Hamburg. Die Dürre macht vor dem Baum der Deutschen nicht halt. Er wirft seine Früchte ab. Aber was soll man da mit der Gießkanne ausrichten?
Neulich gegen Abend rief eine Kollegin aus Berlin an. Die Hitze in der Stadt, stöhnte sie, kaum noch auszuhalten. Ich hätte es auf dem Land ja besser, säße wahrscheinlich gerade im kühlen Schatten einer alten Eiche auf meiner Lieblingsbank. Mit meinem Lieblingsdrink. Ich seufzte. 35 Grad im Schatten sind 35 Grad im Schatten. Auch im Wendland. Und die Bank unter der fast 100 Jahre alten Eiche in unserem kleinen Mühlenpark? Na ja, „tonk, tonk“ knallten neulich zwei Eicheln auf meinen Kopf.
„Tut das weh?“, fragte meine Frau Anke besorgt. „Nee, eigentlich nicht“, antwortete ich – was Anke schon nicht mehr hörte, weil sie sofort im Flur den leichten Sommerhut von der Ablage holte. Den hatte ich vor einigen Jahren tragen müssen. Anke hatte gehört, Zecken lauerten auf den Bäumen und stürzten sich von dort blutdürstig auf Menschen. Ein Irrglaube, der zu den falschen Mythen unserer Zeit zählt. Den ungeliebten Hut wurde ich nur los, weil ich unter Berufung auf einen Artikel in einer Fachzeitschrift nachweisen konnte, dass Zecken im Gras auf ihre Opfer warten, um dann an ihnen hochkrabbeln. Anke meint es ja nur gut mit mir. Sie kaufte mir Gummistiefel.
Sommer hat seine Unschuld verloren
Nun also auch die Eichen. Für mich als Gärtner sind Hitze und ungewöhnliche Trockenheit keine Katastrophe wie für die Landwirte. Aber seine Unschuld hat der Sommer endgültig verloren. Ich muss gießen und gießen, beregnen und beregnen. Die ersten Dürreschäden? Längst passiert. Eisen- und Fingerhut verdorrt. Weil wir einmal zehn Tage Urlaub gemacht hatten. Maiglöckchen und Waldmeister an der Nordwestseite unseres Grundstücks haben sich erstaunlich gut gehalten. Sie stehen in einer Art Knick im lichten Schatten – und bekommen bei gutem Wind Wasser aus der Feldberegnung.
Drei Königsfarne, erst vor zwei Jahren gepflanzt, haben sich verabschiedet. Der ausbreitungsfreudige Straußenfarn (Matteuccia) ist offenbar unverwüstlich. Ich habe die vertrockneten Wedel bodennah gekürzt, wie sonst im Frühjahr. Einmal kräftig gegossen, treibt er gerade frisch aus. Die Wurmfarne (Dryopteris) brauchen lediglich alle zwei Wochen Wasser, wachsen im Schatten prächtig weiter.
Renommierte Staudenzüchterin
Selbst ausgesprochene Durstkünstler wie Lavendel (Lavandula angustifolia „Hidcote“), die sonst sommers höchstens ein- bis zweimal eine Gießkanne zu sehen bekommen, schwächeln. Das gilt auch für Katzenminze, wilden Oregano und Thymian. Weil mir das Schleppen von Gießkannen zu beschwerlich ist, habe ich mir einen zweiten Schlauch zugelegt. 100 Meter habe ich jetzt, zwei Stunden bin ich unterwegs, um alle 14 Tage die bienenfreundlichen Stauden und Halbgehölze einmal kräftig unter Wasser zu setzen.
Am besten widerstehen noch diverse Sedum-Arten der Dürre. Auf die hat mich Karen Schoebel von der gleichnamigen Duft- und Wandelgärtnerei in Bergen an der Dumme gebracht. Sie ist eine bundesweit renommierte Staudenzüchterin. Auf ihren Rat habe ich bereits zu den vorhandenen Fetthennen „Herbstfreude“ weitere Sorten und Arten gepflanzt. Am besten gefallen mir dunkellaubige Sedum-Hybriden wie „Purple Emperor“ und „Karfunkelstein“. Die beliebte „Herbstfreude“ wird mittlerweile auch von Gartenbauämtern für großflächige Begrünungen in Parks und Anlagen genutzt. Die wissen, warum, haben bekanntlich weder Geld noch genügend Leute für die Pflege.
Aber zurück zur Eiche. Mit dem frühzeitigen Abwurf von Eicheln regiert der Baum der Deutschen auf die ungewöhnliche Dürre. Eichen haben schlicht Durst und kommen nicht einmal über ihre Pfahlwurzel an Wasser, die bei ihnen bis zu zehn Meter tief in die Erde dringt. Sie wirft die Eicheln ab, um Kraft zu sparen. Allerdings warten Schädlinge wie Schwarmspinner, Frostspanner und Eichenwickler nur auf Schwächen des Baums, der den Germanen heilig war. Er war dem mächtigen Kriegs- und Donnergott geweiht, der bei unseren Vorfahren Thor oder Donar genannt wurde. Der Donnerstag ist nach ihm benannt, in Schweden heißt er Torsdag.
Die Eiche war den Germanen zwar heilig, sie schmückten ihn aber nicht mit Gold und Edelsteinen wie einst der Perserkönig Xerxes (519–465 v. Chr.) eine Platane, in deren Schatten er Ruhe gefunden hatte. Zeitgenössische Geschichtsschreiber glaubten, er habe selber einen Schatten. Sie waren natürlich Griechen, deren Land der Perser verwüstet hatte, ehe sie ihn 480 v. Chr. in der Seeschlacht bei Salamis vernichtend schlugen.
Ich ziehe mich jetzt erst einmal mit einem Gin Tonic auf Eis auf meine Bank unter der alten Eiche zurück. Mit Hut.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth