Berlin. Woher kommen menschliche Moralvorstellungen? Eine Gruppe von Wissenschaftlern ist dieser Frage nachgegangen – mit spannendem Ergebnis.

Du sollst nicht lügen, nicht betrügen, nicht fremdgehen und deinen Mitmenschen helfen. Das jedenfalls gibt uns die Moral mit. Doch woher kommt sie? Ist sie Produkt gesellschaftlicher Normen, wie die meisten vermuten? Falsch. Denn nun konnten Wissenschaftler belegen, dass es im Gehirn ganz bestimmte Regionen gibt, die für die Moral zuständig sind.

Neue Studie: Die Aspekte der Moral

Das Gehirn gilt als ein überaus komplexes Organ. Ähnlich wie der Sinn für Spiritualität ist offenbar auch unser Moralempfinden mit spezifischen Schaltkreisen im Gehirn verknüpft, wie eine aktuelle Studie der Forschungsgruppe um Frederic Hopp von der University of California in Santa Barbara, USA, zeigt.

Um herauszufinden, wie unsere Moral und soziale Einstellung mit dem Gehirn zusammenhängen, wurde bei 64 Studienteilnehmern untersucht, wie sie moralisch und sozial herausfordernde Situationen verarbeiten und bewerten. Dabei legten sie laut Bericht des Wissenschaftsmagazins "ScineXX.de" ihren Methoden eine der gängigsten Theorien der Moralpsychologie zugrunde, die Moral Foundations Theory (MFT).

Hier wird die Moral in sechs Aspekte eingeteilt:

  • Fürsorge und Schaden
  • Fairness und Betrug
  • Freiheit und Unterdrückung
  • Loyalität und Verrat, Autorität und Unterwerfung
  • die Wahrung der Würde.

Diese Verhaltensmerkmale gelten als angeborene und universelle moralische Veranlagungen, eine Art "intuitive Ethik".

Neurowissenschaften: Wissenschaftler finden Gehirnareale für Moral

Mit Gehirnscans untersuchten die Forscher, ob sich diese Regionen nachweisen lassen. Die Wissenschaftler führten spezielle Untersuchungen per Magnetresonanztomographie (fMRI) durch, während sich die Testpersonen Gedanken um 120 verschiedene standardisierte Situationen von moralischem oder sozialem Fehlverhalten machten. Beispielsweise sollten die Teilnehmenden beurteilen, ob es moralisch verwerflich ist, bei einem Test zu schummeln, oder sozial angebracht, Kaffee mit einem Löffel zu trinken.

Die Forscher haben festgestellt, dass das Gehirn dabei nicht nur eine bestimmte Gehirnregion verwendet, sondern ein ganzes Netzwerk von verschiedenen Regionen aktiviert. Zudem gibt es Unterschiede in der Hirnaktivität, wenn es um die Beurteilung von sozialen Normen oder einer moralischen Entscheidung geht. Letztere dauerte bei den Studienteilnehmer länger.

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    Moralvorstellung: Die politische Einstellung ist im Gehirn erkennbar

    Aber es kommt auf noch mehr an: Wie jemand eine Situation moralisch bewertet, ist auch von der politischen Einstellung abhängig. Die Forscher hatten vorab eine Befragung durchgeführt und diese dann mit den Gehirnscans verglichen.

    Dazu muss man wissen, dass die Aspekte der Moral in zwei große Moralkategorien unterteilt werden:

    1. Die "individualisierende" Kategorie: Dabei geht es um Moralaspekte, die sich auf die Rechte und Freiheiten des Einzelnen beziehen.
    2. Die "verbindende" Kategorie: Hierbei steht vor allem das Wohl des Kollektivs im Vordergrund.

    Die Forscher haben festgestellt, dass die Bewertung moralischer Situationen von politisch liberalen und konservativen Teilnehmern in unterschiedliche Kategorien fallen:

    Politische AusrichtungBewertung moralischer Situationen
    LiberalLiberale Menschen sind eher empfindlich für moralische Aspekte, die sich auf individuelle Gerechtigkeit beziehen, wie zum Beispiel Fairness.
    KonservativKonservative Menschen hingegen legen mehr Wert auf moralische Aspekte, die mit der Bindung zu sozialen Gruppen zusammenhängen.

    "Wir waren überrascht, wie gut sich die Einteilung in "individualisierende" und "verbindende" moralische Grundlagen auf der neurologischen Ebene in mehreren Netzwerken widerspiegelt“, sagte Weber in dem Bericht des Wissenschaftsmagazins.

    Neurologie: Die Verarbeitung von Moral im Gehirn

    Es hat sich also gezeigt, dass der Mensch moralische Situationen auf ähnliche Weise in bestimmten Gehirnregionen verarbeitet. Doch die Art und Weise, wie das Gehirn die moralische Situation bewertet, variiert je nach den individuellen Überzeugungen.

    Außerdem werden je nach Art der moralischen Situation bestimmte Teile des Gehirns auf unterschiedliche Art und Weise aktiviert. Mit anderen Worten, wenn wir über unterschiedliche moralische Themen nachdenken, leuchten verschiedene Teile unseres Gehirns auf. Das legt nahe, dass unser Gehirn eine allgemeine Grundlage für moralisches Denken hat, die aber Detail variieren kann.

    In der Studie wurde untersucht, wie das menschliche Gehirn vorgegebene moralische Situationen verarbeitet. Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler untersuchen, wie das Gehirn moralisches Fehlverhalten in Zeitungsartikeln, Radio- oder Fernsehsendungen verarbeitet und beurteilt.