Eine Million Staukilometer in Deutschland im Jahr 2014. Mit Live-Traffic-Diensten ist die Verkehrslage gut einschätzen.
Unfälle, Baustellen oder einfach zu dichter Verkehr: Auf fast eine Million beziffert der ADAC die Staukilometer im Jahr 2014. Das ist ein neuer Rekord und entspricht rund 285.000 Stunden oder auch 32 Jahren Stillstand. Verkehrslagedienste, die in Echtzeit darüber informieren, wo es sich staut, wo es zäh und wo problemlos fließt, versprechen Erleichterung und Zeitersparnis.
„Die modernen Systeme sind internetbasiert und legen als Overlay die Verkehrssituation auf die jeweilige Navigationskarte“, erklärt Johannes Weicksel vom IT-Verband Bitkom. Anders als bei schon länger bestehenden Systemen wie TMC (Traffic Message Channel), wo die Informationen von der Polizei, Kontaktschleifen in der Fahrbahn oder Staumeldern stammen, werden die Daten nicht per UKW-Radio verteilt. „Die Idee ist, verschiedene Quellen zu nutzen und diese um die Rückmeldung von Endgeräten der Nutzer zu ergänzen“, sagt Weicksel.
In die Autos oder auf die mobilen Endgeräte kommen die Daten fast immer über das Mobilfunknetz. Wobei „live“ streng genommen eine Übertreibung ist, sagt Andreas Erwig, Traffic-Experte bei Tomtom. „Eine Eins-zu-eins-Abbildung des Verkehrs kann es nicht geben, die Latenzzeit bei uns beträgt etwa zwei Minuten.“
Was der Nutzer dann auf seiner Navikarte sieht, also ob die Straße etwa wegen eines Staus rot hinterlegt ist oder grün bei freier Fahrt, ermittelt ein Algorithmus. Bei Tomtom basiert die Berechnung auf der „nächtlichen Freiflussgeschwindigkeit“, erklärt Erwig. Das sei das Tempo, mit dem der Verkehr nachts unter normalen Umständen an einer bestimmten Stelle fließt. Liegt die anhand von Nutzerdaten ermittelte Geschwindigkeit 30 Prozent darunter, könne man von einem Stau ausgehen. Basierend auf dem errechneten Zeitverlust schlägt das Navi oder die App eine Ausweichroute vor.
„Man muss, wenn man sich für Live-Traffic-Dienste interessiert, berücksichtigen, dass es ohne Datenverbindung nicht funktioniert“, gibt Hans-Christian Dirscherl von der Zeitschrift „PC Welt“ zu bedenken. Insofern gilt auch für fest eingebaute Navis, dass sie eine Sim-Karte mit Datenvertrag benötigen. „Es gibt da verschiedene Ansätze, bei denen entweder die Sim-Karte im Auto verbaut ist, oder die Daten werden über das eigene Smartphone bezogen“, sagt Dirscherl.
Die Angaben sind auch in Ballungsgebieten ziemlich genau
Praktischer sind laut Dirscherl Inklusivlösungen der Autohersteller, aber man muss sie extra bezahlen. „In den ersten Jahren ist das oft kostenlos, aber früher oder später muss man ein Abo abschließen.“ Wer die Live-Daten über das eigene Smartphone bezieht, sollte den Datenverbrauch im Auge behalten, sonst wird es teuer.
Laut Andreas Erwig von Tomtom arbeiten viele Autohersteller mit Mobilfunkanbietern zusammen. „Die verbauen dann meist Sim-Karten, bei denen europäisches Roaming inklusive ist“, sagt er. Je nach Vertrag und Hersteller sind die Kosten für zwei bis drei, in manchen Fällen aber auch für fünf bis sieben Jahre inklusive. Gerade bei den Premiumherstellern ist das ganze Konnektivitätspaket aber kein billiges Vergnügen, wie Dirscherl weiß. „In Verbindung mit den Navigationssystemen wird man da bei Mercedes, BMW, Audi – und übrigens auch bei VW – leicht an die 3000 Euro oder mehr los.“
Portable Geräte sind günstiger, funktionieren aber ähnlich. Auch hier gibt es Geräte mit fest verbauten Sim-Karten oder solche, die die Anbindung über das Smartphone nutzen. In hochpreisigen Geräten ist der Live-Traffic-Dienst lebenslang verfügbar. Günstiger kommt man per Google Maps an Echtzeitdaten zur Verkehrslage. „Wer ein Smartphone mit Android-Betriebssystem hat, hat Google Maps Navigation schon vorinstalliert“, sagt Dirscherl.
Die Verkehrslagedaten, die der Internetriese von Android-Smartphones mit aktivierter GPS-Funktion und eingeschaltetem Lokalisierungsdienst einsammelt, seien zumindest in Ballungsgebieten oder für Autobahnen ziemlich genau, so Dirscherl. Vorteil: Der Dienst ist kostenlos. Allerdings steht das Kartenmaterial nicht offline zur Verfügung. Es müssen also beim Navigieren große Datenmengen übertragen werden. Und man übermittelt seine Positionsdaten an Google, die immerhin anonymisiert sein sollen. Ähnlich gut wie Google Maps funktioniert laut Dirscherl übrigens der kostenlose und weniger bekannte Dienst Here.