Bei Newport Convertibles in Huntington Beach entstehen Cabrios, die es ab Werk nicht gibt. Manche Modelle des kalifornischen Karosseriebauers sind Hingucker, andere allerdings eher Gags.
Nicht lang nachdenken! Einfach machen. Wenn sich Al Zadeh vor Augen führt, wie lange Land Rover über das Evoque Cabrio grübelt, kann er nur den Kopf schütteln. Drei Jahre ist es jetzt her, dass die Briten den offenen Geländewagen als Studie auf den Genfer Salon gestellt haben – und dass dieses Sonnen-SUV im Sommer in Serie geht, ist immer noch nicht mehr als ein Gerücht. „So etwas hätte es bei mir nicht gegeben“, sagt Zadeh ein wenig echauffiert, und man muss ihm die vorlauten Töne nachsehen. Denn der Mann ist der Chef des kalifornischen Karosseriebauers Newport Convertibles in Huntington Beach. Und damit ein Aufschneider im wahrsten Sinne des Wortes.
Schließlich gibt es kaum ein Auto, das seine Firma in den vergangenen Jahren nicht zum Cabrio umgebaut hätte: „You dream it, we build it“, fasst er das Firmenmotto zusammen: Dass guter Geschmack mal auf der Strecke bleibt und Fahrzeuge wie ein offener Porsche Panamera oder ein Jaguar XJ mit Softtop entstehen, ficht ihn nicht an: „Wir wollen den Träumen unserer Kunden nicht im Wege stehen,“ rechtfertigt er die kruden Kreationen.
Anfangs waren es vor allem Coupés und Sportwagen wie zum Beispiel der Porsche 928 oder der Subaru WRX-STI, bei denen er für etwas Frischluft gesorgt hat. Doch mittlerweile legt er vor allem Hand an Geländewagen, und die Autos aus England stehen bei den Kunden ganz oben auf der Liste. Allerdings begnügt sich in Kalifornien niemand mit dem viel zu kleinen Evoque. Wenn Zadeh Besucher durch die Werkstatt in einem Industriegebiet zehn Meilen vom Pacific Coast Highway entfernt führt, fällt der Blick zuallererst auf eine Reihe von Range Rovern, die im Funkenregen der Flex ihre Form verlieren.
„Das ist einer unserer absoluten Bestseller“, sagt Zadeh und erzählt von mehreren Modellvarianten, die er im Programm hat. Seine 140 Mitarbeiter verwandeln den Allradler aus England nicht nur zum viertürigen Cabrio, auf Wunsch stutzen sie den Offroader auch zum offenen Zweitürer. Und weil nicht überall so oft die Sonne scheint wie in Kalifornien, bieten sie das Coupé auch mit Blechdach an. „Allein damit haben wir extrem gut zu tun“, sagt Zadeh erfreut – die Umbauten von Porsche Cayenne, BMW X6, Toyota FJ Cruiser oder Cadillac Escalade nicht mitgezählt.
Während seine Jungs fast im Akkord an den SUVs schneidern, strickt Zadeh bereits am nächsten Trend: „Coachbuilding für Öko-Autos, das wird der neueste Schrei“, ist er überzeugt: „Denn irgendwie passt ein Elektromotor viel besser zum Frischluft-Fahren als ein lauter, stinkender V8.“ Also hat Zadeh bereits ein Dutzend Toyota Prius enthauptet und sich dem Modell S von Tesla gewidmet: Erst im Kopf und dann am Computer ist so ein Baukasten entstanden, mit dem er aus einem Auto gleich fünf Varianten machen kann: „Wir haben ein Softtop und ein Hardtop für den Viertürer, machen die Limousine zum Coupé und bieten auch das mit beiden Verdeck-Technologien an“, prahlt der Firmenchef und erzählt stolz von einem asiatischen Investor, der angeblich gleich Hunderte Fahrzeuge bei ihm bauen lässt.
Dass Zadeh zum „Dosenöffner“ der Autobranche wurde, verdankt er einem Auto aus England, das allerdings vier Nummern kleiner war als die Range Rover in seiner Werkstatt und schon ab Werk ohne Dach geliefert wurde: Einem MG B. „Das Verdeck undicht, das Gestänge verzogen, die Karosserie klapprig – das Auto war so lausig verarbeitet, dass ich permanent an ihm herumschrauben musste,“ erinnert sich der Karosserie-Künstler.
Je besser er darin wurde, desto öfter hatte die Autos von Freunden und Bekannten in der Garage und desto weniger Zeit blieb ihm für die Uni. So kam eines zum anderen, Zadeh hat seinen Traum von der Karriere als Chirurg aufgegeben, das Medizin-Studium geschmissen und das Skalpell mit dem Trennschleifer getauscht.
Allerdings lässt er sich nicht gerne darauf reduzieren, bedenkenlos die Flex anzusetzen. Zadeh sieht sich als Designer, Entwickler, Ingenieur, der einem ganzheitlichen Ansatz folgt und die Fahrzeuge neu konstruiert. „Denn es ist ja nicht damit getan, das Dach abzunehmen und ein Zelt darüber zu spannen“, sagt Zadeh: „Natürlich wird auch die Karosserie versteift und das Fahrwerk modifiziert.“
Angeblich haben das mittlerweile auch die Autohersteller zur Kenntnis genommen: Hat seine Arbeit anfangs gelegentlich zu Irritationen in den Firmenzentralen geführt, beschreibt Zadeh das Verhältnis zu den Branchenriesen heute als ausgesprochen entspannt und bisweilen sogar einträglich.
Denn nach bald 30 Jahren habe er so viel Reputation, dass manche Autobauer bei ihm sogar um Rat fragen und sich bei Design oder Entwicklung helfen lassen, prahlt der Firmenchef. „Oft verkaufen wir unseren Entwurf, und der Hersteller entwickelt daraus das Serienmodell“, sagt Zadeh. Angeblich war das auch bei seinem größten Coup der Fall: dem offenen Beetle. Der neue Käfer war kaum auf dem Markt, da hat New Port Convertible ihn auch schon haarscharf abrasiert und es damit bis in die Abendnachrichten der großen TV-Stationen gebracht. In Serie gebaut haben die Amerikaner das Auto dann allerdings nicht, sondern die Idee – so hat es Zadeh zumindest damals den Journalisten erzählt – stattdessen nach Wolfsburg verkauft.
Ob die Geschichte nun wahr oder nur gut erfunden ist, sie zeugt jedenfalls vom Gespür des Kaliforniers. „Wenn ich über eine Motorshow laufe, habe ich immer gleich die Schere im Kopf“, erzählt der Chef. So, wie sich andere Männer bisweilen wildfremde Frauen oben ohne vorstellen, so machen bei ihm die Autos im Geiste einen Striptease. Und wenn er glaubt, dass seine Idee auch anderen gefällt, dann grübelt er nicht groß und rechnet so lange, bis das Projekt am Ende totkalkuliert ist, wie es die Großserienhersteller bisweilen tun. Er greift zur Flex und macht einfach.