Saskia Schippmann will zurück auf die große Bühne Bundesliga. Ex-Bundesliga-Torhüter Frank Rost steht ihr zur Seite
Elmshorn. Genau genommen ist die Hose schuld. "Ich wollte nicht ins Tor", sagt Saskia Schippmann über ihr erstes Training bei den HSV-Frauen. Dabei war die eigentliche Torhüterin nicht, wie sonst in solchen Geschichten, verletzt. Es gab keine. Stattdessen gab es eine kleine "1". Die Ziffer prangte auf Saskias Trainingshose. Die damalige Jugendtrainerin Sabine Gerken sah darin ein gutes Omen. "Super, dann bist du also unsere neue Torhüterin", sagte Gerken zu dem 14 Jahre alten Mädchen - und machte es damit nicht gerade glücklich. Schließlich hatte sie die Hose zufällig angezogen.
Es hätte nicht viel gefehlt, und die heute 19-jährige Elmshornerin hätte die Geschichte niemandem mehr erzählt. Von ihrem HSV hatte sie spätestens in diesem Sommer die Nase gestrichen voll. Ihre sportliche Welt war in Ordnung, als sie in Heidgraben mit fünf Jahren in Jungenmannschaften zu kicken begann. War mehr als in Ordnung, als ihr Opa sie 2007 beim großen HSV vorstellte. War, nach kurzer Schmollphase ob ihrer Position, geprägt von Spaß, Einsatz und Leidenschaft zwischen den Pfosten der B-Jugend-Mädchen des HSV. Der vorläufigen Krönung folgte jedoch die Ernüchterung.
Mit nur sechzehneinhalb Jahren wurde sie vom damaligen Trainer Achim Feifel im Winter 2009 in den Bundesligakader berufen. Sie war nun Mitglied in einem erlesenen Kreis. Sie gehörte zu den besten Spielerinnen Deutschlands. Auf dem Papier. "In zweieinhalb Jahren wurde ich zweimal eingesetzt", blickt Saskia zurück. Einmal bei Tennis Borussia Berlin am 9. Mai 2010. Die Berlinerinnen holen mit 3:1 den zweiten Saisonsieg und steigen ab. Und gegen Bad Neuenahr am 20. Mai diesen Jahres. Saskia wird eingewechselt (53.). Sie fängt zwei Tore, der HSV verliert zu Hause 0:4. Traurig verfolgen 450 Fans das Spiel. Das liegt weniger am Ergebnis.
Gerüchte, dass der Gesamtvorstand die HSV-Frauen finanziell nicht mehr unterstützen will, machen die Runde. Am 13. Juni ist der Super-GAU für den Hamburger Frauenfußball perfekt. Die HSV-Frauen werden aus der Bundesliga zurückgezogen. Am Ende fehlten 100 000 Euro im Etat. Der Etat der Männer, nur zum Vergleich, liegt bei circa 36 Millionen Euro. Saskia beschließt, mit dem Fußball Schluss zu machen. "Ich hatte keine Lust mehr. In jedem Training gab ich alles, spielte so gut wie nie und dann zeigte uns der Verein, dass wir ihm nicht wichtig sind", sagt sie. Doch die Frau, die sie zur Torhüterin machte, hat etwas dagegen. Sabine Gerken, im Amateurfußballvorstand des HSV aktiv, will ihre Keeperin überzeugen, beim Neuaufbau in der drittklassigen Regionalliga zu helfen. Saskia sagt heute, die Gespräche habe sie erst gar nicht führen wollen. Da springt ihr Opa Wilfried Ruffert ein, zu dem sie von Kindesbeinen an ein besonders herzliches Verhältnis hat.
"Ich wollte, dass sie dem HSV und Frau Gerken eine Chance gibt", sagt Ruffert. Diese Chance heißt Ende August plötzlich Frank Rost. "Sabine Gerken fragte mich, ob ich eine Patenschaft für Saskia übernehme. Ich sagte gerne zu", sagt der erfahrene Keeper (426 Bundesligaspiele).
Anfang September gelingt der große Coup. Rost steigt als Trainer bei den Frauen ein. "Mein Opa war so stolz, als er Frank Rost die Hand schüttelte, dass er sie nie wieder waschen wollte" sagt Saskia. "Das stimmt", bestätigt Ruffert. "Ich bin stolz auf sie. Sie ist eine tolle Torhüterin und ein unglaublich freundlicher Mensch."
In der neu zusammengewürfelten Truppe kommt Saskia gut an. Rost lobt ihre Leistungen. "Sie spielt Fußball mit Spaß und Begeisterung und ist ein Vorbild für die Mannschaft."
Ein etwas zu ruhiges Vorbild. "Ich soll lauter werden", erklärt Saskia. "Ich versuche es, aber ein Oliver Kahn werde ich wohl nie." Der einstige Welttorhüter wurde unter anderem mit dem Satz "Wir brauchen Eier" berühmt. Grenzwertige Sprüche brauchen Saskia und ihre Kolleginnen nicht zu fürchten.
"Das allgemeine Bild vom Frauenfußball ist immer noch chauvinistisch. Diese Vorurteile sind falsch", sagt Rost. "Die Mädchen sind alle sehr sportlich." Beim Neuanfang mit sieben Punkten aus vier Spielen auch erfolgreich. Allerdings ist der Kader dünn. Neue Spielerinnen werden dringend gesucht. Die solide Arbeit, von der Rost spricht, soll zurück in die Bundesliga führen. Die HSV-Frauen wollen es alleine schaffen, mit eigenen Sponsoren, ohne Hilfe des Gesamtvorstandes. "Wir wollen dem HSV beweisen, was wir Frauen drauf haben", sagt Saskia. Dann geht sie entschlossen auf den Trainingsplatz.