Hamburg. Chinaschilf ist Biotop für bedrohte Insekten, Rohstoff für Textilien und Energiepflanze zugleich – und kann wie Mais geerntet werden.
Mein Freund und Nachbar ist Landwirt. Kein Bio-Bauer, er bewirtschaftet sein Land ganz konventionell. Sein Hof hat nicht nur alle Krisen überlebt, er hat ihn stetig vergrößert. Hatte immer die modernsten Erntemaschinen und den Trecker mit den meisten PS, mittlerweile sogar mit GPS und Klimaanlage in der Führerkabine. Sein Wort hatte Gewicht bei den Berufskollegen. Weil er wirtschaftlich so erfolgreich war. Ich nenne ihn mal Kurt, weil er seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
Als ich in das Dorf im Wendland kam, wo auch unser kleiner Mühlenpark liegt, fragte ich ihn mal, ob er nicht Bio-Bauer werden wolle. „Karl“, sagte er und öffnete ein Feierabend-Bier, „das mache ich dann, wenn mich der erste im Rolls-Royce überholt.“ Als ich später die Idee hatte, an der Straße zwischen Mühle und Dorf eine Art Mini-Allee aus Obstbäumen anzulegen, scheiterte das an seinem Einspruch. Dann käme er mit seinen großen Maschinen nicht immer und überall auf seine Ackerflächen.
Vor drei oder vier Jahren bat ich ihn mal um ein Fläschchen Glyphosat. Weil ich es mal wieder im Rücken hatte, vom Auskratzen des Unkrauts in den Ritzen der gepflasterten Wege in unserem Mini-Park. Da sagte er nur: „Von mir kriegst du das Zeug nicht.“ Damals hatte die Diskussion um das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel noch nicht richtig Fahrt aufgenommen. Er sagte auch: „Wir Bauern können auch nicht ewig so weitermachen.“ Und: „Du hättest besser deine Obstallee pflanzen sollen.“ Ja, dachte ich da, wirklich schade.
Steuergeld für Blühstreifen?
Blühstreifen an Feldrändern, die unter anderen das Volksbegehren in Bayern fordert, das unter dem Slogan „Rettet die Bienen“ in kurzer Zeit dafür eine Million Unterschriften bekam, findet auch Kurt mittlerweile sinnvoll. Im Prinzip. Dann rettet er zwar die Bienen, kann auf den Streifen aber weder Kartoffeln noch Getreide anbauen. Und wer bezahlt den Ausfall? Die Bienenretter in den Städten, der Staat, die EU?
Erst mal klingt das für Landwirte wie Kurt genauso nach Enteignung wie Fahrverbote für Dieselbesitzer in den Städten, deren Fahrzeuge dramatisch an Wert verloren haben. Als Kurt mir mal an einer Pumpenstation für die Feldberegnung einen Platz eingeräumt hatte, um dort Holz eines im Sturm umgestürzten Baumes zu lagern, bekam er bald einen Brief. Subventionskürzung. Er nutze die Fläche nicht landwirtschaftlich! Wir hatten gedacht, so ein Totholzstapel, den Naturschützer gerne fordern, wäre gut für allerlei Käfer und andere Insekten.
Gibt es vielleicht bald Steuergeld für Blühstreifen, wie früher mal für brach liegende Felder mit Bienenweiden? Wurde schnell als Sofaprämie für faule Bauern verspottet – und wieder gestrichen. Wie die Subventionen für Knicks. Das sind Gehölzstreifen mit Haselnuss, Weißdorn, Wildkirschen oder Schlehen. Gut für Bienen und Unterschlupf für deckungsuchende Vögel oder Niederwild wie Fasane und Rebhühner. Davon gab es früher auch mehr.
Miscanthus ist nix für Bienen
In England pflanzen Jäger neuerdings Knicks aus Chinaschilf. Miscanthus sinensis giganteus, den wir Gärtner auch als Zierpflanze kennen, wächst auch auf kargen, sogar verseuchten Böden – und kommt in trockenen Sommern zur Not auch mit wenig Wasser aus. An der Uni Hohenheim in Baden-Württemberg experimentieren Wissenschaftler mit dem großflächigen Anbau der Pflanze, die bis zu drei Meter hoch wird – um daraus Dämmstoffe für Autos, Zucker oder den Rohstoff für Nylonstrümpfe zu machen. Bei Anbau und Aufzucht kommen die Hohenheimer Agrarwissenschaftler ganz ohne chemische Keulen aus.
Miscanthus ist zwar nix für Bienen, weil er bei uns keine Blüten bildet. Dafür siedeln sich andere, gleichfalls bedrohte Insekten an: Käfer, Fliegen oder Spinnen. Nach etwa drei bis vier Jahren kann Chinaschilf mit den gleichen Häckselmaschinen wie für Mais geerntet werden. Etwa 20 Jahre lang. Wächst immer wieder nach und muss auch nicht jährlich neu gepflanzt wer-den wie etwa Mais – und entwickelt in der Biogasanlage mehr Power als dieser.
„Aber wie sieht das denn aus?“, fragte meine Frau Anke, „Chinaschilf auf unseren Äckern?“ Das hätten sich die Bauern auch gefragt, entgegnete ich. Damals, als nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus im Jahr 1492 erst die Kartoffel und dann der Mais nach Europa kamen. Ich hätte da auch eine Sorte Chinaschilf, sagte ich noch. Zebragras (Miscanthus sinensis zebrinus) mit den hübschen Streifen. Wird nicht ganz so groß wie „Giganteus“, ist aber ähnlich pflegeleicht. Wuchert auch nicht wie seine Verwandten, der Bambus. „Dann mal raus“, sagte sie, „es wird Frühling.“
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth