Berlin. Nachhaltiger leben – das möchten viele. Aber mit wenig Zeit und Mitteln etwas zu bewegen, fällt schwer. Diese Handy-Apps bieten Hilfe.

Klimaschutz: ganz wichtig. Nachhaltiger leben: unbedingt. Weniger konsumieren und auch mal auf Fleisch verzichten: fest vorgenommen. Schaut man sich Umfragen an oder fragt einfach nur im Bekanntenkreis, scheint die Bereitschaft enorm, sich für Klima und Nachhaltigkeit einzusetzen und dafür das eigene Leben ein wenig umzukrempeln. Aber dann: fehlt oft die Zeit im stressigen Alltag. Und was ist mit Corona und dem Ukraine-Krieg: Das ist doch auch wichtig!

Damit die aus Expertensicht weltweit drängendste Bedrohung – Umweltzerstörung und Klimawandel – trotz anderer Krisen nicht aus dem Blick gerät, wird einmal im Jahr, immer am 22. April, der sogenannte Tag der Erde begangen. Am Earth Day, wie er international genannt wird, setzen Millionen Menschen weltweit ein Zeichen für Klima und Umwelt.

Tag der Erde: Das steckt hinter dem weltweiten Earth Day

Der Aktionstag ist gedacht als gemeinsamer Anstoß und Sammelbecken für alle möglichen Aktionen rund um den Umwelt- und Klimaschutz, auch hierzulande. Es gibt ihn in diesem Jahr zum 53. Mal, er geht zurück auf das Jahr 1970. Damals rief der sozial engagierte US-Senator Gaylord Nelson, der damit die beginnenden Umweltbewegungen an Schulen und Universitäten des Landes stärker unterstützen wollte, den Aktionstag ins Leben.

In diesem Jahr machen die Veranstalter in Deutschland mit „Deine Kleider machen Leute – Nachhaltig, Bio & Fair steht Dir und der Erde besser“ auf die Missstände in der Bekleidungsindustrie aufmerksam und legen den Fokus auf möglichst nachhaltige Bekleidung.

Grundgedanke beim Tag der Erde ist: Was kann neben Politik und Unternehmen auch jeder und jede Einzelne im Alltag tun, um sich weiterzubilden und mit vorhandenen Mitteln etwas für die Umwelt und Nachhaltigkeit zu tun? Eine bequeme Hilfestellung wollen hier Anbieter bestimmter Handy-Apps bieten. Welche sind das, und wie funktioniert der Klimaschutz mit dem Smartphone in der Hosentasche?

Wie kann ich meinen CO2-Fußabdruck ausgleichen?

„Was kann ich eigentlich persönlich tun, ist eine Frage, die viele umtreibt. Dieses große Fragezeichen wollten wir lösen“, sagt Markus Gilles unserer Redaktion. Der 42-Jährige hat vor knapp zwei Jahren mit zwei weiteren Gründern die App „Klima – lebe klimaneutral“ ins Leben gerufen. Sie gibt Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, in wenigen Schritten den eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln, zu reduzieren und ausgewählte Klimaprojekte mit monatlichen Beiträgen zu unterstützen, um effektiv ein klimaneutrales Leben zu führen.

Das Start-up aus Berlin wollte „eine Möglichkeit schaffen, dass jeder für sich persönlich einen einfachen Zugang zum Thema Klimaschutz erhält“, erklärt Gilles. „Wir sagen nicht: Der Einzelne ist schuld. Wir sagen: Der Einzelne hat Macht.“

Im ersten Schritt sollen Nutzer nach dem Herunterladen der kostenlosen App „Klima“ (für Android, iOS und unter klima.com) zehn schnelle Fragen zu ihrem persönlichen Lebensstil beantworten: Wie häufig nutze ich das Auto oder Flugzeug? Wie groß ist mein Wohnraum? Esse ich regelmäßig Fleisch?

Auf dieser Grundlage ermittelt die App den persönlichen CO2e-Fußabdruck. Das steht für CO2-Äquivalent. Mit diesem Maß vergleicht die Wissenschaft die Emissionen verschiedener Treibhausgase. Der Durchschnitts-Deutsche sorgt laut App für 12,35 Tonnen Emissionen im Jahr.

Erkennen, welche Maßnahmen für Klimaschutz wirklich wirksam sind

„Der zweite Schritt ist die Frage: Was kann ich sofort heute tun?“, sagt Gilles. Dazu gehört zunächst, mögliche Klimasünder im eigenen Alltag ausfindig zu machen und zu reduzieren. Der größere Hebel von Klima ist aber, über eine Art Monatsabo ausgewählte Projekte zu unterstützen, die stellvertretend für einen selbst die verursachte Menge an CO2 wieder aus der Atmosphäre zurückgewinnen.

Dafür wollen Gilles und sein Team zunächst Wissen vermitteln. Nutzer sollen verstehen, welche Maßnahmen überhaupt eine hohe Wirkung haben, „gegenüber Handlungen, die sich vielleicht nur gut anfühlen“, sagt Gilles. „So kann ich sehr informiert Dinge tun, die dann tatsächlich auch einen messbaren Effekt haben.“ Je nach Lebenssituation lebt man so mithilfe der App schon für grob zehn Euro im Monat rein rechnerisch klimaneutral.

Markus Gilles, Co-Gründer und CEO der App „Klima – lebe klimaneutral“ will Nutzende anregen, über den eigenen Konsum nachzudenken.
Markus Gilles, Co-Gründer und CEO der App „Klima – lebe klimaneutral“ will Nutzende anregen, über den eigenen Konsum nachzudenken. © PR | Climatelabs

Unterstützen lassen sich je nach Wunsch Projekte zur Aufforstung von Bäumen, zum Bau von Solaranlagen in Afrika oder zur Anschaffung effizienter Kochstellen in Ghana, wo noch viel mit Feuerstellen gekocht wird, die Klima und Gesundheit schädigen.

Zertifikate weisen streng kontrollierte Klimaschutz-Projekte aus

Alle gelisteten Projekte sind laut Gilles zertifiziert nach den höchsten internationalen Standards im Bereich der CO2-Kompensation: dem unter anderem von der Umweltorganisation WWF entwickelten Goldstandard oder dem sogenannten Verified Carbon Standard (VCS). Die Projekte müssen zusätzlich eine positive Wirkung vor Ort entfalten, beispielsweise faire Löhne, der Bau von Schulen sowie der Erhalt der biologischen Vielfalt.

„Wir wollen, dass sich die App inspirierend anfühlt, man stolz auf seinen Beitrag ist, Erfolge feiern kann und gern zurückkommt“, so Gilles. 70.000 Tonnen CO2-Emissionen habe die Nutzerschaft insgesamt schon ausgleichen können – in fünf Jahren sollen es 20 Millionen Tonnen sein.

Ein ähnliches Konzept verfolgen zum Beispiel auch die beiden Apps „Earnest – Nachhaltig leben“ sowie „Nullify“, die ebenfalls für Android und Apples iOS verfügbar sind.

Statt Geld: Zeit spenden für Freiwilligen-Projekte

Wer sich nicht nur finanziell, sondern auch ehrenamtlich tatkräftig für Klimaschutz und Nachhaltigkeit engagieren möchte, der soll mithilfe der App „Letsact“ passende Anlaufstellen finden. Ziel der beiden Münchner Gründer Ludwig Petersen (22) und Paul Bäumler (23) war es 2018, mit ihrer Plattform Helferinnen und Helfer sowie Hilfesuchende in ganz Deutschland einfach und schnell zusammenzubringen.

Jeder kann nach Anmeldung selbst entscheiden, wie häufig, wie lange und für welche Umwelt- oder anderen sozialen Projekte er oder sie sich engagieren möchte. Neben mehr als 100.000 Privatpersonen sind auch gemeinnützige Vereine und Beschäftigte von Unternehmen dabei.

Spielerisch das Thema Nachhaltigkeit erkunden

Sogar spielerisch kann man sich dem Thema Klimaschutz nähern und beim spaßigen Daddeln am Handy ganz nebenbei noch etwas dazulernen. Hier lohnt ein Blick auf die Spiele-Apps „Gibbon: Beyond the Trees“ oder „Idle EcoClicker: Grüne Welt“.

Wie Apple ankündigt, werden am Aktionstag 22. April selbst ausgewählte Apps rund um Klimaschutz und Nachhaltigkeit in einer Sammlung im App Store für Nutzerinnen und Nutzer zusammengestellt zu finden sein. Damit wolle man unter anderem auf das Engagement des Konzerns im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit aufmerksam machen.

Google wiederum plant, wie in den Jahren zuvor ein globales Earth Day Doodle - so heißt das prominent angezeigte Logo der Suchmaschine – zu veröffentlichen, das dieses Jahr Besucher auf die Suchergebnisseite zum Suchwort „Klimawandel“ weiterleiten wird.

Tipp: Das Umweltbundesamt bietet einen Erklärfilm zum Thema Klimaneutral leben im Alltag sowie einen Rechner für die Ermittlung des eigenen CO2-Fußabdrucks.

Übrigens: Wer seinen CO2-Fußabdruck senken möchte, kann das schon allein dadurch tun, indem er sein Smartphone möglichst lange nutzt – und nicht jedes Jahr ein neues kauft.