Um nicht mit der Nahrungsmittelproduktion zu konkurrieren, arbeitet Audi an synthetischem Sprit für Gasautos.
Die Prognosen sind alles andere als rosig: "Schon bald werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben", sagt Audi-Manager Ulrich Weiß. Und die wollen nicht nur alle ein Dach über dem Kopf, sondern auch ein Auto unter dem Hintern. Das heißt, die Luft wird immer dicker, und die Treibstoffreserven werden immer knapper - wenn alle weitermachen wie bisher. Weil das auf Dauer nicht funktionieren wird, basteln alle Hersteller an Umweltstrategien, die langfristig auf Elektrofahrzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzelle hinauslaufen. Doch weil heute niemand mehr an einen schnellen Siegeszug der Stromer glaubt, müssen intelligente Zwischenschritte her. Wie die aussehen könnten, hat jetzt Audi bei einem Workshop im "Future Lab" vorgestellt.
Weil der Verbrenner in den Augen der Bayern noch über viele Jahre den Ton angeben wird, müssen die Kraftstoffe grüner und die Motoren noch sparsamer werden. Deshalb arbeiten die Ingenieure in Ingolstadt unter anderem an synthetischen Treibstoffen aus erneuerbaren Energien.
Die ersten Schritte zum künstlichen Sprit sind bereits gemacht. An der Nordseeküste läuft der Bau einer sogenannten E-Gas-Fabrik. Bis der Strom aus einem speziellen Windpark in ausreichend Elektroautos genutzt werden kann, spalten die Bayern damit Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff auf. Wasserstoff kann entweder eine Brennstoffzelle antreiben oder in einem zweiten Schritt mit konzentriertem CO2 aus einer benachbarten Abfall-Biogas-Anlage in Methan umgewandelt werden. Dabei entsteht ein synthetisches Gas, das chemisch mit Erdgas identisch ist und nicht nur in Haushalten, sondern auch in Autos verheizt werden soll. Dafür baut künftig auch Audi wieder Erdgas-Autos und verwandelt die TSI-Motoren in TCNG-Antriebe. Losgehen soll das 2013 mit dem neuen A3 Sportback, der kurz nach dem Marktstart auch als E-Gas-Variante in den Handel kommt. Seine beiden Tanks unter dem Kofferraumboden reichen für 400 Kilometer, danach fährt der 110 PS starke 1,4-Liter-Motor zur Not mit 55 Liter Benzin weiter. Die nächsten Schritte klingen ziemlich nach Science-Fiction. Weil fossile Brennstoffe endlich sind und Biomasse für die Herstellung von Ethanol mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert, setzt Audi dabei auf speziell modifizierte Mikroorganismen: Bakterien sollen mithilfe von konzentriertem CO2 aus Brauchwasser in einer Art Fotosynthese künstliche Kraftstoffe erzeugen, die dann in konventionellen Motoren verbrannt werden. Dies soll in einer Pilotanlage im US-Staat New Mexico schon im nächsten Jahr funktionieren.
Als sowohl schnell und sauber wie auch preiswert und alltagstauglich könnte irgendwann einmal der A1 mit Dual-Mode-Hybrid auf den Markt kommen. Unter seiner Haube stecken ein Dreizylinder-Benziner mit 130 PS, ein scheibenförmiger E-Motor von 68 PS im Getriebe und ein zweiter E-Antrieb mit 116 PS an der Vorderachse. Gespeist werden sie aus einem Lithium-Ionen-Akku mit knapp 18 kWh im Kofferraum.
Bei langsamem Tempo fährt der A1 immer elektrisch. Erst wenn dem Dual-Mode-Hybrid der Strom ausgeht, startet der Verbrenner als Range Extender, treibt den Getriebe-Motor als Generator an und lädt so während der Fahrt die Batterien nach. Jenseits von 50 km/h mischt der Benziner auch beim Antrieb mit und übernimmt ab 130 km/h komplett die Fahraufgaben. Dann arbeitet der E-Motor nur noch als Booster. Je nachdem, welchen der fünf Fahrmodi man gewählt hat, kommt man damit entweder sauber und trotzdem sportlich durch die Stadt, kann bis zu 90 Kilometer elektrisch oder insgesamt über 600 Kilometer fahren oder erlebt den Stromer als Wirbelwind, der flott über die Autobahn fegt. Und das alles bei einem Zyklusverbrauch von etwa einem Liter.
Zu schön, um wahr zu sein? Im Prinzip nein. Denn im Prototypen klappt das schon ziemlich reibungslos. Doch wer bei Projektleiter Daniel Boland weiterbohrt, kommt schnell zum Dilemma. "Noch wäre ein solches Konzept nicht kostengünstig darzustellen", sagt der Ingenieur. "Ein paar Jahre wird es mindestens noch dauern, bis man unser Ein-Liter-Auto fahren kann."