Hamburg. Falls auch Sie Amseln im Garten haben, die laut zeternd Ihre Krokusse angreifen – hier kommt die Erklärung dafür.
„Haben Amseln eigentlich was gegen Krokusse?“, fragte meine Frau Anke. Sie hatte eine kräftige Schwarzdrossel, so heißen die Vögel bei uns auch, dabei beobachtet, wie sie sich laut zeternd auf einen kleinen Tuff mit Krokussen gestürzt hatte. Ausgerechnet auf Crocus chrysanthus „Sunkist“. Die hatte ich gerade erst im Herbst gepflanzt.
Die Amsel muss ein Männchen gewesen sein, wusste ich lediglich. Wegen des knallgelben Schnabels, den haben die etwas kleineren Amselfrauen nicht. Keine Ahnung, warum der Kerl auf die Krokusse losging.
Ein Freund, der sich bestens mit Vögeln auskennt, hatte die Aufklärung. Jetzt beginne gerade die Brutsaison, wo die Amselkerle ihr Revier, das bis zu 2000 Quadratmeter groß sein kann, verteidigen. Auf Konkurrenten gehen sie mit großem Gezeter los. Die erkennen Amselmänner – na klar – am gelben Schnabel. Konkurrenten duldet der Amselmann ganzjährig nicht, wie man winters auch an Futterstellen beobachten kann.
Extra-Testosteron-Schub
Die Farbe Gelb löst bei Herrn Amsel mit Beginn der Brutsaison aber offenbar einen Extra-Testosteron-Schub aus. Da sieht er nur noch rot. Pardon, Gelb – auch wenn die Krokus-Blüte nur die Farbe mit dem Schnabel eines potenziellen Nebenbuhlers gemein hat.
Als ich Anke so die Attacke der Schwarzdrossel auf unsere Krokusse erklärte, sagte sie nur: „Männer“. Ach. Mich hat sie bestimmt nicht damit gemeint. Ich trage den Müll raus und helfe ihr in den Mantel. Und halte ihr die Tür auf. Meistens sogar beim Auto. Ich bin doch kein Kerl, der sich auf andere stürzt.
Meine vorletzte Rangelei liegt mehr als 60 Jahre zurück. Auf dem Schulhof. Damals hieß die Grundschule noch Volksschule. Und vor etwas mehr als 25 Jahren bei einer Kneipentour auf St. Pauli baggerte ein Kerl – damals kannte ich meine Anke noch nicht – dreist meine Freundin an. Ich bat ihn höflich, das sein zu lassen. Als das nichts half, baute ich mich drohend vor ihm auf. Zum Äußersten kam es allerdings nicht. Die Kneipenwirtin ging dazwischen. Die Freundin flüsterte mir später zu: „Du bist mein Held.“ Geheiratet hat sie jemand anderen. Das war auch gut so. Sonst hätte ich, womöglich meine Anke nie kennengelernt.
Prima Weiden für Bienen
Doch zurück zu den Amselkerlen. Haben die Revierkämpfer die Ausbreitung von Krokussen in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland verhindert? Hunderte habe ich verbuddelt – immer in der Hoffnung, dass aus den Tuffs von 20 bis 50 Knollen ganze Wiesen dieser Frühjahrsblüher werden, die ja auch als prima Weiden für Bienen und speziell Hummeln gelten. Ich habe alles streng nach Vorschrift gemacht. Beim Anlegen von Tuffs habe ich die Grasnarbe angehoben, die Knollen im Abstand von für bis zehn Zentimetern gelegt. Die Spitzen immer nach oben.
Dann habe ich die Pflanzstellen gewässert und später nach der Blüte mit einem organischen Flüssigdünger behandelt. Da wuchs dann der Rasen besonders prächtig. Nachbar Peter, der in unserem Mini-Park von knapp 7000 Quadratmetern mit seinem Rasentraktor das Mähen besorgt, musste bis Mitte Juni Slalom um die Pflanzstellen fahren, damit die Krokusse bis dahin genügend Kraft in den Knollen sammeln konnten, um Tochterzwiebeln für die sogenannte generative Vermehrung zu bilden bzw. Power fürs Überleben bis zum nächsten Frühling zu tanken.
Die Tuffs wurden nach drei, vier Jahren immer kleiner, manche verschwanden ganz. Die meisten Krokusse überlebten an Hecken und Gehölzrändern – dafür tauchen immer wieder einzelne Krokusse an den unmöglichsten Stellen in Beeten oder mitten auf dem Rasen auf. Blaue, violette, gelbe und weiße – für mich der Beweis, dass ich wenigstens die richtigen Sorten gekauft hatte. „Zum Verwildern geeignet“, heißt das in den Katalogen der Garten-Industrie. Kräftige Wildarten, deren Samen Ameisen in unsere kleine Welt getragen hatten und die sich dort nach vier, fünf Jahren zu blütenfähigen Pflanzen entwickelt hatten.
Unser Vorzeigestück befindet sich unter den mehreren Obstbäumen auf der vorderen Wiese unseres Grundstücks. Auf gut fünf bis sechs Quadratmetern stehen vorwiegend gelbe (Crocus chrysanthus „Sunkist“), weiße (C. chrysanthus „Cream Beauty“) und violette (C. tommasinianus) Krokusse.
Vor vielleicht sieben Jahren tauchte im Halbschatten zwischen einer Esche und einer Birke ein einzelner Winterling auf. Offenbar ein Überlebender eines Tuffs, den ich vor gut 15 Jahren ganz woanders mal gepflanzt hatte. Jedes Mal im Frühjahr ramme ich einen dicken Pflanzstab neben den mittlerweile 20 gelben Frühlingsboten ein. Bis Mitte Juni muss Nachbar Peter ihn mit dem Rasentraktor umkurven. Wenn ich den Schutz-Stab setze, höre ich die Winterlinge flüstern: „Du bist unser Held.“ Glaube ich jedenfalls.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth