Hamburg. Alle reden von bedrohten Bienen. Dass auch die Jumbos unter den Bestäubern durch Chemikalien gefährdet sind, wird unterschätzt.
Es passierte Anfang März, noch vor dem letzten Kälteeinbruch. „Schau mal“, sagte meine Frau Anke, als wir in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland nach Krokussen und Schneeglöckchen schauten, „ist das eine Hummel auf dem Krokus?“ Es war eine – und ich irgendwie erleichtert. Es gibt sie also noch, die Hummeln.
Dabei sind sie wie Wespen und Hornissen, Fliegen und Schmetterlinge eindeutig zu kurz gekommen in der Diskussion um Verbote für die großen chemischen Keulen in der industrialisierten Landwirtschaft. Es ging fast immer nur um das Bienensterben, wenn die Rede war von Glyphosat und den sogenannten Neonicotinoiden. Ersteres ist ein Herbizid, das Unkraut vernichtet und in einer industrialisierten Landwirtschaft den Insekten den Lebensraum nimmt. Die sogenannten Neonics, das ganze Wort können nur Fachleute unfallfrei aussprechen, sind Nervengifte, die nicht nur Schädlinge wie Kartoffelkäfer und Co. vernichten, sondern auch alle möglichen Insekten umbringen. Aber ohne Bestäubung durch Insekten gibt es weder Samen noch Früchte.
Biene im Koalitionsvertrag der GroKo
„Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, wusste schon Albert Einstein (1879–1955), der geniale Erfinder der Relativitätstheorie. In China werden bereits Obstplantagen von Arbeitern mit Wattestäbchen bestäubt. Was vielleicht dazu beitrug, dass es die Biene sogar in den Koalitionsvertrag der GroKo schaffte: „Sie liegt uns besonders am Herzen.“ Die Biene sei „systemrelevant“, legte Julia Klöckner nach, die neue Landwirtschaftsministerin. Das kannte man vorher nur von Banken, nicht mal vom Diesel.
Schaun mer mal. Immerhin ist die Unionsfrau als Winzertochter sozusagen vom Fach. Sie müsste wissen, dass es längst andere, unbedenkliche Spritzmittel gegen Käfer, Raupen, Läuse und Pilzbefall gibt. Ungefährlich für Bienen, sogar zugelassen für Biobauern. Für Gärtner gibt es die auch schon in Baumärkten. Etwa Produkte auf der Basis von Niemöl, gewonnen aus dem Samen eines indischen Baumes. Ich gebe es gerne ins Gießwasser. Dann stärkt es die Pflanze über die Wurzeln auch von innen heraus.
40 Arten in Deutschland
Trotzdem gibt es in unserem kleinen Mühlenpark kaum noch Bienen und Wespen. Die Hauben aus feinem Draht, die Anke vor fast 20 Jahren anschaffte, um den Kuchenteller beim Kaffee auf dem Freisitz vor Bienen und Wespen zu schützen, sind schon seit ein paar Jahren in der Abstellkammer verschwunden. Hummeln mag sogar Anke. Tauchen die pummeligen Verwandten der Wildbienen am Kaffeetisch auf, bleibt sie gelassen. Hummeln haben auch einen Stachel wie Bienen und Wespen. Sie sind aber ausgesprochen friedfertig und stechen so gut wie nie. Anders als bei ihren Verwandten haben ihre Stacheln keinen Widerhaken. Im Falle eines Falles kann man ihn problemlos herausziehen.
40 der weltweit rund 500 Arten gibt es bei uns in Deutschland. Hummeln breiteten sich vor 25 Millionen Jahren vom Himalaja-Gebirge bis nach Sibirien und Alaska aus. Sie bilden, je nach Art, Kolonien mit bis zu 900 Mitgliedern – kleine Staaten wie bei den Bienen mit Königin, Arbeiterinnen und Drohnen. Nach der Paarung im Sommer beginnen die designierten Königinnen bereits ihren Winterschlaf. Meist graben sie sich nur wenige Zentimeter tief ein. Das Sperma haben sie in einer Art Säckchen in ihrem Körper eingelagert – und zusätzlich einen Honigvorrat als Energiereserve für den Winter. Den Rest verbrauchen sie, wenn sie Ende Februar/Anfang März aus der Erde krabbeln und sich einen Platz für ihren künftigen Staat suchen. Dazu reichen ihnen Temperaturen von knapp über null Grad, bei denen andere Insekten gleich in Kältestarre verfallen würden.
Hummeln haben einen Trick, um auf die Betriebstemperatur von 37 Grad zu kommen, die sie zum Fliegen brauchen. Sie zittern sich quasi warm, indem sie ihre kräftigen Brustmuskeln immer wieder anspannen und dabei ihre gespeicherte Rest-Energie verbrauchen. Die mit den Muskeln verbundenen Flügel sind dabei auf Leerlauf geschaltet. Hat die Hummelkönigin eine passende Erd- oder Baumhöhle gefunden, legt sie ihre Eier und befruchtet sie mit dem im Sommer eingelagertem Sperma – der Beginn eines neuen Hummelstaates.
Die sympathischen Pummelchen sind die Jumbos unter den Wildbienen. Sie können Nektarlasten von bis zu 90 Prozent ihres Körpergewichts transportieren. Und sie sind wichtig. Mehr als 100 Obst- und Gemüsesorten, darunter Gurken, Melonen, Pfirsiche und Tomaten, werden allein von Hummeln angeflogen.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth