BMW und Audi sind bisher zwar die einzigen lieferten sich aber beim Wettrüsten bizarre Züge. Der Aufwand des Einbaus ist große, der Nutzen für den Fahrer bisher nur gering.
Das war doch ein Wiesel da vorn. Oder ein Hase, ein Fuchs vielleicht? Schwer zu sagen, es ging ja alles so schnell, und der pelzige Waldbewohner war auch so weit weg, erfasst von einer Lichtquelle, an die sich Mensch und Tier erst gewöhnen müssen: Laser.
Eine Minute vorher liegt die Allee mit dem Wildwechsel-Warnschild in beinahe totaler Finsternis, als der Audi R8 LMX des Wegs kommt. In der Ferne sind noch die Rücklichter eines anderen Autos zu sehen, daher geben die Scheinwerfer dieses ganz besonderen Sportwagens noch nicht alles.
Nur 99 Exemplare hat Audi aufgelegt, und was es mit ihnen auf sich hat, erfährt man am besten nachts – aber dann auch nur, wenn kein anderes Auto in der Nähe ist. Endlich verschwinden die beiden roten Punkte, und nun haben die beiden Laserkonverter in den Scheinwerfergehäusen freie Bahn. Der LED-Fernlichtkegel, hell und breit und 300 Meter lang, leuchtet die Fahrbahn schon gut aus, aber der Laser legt noch einmal etwas obendrauf: 600 Meter weit strahlt der Audi nun, und ganz klar ist zu sehen, dass da vorn etwas über die Straße flitzt.
Als Autofahrer muss man sich an den Zuwachs an visueller Information erst gewöhnen, auch wollen die neuen Bilder interpretiert werden. Nicht nur zehn Sekunden, bevor man ein auf die Straße hoppelndes Tier erreichen würde, sieht man es, sondern nun bleiben 20 Sekunden für die richtige Reaktion. Dennoch ist es nicht so, als würde plötzlich die Nacht zum Tage, als verdoppele der Laserscheinwerfer die Lichtmenge. Dazu ist der Laserstrahl zuschmal. Von einem Lichtkegel kann man eigentlich gar nicht sprechen, es sieht mehr wie ein Lichtschwert aus oder besser: eine Lichtlanze.
Neben Audi ist BMW der einzige Hersteller, der Laserfernlicht einsetzt, und um den Start dieses Einsatzes haben sich beide Firmen im Frühjahr einen bizarren Wettlauf geliefert. BMW hatte als Erster das Laserlicht angekündigt, für seinen Plug-in-Hybridsportwagen i8. Im November sollte es erstmals lieferbar sein. Was Audi nicht daran hinderte zu behaupten, BMW sei noch gar nicht so weit, und auf jeden Fall werde die VW-Tochter aus Ingolstadt zuerst mit Laserlicht auf dem Markt sein. Zum Juli kündigte man das Sondermodell R8 LMX mit serienmäßigem Laserlicht an, womit BMW überholt war. Bis sich München zum Konter entschloss: Die ersten acht Exemplare des i8 wurden mit Laserlicht ausgerüstet und schon im Juni geliefert.
Die Kabbelei illustriert ein Problem der Autoindustrie: So rasch schreitet die technische Entwicklung voran, dass kaum jemand eine Neuerung lange exklusiv hat. Seien es Assistenzsysteme, sparsame Motoren oder die Möglichkeit, Smartphones ins Infotainmentsystem zu integrieren: Vorsprünge halten jeweils nur wenige Monate.
Erst mit etwas Verzögerung, nach etwa zehn Minuten Fahrt über nächtliche Landstraßen, ist zu spüren, was die Verlängerung der Sicht mit dem Laserlicht bewirkt. Man wird entspannter, fährt flüssiger, und die Experten wissen auch, warum. „Das Auge sieht tagsüber dorthin, wo es am sinnvollsten ist. Bei Nacht ist es meist auf die Hell-Dunkel-Grenze fixiert“, sagt Stefan Weber, Projektleiter Laserlicht bei BMW, das diese Technik ebenfalls zur Serienreife gebracht hat. Weil also das Auto nun so weit leuchtet, dass man kaum erkennt, welches Tier da in der Ferne die Straße überquert, ist der Blick auch nicht mehr auf eine Stelle fixiert. Die Augen schweifen herum wie am Tag, man fühlt sich besser, und: Man könnte nun nachts schneller fahren.
Beim Laserlicht scheinen sich Audi und BMW im Premiumsegment ein Stück abgesetzt zu haben. Von anderen Herstellern ist da nichts zu hören, und auch Zulieferer Osram, der für Audi und BMW arbeitet, meldet keine weitere Kundschaft. Das mag daran liegen, dass die Einführung des Laserfernlichts die Investitionsbereitschaft selbst der Premiumkunden überstrapazieren könnte.
Während Audi den Aufpreis für die neue Technologie in den 210.000 Euro des Sondermodells R8 LMX versteckt hat und keinen Einzelpreis fürs Laserlicht nennt, kann man es beim BMW i8 als Extra bestellen: für 9500 Euro. Das ist extrem viel Geld, selbst bei einem Sportwagen, der sich mit einem Grundpreis von 126.000 Euro nicht an arme Leute wendet. Aber 7,5 Prozent des Fahrzeugpreises für ein einziges Extra ausgeben? BMW nennt noch keine konkreten Absatzzahlen für die neue Technologie, ist aber optimistisch, was deren weitere Ausbreitung angeht. „Der LED-Scheinwerfer kam 2011 im 7er zum ersten Mal auf die Straße“, sagt Stefan Weber, „und jetzt können Sie ihn als Sonderausstattung für den Mini haben.“
Weber spricht auch von der „sozialen Akzeptanz“, die die neue Technik erreichen müsse. Dabei geht es aber nicht um die Kosten, sondern um das, was viele Menschen an neuen Lichtentwicklungen fürchten: Blendung. 600 Meter lange Laserstrahlen, da läuft es manchem kalt den Rücken herunter. Doch im Moment kann man noch Entwarnung geben: Sowohl bei Audi als auch bei BMW steuert eine Kamera im Innenspiegel den Einsatz des Lasers, und wie es aussieht, ist die teure Technik auf der Autobahn nahezu nutzlos. Wenn man nicht gerade um vier Uhr morgens unterwegs ist, hat man ja praktisch immer Gegenverkehr oder es fährt jemand voraus, dem man nicht in den Rückspiegel beamen darf. Auf einer Nachtfahrt von der holländischen Grenze bis Berlin mit dem Audi R8 LMX hat sich das Laserlicht gerade zweimal eingeschaltet, um nach wenigen Sekunden wieder zu verlöschen.
Das Ganze läuft vollautomatisch, der Fahrer kann per Schalter nur den grundsätzlichen Wunsch nach maximalem Fernlicht äußern, aber das Auto entscheidet, ob es diesen Wunsch erfüllt. Zudem ist das Laserlicht nicht mit der Lichthupe koppelbar, und im Stadtverkehr kann es ebenfalls nicht eingesetzt werden: einmal wegen der aktiven Straßenbeleuchtung und zum anderen, weil man mindestens 60 km/h (BMW) beziehungsweise 70 km/h (Audi) fahren muss, um es nutzen zu können.
Künftig sollte das Laserlicht nicht nur billiger werden, sondern auch besser einsetzbar. BMW hat in einem Prototyp des 7er gezeigt, wie es gehen könnte: Die Fernlichtscheinwerfer schwenken bei Bedarf zur Seite und schaffen so einen dunklen Korridor für den Gegenverkehr. Das gibt es schon jetzt beim normalen Fernlicht. Auch Audi kann Gegenverkehr ausblenden, macht das aber nicht mit schwenkbaren Scheinwerfern, sondern über gezieltes Abschalten einzelner Leuchtdioden – eine gute Idee, die fürs Laserlicht mit seiner einzelnen Lichtquelle aber nicht anwendbar ist.
Technisch noch ungelöst ist zudem das Problem der Blendung von Tieren und Fußgängern, die naturgemäß keine Scheinwerfer bei sich tragen und deshalb eben von den Kameras der Autos nicht erfasst werden. Der Laserstrahl ist zwar nicht gefährlich für die Netzhaut, doch kann er extrem blenden, wenn man direkt hineinschaut. BMW-Mann Weber lässt das aber relativ kalt. „Es ist besser, einen Fußgänger nachts auf der Landstraße zu blenden, als ihn nicht zu sehen.“