Die Automesse Detroit zeigt PS-Protze aller Klassen – günstiger Treibstoff und hohe Nachfrage versetzen Autohersteller in Hochstimmung.
Detroit. Leistung, Luxus und schwere Wagen – zur Automesse in Detroit spielt Motown die gleiche Musik wie immer. Weil Benzin und Geld billig sind wie nie und die Nachfrage größer ist denn je, jubeln Hersteller und Importeure über Rekordabsätze im vergangenen und freuen sich auf rosige Tage im neuen Jahr. Und wenn die Gallone Sprit auf der Woodward Avenue nicht einmal mehr zwei Dollar kostet, gibt es für den Durchschnittsamerikaner nun wirklich keinen Grund, ein kleines oder sparsames Auto zu kaufen.
Ja, Chevrolet hat auf der Motorshow den neuen Volt, einen Elektrowagen, enthüllt, der mehr Reichweite bietet und kleinere Akkus hat. Und obendrein hat die Nummer Eins auf dem US-Markt noch ein reines Elektroauto angekündigt, das mit 200 Meilen Aktionsradius für weniger als 30.000 Dollar dem kommenden Dreier von Tesla Paroli bieten soll. Doch bleibt dem Elektroauto nicht viel mehr als eine Nebenrolle im Messezirkus. Der setzt auf Pick-ups, Geländewagen, Sportler und große Limousinen mit starken Motoren. Darunter ist auch der neue Ford GT, der pünktlich zum 50. Jahrestag des legendären Dreifach-Sieges in LeMans im kommenden Jahr in einer Kleinserie zurück kehren soll – als karbongebackener Ferrari-Gegner mit mehr als 600 PS und einem mutigen Design.
Total daneben? Keineswegs. Ein bisschen Spaß darf schließlich sein nach einem Jahr wie dem zurückliegendem: Immerhin hat der US-Markt noch einmal um 1,0 auf 16,9 Millionen Autos zugelegt und damit fast das Allzeithoch von 16,94 Millionen aus dem Jahr 2006 geknackt. Und in Detroit gibt es niemanden, der für 2015 nicht 15 Millionen oder mehr Verkäufe erwartet. Kein Wunder, dass die Manager auf der Messe um die Wette strahlen – und die Deutschen dabei das breiteste Grinsen auf den Lippen tragen. Zwar ist es auch daheim bei Mercedes & Co besser gelaufen als erwartet, aber so gut wie in Amerika läuft es nirgends sonst auf der Welt: Die deutschen Premiummarken und ihre noblen Auslandstöchter halten mittlerweile die Hälfte des riesigen Premium-Marktes, Mercedes hat 2014 das beste US-Jahr in der Geschichte hingelegt und bei BMW, Audi und Porsche stehen Wachstumsraten von bis zu 15 Prozent in den Bilanzen. Entsprechend breit machen sie die Brust, und entsprechend dick tragen sie in Detroit auf.
Neuer Q7 hat 300 Kilo abgespeckt
Am buchstäblich dicksten tut das Audi. Denn die Bayern zeigen auf der Messe zum ersten Mal den neuen Q7. Der hat zwar mehr als 300 Kilogramm abgespeckt, sieht schlanker aus und wird nicht nur sehr viel edler und intelligenter, sondern mit einem Verbrauchsfortschritt von 28 Prozent auch deutlich sparsamer. Aber er ist noch ein verdammt dicker Brocken und macht deshalb auch zwischen den Trucks und Pick-ups noch eine gute Figur. Nicht ganz so gewaltig, aber kaum weniger präsent ist das Mercedes GLE Coupé.
Für die leistungshungrigen Amerikaner als GLE 63 AMG mit bis zu 585 PS auf die Bühne gerollt, soll das Schwaben-SUV mit Fließheck dem BMW X6 Paroli bieten und braucht deshalb einen entsprechend protzigen Auftritt. Den probt in Detroit übrigens auch der Porsche Cayenne, wenn er als Turbo S mit 570 PS auf die Bühne fährt. Daneben kommen aus Stuttgart noch eine AMG-Light-Version und ein Plug-in-Hybrid für die C-Klasse. Langweilig wird es den Luxuskunden der deutschen Hersteller in diesem Frühjahr bestimmt nicht.
