Mit extravaganten Folien und Matt-Effekten werden immer mehr Autos verziert. Was hinter dem Trend steckt und wo man Anregungen bekommt.
Was Leinwandheld Batman als Tarnkappe benutzte, ist bei immer mehr Autofahrern der letzte Schrei: ein matter Klarlacküberzug für den geliebten Wagen.
BMW preist beim neuen, edlen 6er Gran Coupé den gedeckten Farbton „Frozen Bronze“ an, Mercedes offeriert unter anderem bei der A-Klasse und dem CLS AMG Shooting Brake Mattlackierungen mit dem verheißungsvollen Namen „Magno Grau“. Alle Lichtreflexionen ausgeschlossen.
Lacke schützen Autos und verschönern sie – jetzt erregen sie zunehmend durch auffällige Farben oder schrilles Design auch Aufmerksamkeit. Autobauer haben die stumpfen Töne zur neuen Mode erkoren und verlangen für sie saftige Aufpreise: 2082 Euro bei der A-Klasse, 3800 Euro für den viertürigen 6er und 4403 Euro beim CLS AMG. Während der Metallic-Lack in den 80er-Jahren den simplen Uni-Anstrich verdrängte und besser vor Kratzern schützte, kann der Freigeist am Steuer nun mit exotischen Lackierungen das Äußere seines Autos nach Herzenslust gestalten.
Die neue Faszination für die Hülle kann auch als Statement gegen die vielen Helferlein im Auto verstanden werden, die das Fahren vereinfachen und später sogar automatisieren sollen. Die Freude droht beim autonomen Fahren auf der Strecke zu bleiben, das Design bietet da noch eine Möglichkeit, sich abzuheben. „Wir fassen im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich nichts mehr an, drücken keinen Knopf mehr, sondern regeln immer mehr über Sprach- und Gestensteuerung“, sagt Mark Gutjahr, Farbdesigner beim Autolackspezialisten BASF Coatings in Münster. „Matte Lacke dagegen fallen auf und verleiten den Betrachter dazu, über die samtige Oberfläche zu streichen.“
Einen Wagen zum Anfassen wünschen sich viele in Zeiten, in denen oft über die Entfremdung des Menschen vom Automobil philosophiert wird. Da kommt ein neuer Deckmantel gerade recht. Martin Bremer, Leiter der Abteilung Farben und Ausstattung bei Mercedes, beobachtet bei den Präsentationen der matten Lacke immer wieder innige „Streichelszenen“. Auch haftet dem stumpfen Anstrich nicht mehr das Martialisch-Militärische oder das Billig-Image von früher an. Und ohne Lichtreflexe erscheint ein Auto in seiner puren Form. Linien und Konturen treten stärker hervor, was zum Beispiel die Form der A-Klasse unterstreicht.
Vom Matttrend zeugt nicht nur das immer breitere Angebot von Herstellern wie BMW oder Daimler. Auch eine andere Branche profitiert vom Boom: die Gilde der Folierer. Was einmal Mitte der 90er-Jahre mit der Beklebung von Taxis begann, hat sich längst zu einem prosperierenden Geschäft entwickelt.
Zu den routiniertesten Verpackungskünstlern in der Republik gehört die Firma Intax Innovative Fahrzeuglösungen mit ihrer Marke Foliocar. Auf der Internetseite des Oldenburger Unternehmens finden sich Mercedes-SLS-AMG-Modelle ebenso wie eine Sonderserie des Ford Kuga in Mattschwarz, ein extravaganter Ford Mustang im legendären Gulf-Gewand und ein Toyota iQ im Discokugel-Look. Selbst Autos für Kinofilme wurden in der Manufaktur beklebt, und die Bundeswehr ist Stammkunde. Fragte die Klientel des seit 17 Jahren tätigen Spezialisten früher bevorzugt nach finsteren Karbonhäuten, stehen nun auch hellere Farben und Zweitonmuster zur Wahl.
Eine Folierung ist die preisgünstigste Möglichkeit, ein Fahrzeug von der Masse abzuheben. Die Zweifarbvariante kostet zwischen 2600 und 2700 Euro, die einfarbige Verpackung ist für 2000 Euro zu haben. Die Nachfrage ist groß, die Wartezeit beträgt drei bis vier Wochen. Die Folierung aufzutragen dauert zwischen 30 bis 50 Stunden, häufig behandelte Modelle wie der Toyota Prius seien laut Reske aber auch schon in weniger als 20 Sunden neu eingekleidet.
Ein neues Folienkleid ist nicht nur günstiger als eine Umlackierung, es schmälert auch nicht den Wiederverkaufswert des Wagens, weil die Folie angeblich rückstandslos entfernt werden kann. Als Nebeneffekt ergibt sich zudem laut Intax ein erhöhter Schutz gegen Steinschlag und leichte Kratzer. Das ist für Besitzer von Leasingrückläufern interessant, deren Haut jederzeit wieder in den Originalzustand zurückverwandelt werden kann. Oder für Privatkunden, die nur mal einen (vorübergehenden) Tapetenwechsel für ihr Auto wollen.
Intax foliert mit seinen knapp 80 Mitarbeitern pro Jahr Autos im mittleren vierstelligen Bereich, hat aktuell 142 verschiedene Farben im Portfolio und zählt sich selbst zu den führenden Anbietern. Schwarzmatt ist immer noch stark nachgefragt, doch neue Matttöne wie Anthrazit-Grafit-Metallic verzeichnen dank der nicht mehr so stumpf wirkenden Oberfläche eine starke Nachfrage. Nach spätestens fünf Jahren raten die Experten ohnehin zum Abziehen der Folie. „Dann haben sich die Weichmacher noch nicht verflüchtigt, und man kann sie ohne Lackschäden in großen Stücken abnehmen. Wartet man damit länger, wird der Aufwand schnell größer“, sagt Fachmann Reske.
Hervorgegangen ist Intax Mitte der 90er-Jahre aus einer Funkmietwagen-Firma. Die in den Hausfarben Rot und Hellelfenbein lackierten Taxis hatten am Ende ihrer Dienstzeit nahezu keinen Restwert mehr, was die Betreiber auf die Idee mit der Folie brachte. Als dann Mazda 1996 mit folierten 626 in den deutschen Taximarkt einstieg, begann sich das Geschäft zu professionalisieren. Auch die Bundeswehr wurde schnell auf die Taxis aufmerksam, ließ bald auch ihre Mercedes Vito und VW-Busse nicht mehr matt pinseln, sondern folieren.
Anfängliche Bedenken bezüglich der Alltagstauglichkeit von Folien seien mittlerweile ausgeräumt worden, glaubt Reske. Auch seien die Folien „absolut waschanlagenfest“, versichert er. Dennoch tummeln sich noch genügend Pfuscher auf dem Markt. Daher strebe die Vereinigung der seriösen Folierer-Betriebe, die German Wrapping Association, ein einheitliches Prüfsiegel und Qualifizierungsverfahren an.