haben. Viele Bäume stammen aus Süd-osteuropa und dem Mittelmeerraum wie die Ungarische (Quercus frainetto) oder die Türkische Eiche (Q. cerris). Andere sind im Iran beheimatet wie der Eisenholzbaum (Parrotia persica). Der Honigbaum (Sophora japonica), eine tolle Bienenweide, kommt aus Japan und blüht erst im August.
Den Zürgelbaum (Celtis australis) aus der Familie der Hanfgewächse kennt man aus Spanien und Marokko – und hat nix mit Drogen zu tun, wie meine Frau Anke erst argwöhnte („Ist das nicht verboten?“), als ich eine Anpflanzung in unserem Mühlenpark überlegte. Mein eindeutiger Favorit für den heimischen Garten, etwa als Hausbaum, wäre der Guttaperchabaum. Eucommia ulmoides, auch Gummi-Ulme genannt, ist eine sehr seltene Art, die in der Wildform auch in der Heimat China eine Rarität geworden ist. Dafür häufig in Plantagen – nicht wegen des Gummis, dessen Gewinnung sich wirtschaftlich nicht lohnt. Sondern wegen der Extrakte aus Blatt und Borke, die in der traditionellen chinesischen Medizin eine große Rolle spielen. Aus der Rinde des einzigen Gummi-Baums, der außerhalb der Tropen gedeiht, gewinnt man einen Tee, der nicht nur gut schmecken, sondern auch sehr gesund sein soll. Aber Sie wissen ja: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie lieber Ihren Arzt und Apotheker.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth