Hamburg. Ernährungs-Doc Matthias Riedl plädiert für pflanzenbasierte Nahrung. Doch längst nicht alles ist gesund. Er erklärt, worauf es ankommt.

Ist eine vegane Ernährungsweise wirklich gesünder als eine vegetarische? Und worauf muss man achten? Um diese Fragen geht es in der neuen Folge des Podcasts „Dr. Matthias Riedl: So geht gesunde Ernährung“.

Er selbst sei das nicht orthodox, sagt der aus dem Fernsehen bekannte Ernährungs-Doc. „Wann immer es geht, esse ich vegane Gerichte. Wie die meisten Ernährungsmediziner ernähre ich mich flexitarisch, das heißt pflanzenbasiert, weil das die gesündeste Form ist. Aber die meisten nehmen bestimmte tierische Lebensmittel dazu wie Eier, auch mal Milchprodukte, auch mal Fisch und selten mal rotes Fleisch, in kleiner Menge Huhn.“

Studie zeigt: Veganer haben ein erhöhtes Krebsrisiko

Mit streng veganer Ernährung erleide man mit den Jahren einen Mangel, sagt Dr. Matthias Riedl und berichtet von einer Patientin mit entzündlicher Hauterkrankung. „Die hatte eine niedrige Omega-3- Fettsäure-Versorgung. Das erklärte dann auch zum Teil die Neigung zur Entzündung der Haut.“

Er zitiert aus einer Studie, bei der das Krebsrisiko für Veganer, Vegetarier und Flexitarier, die Mini-Mengen Fleisch konsumieren (höchstens 200 Gramm die Woche oder weniger) untersucht wurde: „Da zeigte sich, dass das Krebsrisiko bei denen, die ein bisschen Fleisch gegessen haben, etwas geringer war.“ Das höre sich paradox an, weil bei hohem Fleischkonsum das Krebsrisiko steige.

Wer sich rein vegan ernähre, müsse sich sehr gut informieren, sagt Matthias Riedl. Viele Kolleginnen und Kollegen bei ihm im Medicum Hamburg, dessen ärztlicher Direktor er ist, lebten vegan, „die wissen genau, wie sie es tun, und die erleiden keinen Mangel. Man muss es halt lernen.“

Der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl im Podcaststudio.
Der Ernährungsmediziner Dr. Matthias Riedl im Podcaststudio. © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Ernährungsmediziner sagt, das Label "Vegan" sei kein Qualitätsmerkmal

Auf jeden Fall sei eine pflanzenbasierte Ernährungsweise des Menschen artgerecht. „Wir müssen alle vegetarisch essen, das ist eine Aufgabe der Gesellschaft. Es reicht nicht aus, wenn wenn es nur ein paar machen.“ Sieben bis neun Prozent der Bevölkerung hierzulande seien Vegetarier, maximal zwei Prozent Veganer.

Mehr Vegetarier wären besser für die Umwelt und für unsere Gesundheit, sagt der Ernährungsmediziner. Früher hätten viele Vegetarier noch Fisch gegessen. „Heute gilt es als verpönt, aber diese etwas laxere Vegetarierernährung, die ins Flexitarische geht, das ist das, wo wir hin müssen. Wenn ich religiös sein will, gehe ich nicht gleich ins Kloster, sondern ich versuche mal, die Religion zu leben.“ Mit kleineren Schritte könne man mehr Menschen überzeugen.

Vorsicht sei beim Label „Vegan“ auf Lebensmitteln geboten, das sei kein Qualitätsmerkmal, warnt der Ernährungsmediziner. „Die Industrie neigt zum Labeln und benutzt das Label ,Vegan’ zur Verkaufsförderung. Das hat teilweise Auswüchse, die ich sehr, sehr kritisch sehe, gerade im Bereich der Fertigprodukte. Es gibt auch ungesunde vegane Produkte.“

Die Lebensmittelindustrie habe den Gesundheitstrend gesehen und stelle deshalb vermehrt vegane Produkte her. „Was für hochverarbeitete Fertigprodukte im normalen Markt gilt, gilt auch für hochverarbeitete vegane Produkte – hoch chemisch bearbeitete Produkte der Klasse vier sind für unsere Gesundheit schädlich.“ Zu Nova-Klasse eins zähle Unverarbeitetes und selbst Gekochtes und sei unbedenklich, Klasse vier die höchste Form der Verarbeitung.

Immer mehr vegetarische und vegane Alternativen erobern die Supermarktregale. Doch die Ersatzprodukte sind oft teurer als die tierischen Produkte selber.
Immer mehr vegetarische und vegane Alternativen erobern die Supermarktregale. Doch die Ersatzprodukte sind oft teurer als die tierischen Produkte selber. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Veganes Schnitzel: Ernährungs-Doc Riedl warnt davor

„Die Nahrungsmittelindustrie ist so so erfolgreich im Erfinden von Produkten, dass ich denke, wir brauchen noch eine Nova-Klasse fünf, weil der Chemieanteil in solchen Produkten sehr hoch ist“, sagt Riedl.

Er nennt das Beispiel veganer Bouletten. Diese gebe es mit Bohnen, Pilzen, Hülsenfrüchten, Zwiebeln – „da steckt die ganze Bohne drin, die ganze Zwiebel, das ist völlig in Ordnung, wenn da nicht irgendwelche chemischen Sachen rein gemischt wurden.“ Aber häufig werde von der Lebensmittelindustrie nur das Protein aus der Erbse herauslöst. „Dann kommen da Verdickungsmittel rein, und das Problem ist auch – bei dieser chemischen Veränderung oder beim Herauslösen von Protein durchläuft das Protein die maschinelle Verarbeitung, und da hat Ökotest besonders im veganen Hackfleisch immer wieder Mineralölrückstände gefunden.“

Darüber hinaus würden Aromen zugefügt und alles mit Kleister verbunden. „Da sind wir wirklich jetzt beim Chemiebaukasten. Dann kommt noch Farbstoff dazu und jede Menge Salz. Das ist nachher eine hochpreisige vegane Bulette, die ich und niemand aus meinem Team essen würde.“

Im Einzelfall seien die Substanzen nicht so problematisch, aber es sei eine Frage der Menge. Viele dieser Substanzen seien im Verdacht, die Damenflora zu schädigen. Ähnlich kritisch seien vegane Schnitzel oder vegane Wurst oder Käse. „Damit es so aussieht wie ein Schnitzel, wie eine Wurst, wie Käse, bedingt es eine hochgradige Verarbeitung. Es gibt Studien für Nova-Klasse-4-Produkte, wonach sie das Herzkreislaufrisiko ansteigen lassen.“ Die Industrie schaffe es auch, Käse ohne Proteine aus Kohlenhydraten und schlechtem Fett herzustellen. „Das ist die Supermischung, um zuzunehmen und macht nicht satt.“

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Wieso nicht jede vegane oder vegetarische Ernährung gesund ist

Zur Frage, ob es Menschen gibt, die nicht vegan leben sollten, sagt Matthias Riedl: „Rein vegane Ernährung könnte für die Schwangerschaft, Stillzeit und heranwachsende Kinder kritisch werden, wenn die Eltern nicht genau wissen, was sie tun. Da verlange ich, dass man sich vorher in eine professionelle Beratung in einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin oder bei einer Ernährungstherapeutin begeben hat, um den Mangel zu verhindern“, sagt der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg, Europas größtem Facharztzentrum auf diesem Gebiet. „Es gibt tatsächlich Kinder, die wie mangelernährt sind, die Minderwuchs aufzeigen oder geistig nicht so entwickelt sind.“

Auch der Vitamin-Status, vor allem Vitamin-B-12 und der Eisenstatus sowie Omega-3-Index müssten geprüft werden. Das Problem fehlender Spurenelemente und Vitamine sei bei der veganen Ernährung aber beherrschbar, sagt der Ernährungs-Doc. „Man muss nur wissen, dass das kommt, und man muss wissen, wie man das substituiert.“

Um etwa einem Eisenmangel vorzubeugen, seien Hülsenfrüchte und Nüsse wichtig. „Wenn man die nicht mag, wird es schwierig. Dann würde ich mich erst recht in Beratung begeben.“

Ihm sei wichtig zu erwähnen, dass nicht jede vegetarische oder vegane Ernährung automatisch gesund sei, sagt Riedl. „Nicht jede pflanzenbasierte Ernährung ist gesund. Man kann sich auch mit Gummibärchen, Kartoffelchips und Nudeln ernähren. Das ist dann vegan, aber nicht gesund.“

Rezept vom Ernährungs-Doc für einen gesunden Aufstrich

Cashewaufstrich mit Schnittlauch

Für 4 Portionen (à ca 50 g), 10 Minuten Zubereitung, 12 Stunden Einweichen (über Nacht), Nährwert pro Portion: Ca. 315 Kcal, 9 g WEW, 24 g F, 16 g KH

Zutaten: 200 g Cashewkerne, 1 Bio-Zitrone, 1 EL Olivenöl, 1 Bund Schnittlauch (ersatzweise ½ Päckchen TK-Schnittlauchröllchen), Salz, Pfeffer

Cashew Aufstrich: aus Dr. Matthias Riedl. Dr. Matthias Riedl. Vegetarisch Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip.
Cashew Aufstrich: aus Dr. Matthias Riedl. Dr. Matthias Riedl. Vegetarisch Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip. © Gräfe und Unzer Verlag | Gräfe & Unzer Verlag, Gräfe und Unzer / Monika Schürle und Maria Grossmann

Zubereitung: 1. Am Vorabend die Cashewkerne in eine Schüssel geben und mit Wasser vollständig bedecken. Abgedeckt ca. 12 Std., am besten über Nacht, einweichen.

2. Am nächsten Tag die Cashewkerne in ein Sieb abgießen, dabei etwa die Hälfte des Einweichwassers auffangen, beides in den Standmixer geben. Die Zitrone heiß waschen, abtrocknen und die Schale fein abreiben. Dann die Zitrone halbieren und auspressen. Zitronenschale und -saft mit dem Öl zu den Cashewkernen geben und alles im Standmixer fein pürieren. Falls der Aufstrich zu fest ist, noch etwas Wasser hinzufügen.

3. Den Schnittlauch waschen, trocken tupfen und in feine Röllchen schneiden. Den Schnittlauch unter den Aufstrich mischen (nicht mitpürieren!) und alles mit Salz und Pfeffer abschmecken. Der Aufstrich hält sich gut verschlossen im Kühlschrank 4–5 Tage. Er passt zu Vollkornbrot.

(aus: Dr. Matthias Riedl. Vegetarisch abnehmen nach dem 20:80 Prinzip, Gräfe und Unzer, 19,99 Euro.)

Dr. Matthias Riedl. Vegetarisch Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip, Gräfe und Unzer Verlag, 19,99 Euro.
Dr. Matthias Riedl. Vegetarisch Abnehmen nach dem 20:80-Prinzip, Gräfe und Unzer Verlag, 19,99 Euro. © Gräfe und Unzer Verlag | Gräfe und Unzer Verlag

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Dieser Artikel erschien in ähnlicher Form zuerst beim "Hamburger Abendblatt".