Hamburg. Jäten, hacken, graben, den Kompost ausbringen: Der Frühling treibt uns vor die Tür – und dort blühen die ersten Rhododendren.
„Der Garten ist sein Fitnessstudio“, sagt meine Frau Anke, wenn jemand aus ihrer Laufgruppe fragt, warum ich nicht auch am Training teilnehme. Demnächst steht ihr erster Halbmarathon an. 21,1 Kilometer, durch Berlin. Ich werde dabei sein. Als Zuschauer. Zur moralischen Unterstützung. Wenn also Anke fragt, ob nichts im Garten zu tun wäre, hätte ich das als Aufmunterung zur Körperertüchtigung verstehen können.
Dachte ich. Bis ich Rentner wurde und nicht mehr jeden Morgen in die Redaktion musste. Seitdem fragt sie mich häufiger. Ich habe den Verdacht, ich stehe ihr ein wenig im Weg. Weil sie aufräumen will im Haus oder mal allein sein möchte. Und ich habe begriffen, was meine Großmutter früher meinte, wenn sie sagte, sie müsse meinen Opa „einfach mal von ’ne Füße haben“.
Die Arbeit kostet Überwindung
Im März oder April muss mich Anke nicht erst bitten. Der Garten ruft von ganz allein. Jäten, hacken, graben. Es gibt viel zu tun in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland. Die Forsythien blühen, d i e Aufforderung, unsere Rosen zu schneiden. Und der Kompost muss ausgefahren werden. Fünf Kubikmeter, einen ganzen Anhänger voll, hat mir mein Nachbar Peter mit dem Trecker angeliefert. Schubkarre für Schubkarre bringe ich ihn aus. Auf Baumscheiben, unter Hecken, arbeite ihn in Beeten mit der Hacke ein. Die beste und natürlichste Art, den Boden zu verbessern und die Pflanzen mit Nährstoffen zu versorgen – ohne dabei in Gefahr zu geraten, sie zu überdüngen.
Macht nicht nur Spaß. Kostet Überwindung, bei Temperaturen um die fünf Grad und einem kalten Wind aus Nordwest. Weswegen ich den Arbeitsbeginn gern hinauszögere. Vielleicht kommt ja, gegen Mittag, die Sonne raus? Eingemummt in eine dicke Jacke, spüre ich die Kälte nach den ersten zwei, drei Schubkarren nicht mehr. Ist das der „Flow“, wenn der Körper Glückshormone ausstößt, von denen etwa Marathonläufer reden? Der sie, wie beschwingt, einfach weiterlaufen lässt, obwohl sie längst an der Leistungsgrenze sind?
Sehnsucht nach Blüten
Ich spüre keinen Flow, bin aber froh, auch noch die Eibenhecke mit Kompost versorgt zu haben. Da ist es fast schon dunkel. Ich hasse es, Baustellen nicht zu beenden. Aber wer zu spät anfängt, den bestraft das Leben, hat ja Gorbatschow, der ehemalige Sowjetführer, geurteilt. Oder wie meine Frau Anke sagt: „Abends werden alle Faulen fleißig.“
Immerhin hatte sie mich noch gelobt, als sie mir nachmittags eine Kanne Tee rausbrachte – wegen eines Rhododendrons, den ich vor einigen Jahren im Ausverkauf im Gartencenter ergattert hatte. Eine besondere Art von Alpenrose, wie man bei uns die heimischen Verwandten der Rhododendren nennt, von denen die meisten der etwa 1500 Arten aus China und Japan stammen. Der Rhododendron „Praecox“ gehört zu den Vorfrühlingsblühern – jenen Gehölzen, die in der kalten Jahreszeit, wo sonst nix im Garten passiert, die Sehnsucht der Menschen nach Blüten erfüllen.
Ein „Praecox“ ist immergrün
Exoten können das, wie die Zaubernuss (Hamamelis), das Winterblühende Geißblatt (Lonicera purpusii), die Winterkirsche (Prunus subhirtella „Autumnalis“) oder der Winterschneeball (Viburnum bodnantense). Manche blühen, mit Unterbrechungen, von Dezember bis zum April. Die Vorfrühlings-Alpenrose zeigt ihre hell-lilarosa Blüten in einem milden Winter auch schon Ende Februar. Selbst wenn noch Schnee liegt. Ein „Praecox“ ist immergrün, wächst in fast jedem Gartenboden; bei der Anpflanzung habe ich allerdings eine besondere, weil saure Rhododendron-Erde benutzt.
Die gute Winterhärte verdankt das Gehölz seinem einem Elternteil, dem Rhododendron dauricum. Der stammt aus Sibirien. Die immergrünen Blätter hat es vom von seinem zweiten Elternteil, dem Rhododendron ciliatum. Der stammt aus Nepal, verträgt nur leichten Frost von maximal minus zwölf Grad. Um 1850 hatte ein englischer Kaufmann den Rhododendron ciliatum nach Großbritannien gebracht. 1855 vereinte Isaac Davies die Vorzüge beider Rhododendron-Welten – was uns bis heute erfreut.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth