Berlin. Warum sterben Gehirnzellen bei Alzheimer? Das gilt bislang als großes Rätsel der Forschung – und ein Team will nun die Antwort haben.

Wer Alzheimer-Patienten pflegt oder den langsamen Verfall im Familienkreis miterlebt, weiß: Die Krankheit gehört zu den grausamsten Widrigkeiten, denen Mensch sich stellen kann. Und das bislang ohne Aussicht auf Erfolg.

Medikamente können nur Symptome lindern, Heilung ist unmöglich; bislang ist noch nicht einmal klar, warum bei Alzheimer Nervenzellen im Hirn absterben. Zwar hat die Forschung Fortschritte gemacht, hinter den Zelltod-Mechanismus konnte aber noch niemand blicken. Nun will eine Studie herausgefunden haben, warum Alzheimer die Zellen sterben lässt.

Alzheimer führt zu Zellensuizid

Die im Fachblatt „Science“ veröffentlichte Arbeit eines Teams aus Belgien und Großbritannien fand heraus, dass menschliche Nervenzellen – eingepflanzt in alzheimerkranke Mäusehirne – große Mengen des Molküls MEG3 produzieren. Dieses Molekül findet sich verstärkt auch in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten.

Das Team geht davon aus, dass die Überproduktion den Zelltod auslöst. Vereinfacht gesagt löst das Molkeül eine Art von Suizid in den Zellen aus. Grundsätzlich ist das eine natürliche Funktion des menschlichen Körpers, um unerwünschte Zellen loszuwerden und frische zu bilden.

Wurde die Überproduktion des Moleküls behandelt, überlebten die Nervenzellen in den Mäusgehirnen. Und dass, obwohl sie von den für Alzheimer typischen Eiweißklumpen umgeben waren.

Alzheimer-Studie liefert "sehr interessanten Ansatz"

"Das ist ein sehr interessanter Ansatz", bewertet Linda Thienpont, Wissenschaftliche Leiterin der Alzheimer Forschung Initiative, die Studie unserer Redaktion gegenüber. Sie habe zeigen können, dass der molekulare Mechanismus beeinflusst werden könne, der das Absterben von Nervenzellen verursacht. Bildung von MEG3-Molekülen sei gehemmt worden "und konnte dazu beitragen, dass Nervenzellsterben zu unterbinden".

Thienpont warnt allerdings vor zu viel Euphorie. "Der Ansatz klingt zunächst schlüssig. Die vorliegenden Ergebnisse beruhen allerdings auf Maus-Versuchen", und die, schränkt die Expertin ein, "lassen sich erfahrungsgemäß nicht immer auf den Menschen übertragen". Alzheimer sei eine Krankheit spezifisch für den Menschen, nicht Mäuse.

Illustration einer von Alzheimer befallenen Nervenzelle.
Illustration einer von Alzheimer befallenen Nervenzelle. © IMAGO / Science Photo Library

Weg zu einem neuen Medikament?

"Das sind sehr wichtige und spannende Ergebnisse", sagte Bart De Strooper vom britischen Demenzforschungszentrum der BBC. Zum ersten Mal habe man Hinweise darauf, warum und wie Nervenzellen bei Alzheimer-Patientinnen sterben. Lesen Sie dazu auch: Alzheimer-Demenz: Neuer Therapieansatz macht Hoffnung

Experimente in Kulturschalen, bei denen Nervenzellen mit MEG3 vermischt wurden, bestätigten die Annahmen der Forscherinnen und Forscher. Wurde das Molekül blockiert, überlebten die Zellen. Die Entdeckung könne „zu ganz neuen Medikamenten führen“, sagte De Strooper.

Deren Entwicklung dürfte allerdings noch jahrelange Forschung benötigen. Wenn überhaupt: Über die Bedeutung für ein mögliches Medikament lasse sich noch nichts sagen, teilte Thienpont unserer Redaktion mit. "Dafür befindet sich die Forschung noch in einem zu frühen Stadium. (pcl)

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