Hamburg. Sie blühen prachtvoll von Frühjahr bis in den Sommer. Dem berühmtesten Exemplar der Welt droht allerdings jetzt die Kettensäge.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne? Als Hermann Hesse (1877–1962) im Jahr 1941 sein berühmtes Gedicht „Stufen“ verfasste, dachte er an vieles. Nur nicht an Donald Trump. Wie auch. Der kam erst fünf Jahre später auf die Welt – und über uns alle vor einem Jahr, als er Präsident wurde. Ein zauberhafter Anfang? Eher ein Ende – von allem, was wir bis dahin für möglich hielten.
Nehmen wir mal die wunderbare Magnolie im Garten des Weißen Hauses Washington, der jetzt das Schicksal in Form einer Kettensäge droht. Wie ein Regierungssprecher mitteilte, sei das uralte Gehölz schwer krank, seine Äste hätten schon unter Trumps Vorgänger Obama abgestützt werden müssen. Jetzt drohe der Baum umzufallen, fürchtet Ehefrau Melania, wenn der Hubschrauber des Gatten neben ihm landen muss.
Nicht irgendein Baum
Die Magnolie am Weißen Haus ist nicht irgendein Baum. Weswegen sogar die Deutsche Presse-Agentur (dpa) die Nachricht von dem bevorstehenden Ableben verbreitete. Wenn es um Trump geht, ist alles eine Nachricht: ob er Nordkorea mit der Atombombe droht oder stundenlang TV guckt. Also, der Ausnahme-Baum ist der Überlieferung nach um 1830 gepflanzt worden.
Von Andrew Jackson, einem der vielen Vorgänger Trumps. Jackson hatte die Magnolie zum Andenken an seine Frau gepflanzt. Seine geliebte Rachel hatte sich zu Tode gegrämt, glaubte Demokrat Jackson und seine Gegner von der Partei der Republikaner dafür verantwortlich gemacht. Sie hatten im Wahlkampf Rachel, die vor der Ehe mit Jackson schon einmal verheiratet war, übel diffamiert. Der Wahlkampf war nach Ansicht von Historikern der schmutzigste in der Geschichte der USA. Lange vor Trump, vor Fake News und „Lügenpresse“.
Annähernd 300 Arten
Wahr ist allerdings, dass Michelle Obama schon seit Längerem Setzlinge aus der alten Magnolie ziehen ließ. Trumps Ehefrau Melania will sie an alter Stelle anpflanzen, um die Rachel-Jackson-Magnolie auf diese Weise am Leben zu erhalten. Ich weiß jetzt auch nicht, um welche Magnolie es sich genau handelt, die es im Lauf ihrer Geschichte immerhin auch mal als Abbildung auf einen Dollar-Schein brachte.
Weltweit zählt die Gattung in der Familie der Magnoliengewächse annähernd 300 Arten, die alle aus Ostasien und Amerika stammen – und von denen 132 auf der Roten Liste der bedrohten Pflanzen stehen. Nehmen wir mal an, dass die White-House-Magnolie eine amerikanische Art ist. In den Wäldern Kanadas und im Nordosten der USA gibt es ganze Wälder mit Magnolien-Bäumen – mit den wunderbaren tulpenähnlichen Blüten. In den wärmeren Südstaaten wächst sogar die immergrüne Form Magnolia grandiflora, die Minusgrade auf den Tod nicht leiden kann.
Reigen eröffnet die Stern-Magnolie
1740 kam die erste Magnolie aus den USA nach Frankreich. Entdeckt hat sie der französische Botaniker Plumier, als er im Auftrag von Ludwig XIV. nach neuen Pflanzen forschte. Er widmete die Entdeckung seinem Botaniker-Kollegen Pierre Magnol, woraus der Name „Magnolie“ entstand. Ebenfalls in Frankreich wurden um 1820 erste Kreuzungen mit anderen Magnolien-Arten durchgeführt. Daraus entstand unter anderem die sogenannte Tulpen-Magnolie (Magnolia x soulangeana). Die Sorten dieser Kreuzung gehören heute zum Standard-Sortiment unserer Baumschulen.
Die Rose gilt als Königin unter den Blumen, die Tulpen-Magnolie ist unbestritten die Königin unter den Gehölzen. Je nach Art und Sorte blühen Magnolien vom Frühjahr bis in den Sommer. Den Reigen eröffnet im März die weiß blühende Stern-Magnolie (M. stellata), ab April/Mai blüht die bekannte Purpur-Magnolie (M. liliiflora), erst im Juni in zartem Gelb „Yellow Bird“. Das ist eine neue US-Züchtung (M. brooklynensis), die ich auf ausdrücklichen Wunsch meiner Frau Anke in unserem kleinen Mühlenpark im Wendland gepflanzt habe.
Sie wollte ein Gehölz, das „blüht, wenn die anderen Tulpen-Magnolien längst verblüht sind“. Magnolien wachsen am besten an einem sonnigen Platz, vertragen aber auch Halbschatten. Es gibt sie als Strauch oder Baum. Amerikanische Arten können bis zu 20 Meter groß werden – und uralt. Mit 180 Jahren hat eine der ältesten Magnolien in Deutschland etwa genauso viele Jahre auf dem Buckel wie der von Trumps Kettensäge bedrohte Baum im Garten des Weißen Hauses – und ist kerngesund. Sie steht, kaum 20 Kilometer entfernt von unserer kleinen Mühle im Wendland, in Bergen an der Dumme (Kreis Uelzen). Ein Prachtstück mit einer Kronenbreite von etwa 15 Metern, auf dem Gelände der preisgekrönten Duft- und Wandelgärtnerei Schoebel. Doch das ist eine ganz andere Geschichte.
Bis zum nächsten Wochenende, herzlichst Ihr Karl Günther Barth