Wenn Jugendliche an einer Depression erkranken, brauchen sie Unterstützung. Tipps, was Eltern tun können
Ob ein Kind oder ein Jugendlicher eine Depression hat, ist manchmal schwer zu erkennen. Doch es gibt einige Anzeichen. Auf was Eltern achten sollten und wie sie ihren Kindern helfen können, erklärt Diplom-Psychologin Monika Stein von der Katholischen TelefonSeelsorge Hamburg.
1. Was unterscheidet Traurigkeit von Depression?
Traurigkeit bezieht sich meist auf einen direkten Anlass. Ich bin traurig, weil mein Freund mich verlassen hat. Aber ich kann den Zustand zwischenzeitlich durchbrechen, mich ablenken, etwa mit einem lustigen Film. Eine Depression ist eine Traurigkeit, die sich über einen langen Zeitraum von mehreren Wochen hinzieht und gleichbleibend ohne Schwankungen anhält. In diesem gedämpften Zustand ist grundsätzlich alles traurig und alles aussichtslos. Die Depression ist eine Krankheit, aus der der Betroffene aufgrund seiner Hoffnungslosigkeit meist nicht alleine herauskommt.
2. Was sind die Gründe für eine Depression?
Ausgelöst werden kann sie durch Ereignisse im Lebensumfeld von Kindern und Jugendlichen. Dazu gehören unstabile Situationen, etwa nach einer Scheidung, nach Arbeitslosigkeit oder dem Tod von Familienangehörigen, so wie auch durch Bindungsstörungen, etwa aufgrund der chronischen Krankheit oder Sucht eines Elternteils. Betreffen solche Ereignisse ein Kind mit einem stark verantwortlich ausgeprägten Charakter, kann es das Gefühl entwickeln, nicht helfen zu können und versagt zu haben. Auch Mobbing in der Schule kann ein Auslöser sein, wenn es das Selbstbild des Betroffenen extrem ins Wanken bringt.
3. Wie zeigt sich die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen?
Die Symptome für eine Depression sind so vielfältig wie ihre Ursachen. Wenn sich das Verhalten von Jugendlichen ohne konkreten Anlass extrem verändert, kann eine Depression dahinterstecken.
Auffallend ist der komplette Rückzug von allen sozialen Kontakten. Der oder die Jugendliche geht nicht mehr zum Lieblingssport, möchte nichts mehr unternehmen, alles ist egal, traurig und hoffnungslos. Es plagen die Jugendlichen auf einmal Ängste, wie die Angst vor einem Krieg. Sie können schlecht einschlafen, verhalten sich apathisch oder liegen lange und häufig im Bett, was oft als Faulheit fehlinterpretiert wird.
4. Welche Probleme kommen in der Pubertät dazu?
Wegen der körperlichen und hormonellen Veränderungen geraten Jugendliche an sich schon in eine große emotionale Verwirrung. Nicht nur der Körper, auch das Gefühl zu ihm verändert sich. Ich kann dann nicht mehr auf Zehenspitzen tanzen, weil ich nun ein paar Kilo mehr wiege, oder es sprießen die Aknepickel. Nach außen hin muss ich aber cool sein. Diese Diskrepanz gerade in der Phase des Vergleichs mit anderen auszuhalten und ein gut zu tragendes Selbstbild zu entwickeln ist eine Herausforderung.
5. Was können Eltern beim Verdacht einer Erkrankung tun?
Sie sollten ihrem Kind viel Aufmerksamkeit widmen, es in verschiedenen Situationen beobachten und mit einem Arzt sprechen. Gegebenenfalls auch Notizen machen, um dem Arzt detailliert Auskunft zu geben, denn die Betroffenen können sich im Moment der Depression nicht über ihren Zustand äußern.
Wenn sich die Diagnose bestätigt, sollten Eltern sich etwa an Selbsthilfegruppen wenden. Hier können sie über Sorgen und Befürchtungen sprechen. Ganz wichtig ist es, dem Kind oder Jugendlichen zu vermitteln, „du bist nicht schuld, ich bin für dich da“.
6. Ab wann wird ein depressiver Zustand gefährlich?
Bei extremen körperlichen Veränderungen, etwa wenn Jugendliche zwischen zwölf und 21 Jahren stark abnehmen. Denn dahinter können auch Co-Erkrankungen wie eine Essstörung stecken, die behandelt werden muss. Auch wenn Suizidgedanken geäußert werden, ist das immer ein Alarmzeichen. Darauf sollten Eltern nicht anklagend oder abwertend reagieren.
Kinder und Jugendliche denken meist extrem logisch. Sie glauben etwa, wenn sie nicht mehr da seien, hätten ihre Eltern weniger Kummer. Oder sie können sich nicht vorstellen, dass sich ihr trauriger Zustand jemals ändert, und denken, dass Suizid eine Lösung ist. Eltern sollten Suizidgedanken immer ernst nehmen.
7. Kann man eine Depression erfolgreich behandeln?
Sie kann meist erfolgreich behandelt werden. Hilfreich ist eine Psychotherapie eventuell auch mit medikamentöser Begleitung. Kinder und Jugendliche sollten Psychopharmaka jedoch nur für ein gewisses Zeitfenster einnehmen, da sie sich noch in der Entwicklungsphase befinden.
Weil eine Depression wiederkehren kann, sollten in der Therapie und in der Lebensführung auch Mittel der Prävention erprobt werden. Unterstützend wirken ein gutes soziales Netzwerk und ein stabiles Umfeld. Heilsam kann es auch sein, sich in einem Ehrenamt zu engagieren. Denn es fördert das positive Selbstwert-Gefühl von Jugendlichen.
Kontakt: TelefonSeelsorge, gebührenfrei anrufen, täglich rund um die Uhr, Tel. 0800 111 01 11 oder 0800 111 02 22