Während es für die Nobelmarken nur darum geht, ihre ohnehin guten US-Zahlen noch zu verbessern, steht VW mächtig unter Druck. Als einzige Deutsche haben die Niedersachsen sogar ein Minus gemacht und sind weiter denn je von den 800.000 Zulassungen entfernt, die bis 2018 erreicht werden und den Konzern gar an die Weltspitze führen sollen. Ausgerechnet jetzt hat VW keine Neuheit am Start.
Zwar hat der Gigant als Turbo für den US-Markt einen eigenen Geländewagen im Format des Touareg zum Preis des Tiguan beschlossen. Doch weil der erst Ende 2016 aus der Fabrik in Chattanooga rollt, muss jetzt die Studie Cross Coupé GTE die Neugier schüren und die Wartezeit überbrücken. Keine schlechte Idee, wenn der blaue Brocken nicht schon der dritte Aufguss wäre.
Doch der Rundgang über die Automesse in Detroit dürfte den Niedersachsen ein wenig Trost spenden. Denn zumindest die Konkurrenten aus Korea und Japan sind ähnlich blank wie sie selbst: Zwar werden die Zahlen bei Toyota und Nissan durch die Decke gehen, weil beide Marken ihre Bestseller Tacoma und Titan überarbeiten. Aber weil das Pick-ups sind und VW in diesem Segment nicht antritt, sollte das den Wolfsburgern egal sein. Und wenn Hyundai einen Sonata Hybrid zeigt, Kia ein zweites mal den neuen Sorento enthüllt oder Mazda noch einmal den CX-3 ins Rampenlicht rückt, dann werden ihnen diese Neuheiten kaum Kopfzerbrechen bereiten.
Hondas NSX überrascht mit V6-Mittelmotor-Hybrid
Zumal in der Cobo-Hall in diesem Jahr ohnehin alle Aufmerksamkeit auf einen einzigen Asiaten gerichtet ist. Denn nach nicht mehr zählbaren Studien und winzigen Entwicklungsschritten zieht Honda endlich das Tuch vom neuen NSX, dessen Vorgänger einst mal als erster Ferrari-Killer aus Fernost gefeiert worden war. Zwar huldigt der Tiefflieger mit seinem messerscharfen Design und einem röhrenden V6-Mittelmotor den alten Idealen, aber so ganz aus der Zeit gefallen ist er trotzdem nicht: Immerhin kommt er jetzt aktuell als Hybridmodell mit elektrischer Unterstützung.
Leistung und Luxus im Überfluss und grüne Technik allenfalls zur Image-Pflege – die Musik aus Motown klingt zwar hitverdächtig, aber vielleicht nicht sonderlich zukunftsträchtig. Doch haben die Europäer keinen Grund, überheblich mit dem Zeigefinger zu winken. Denn erstens ist es nicht zuletzt der Druck aus dem Westen, der die deutschen Marken zu einer breit gefächerten Plug-in-Offensive zwingt und der Messe Steckdosen-Neuheiten wie den Audi Q7 mit einem Normverbrauch von 1,7 Litern oder eine C-Klasse als Teilzeitstromer mit einem Normwert von 2,1 Litern beschert. Zweitens ticken die Uhren diesseits des Atlantiks kaum anders. Auch bei uns ist Benzin billig, die SUV-Welle rollt unaufhaltsam weiter und das ohnehin schon dürftige Interesse an Fahrzeugen mit Alternativen Antrieb erlischt fast völlig.
Pünktlich zur Motorshow jedenfalls hat der Zulieferer Continental eine Studie veröffentlicht, nach der ein wachsender Anteil der Deutschen nicht im Traum an den Kauf eines Elektrofahrzeugs denkt. Gut möglich also, dass Business as usual vielleicht keine so schlechte Geschäftsidee ist und wir auch in den nächsten Jahren in Detroit keine Überraschungen erleben werden.