Berlin. Wer zu wenig und schlecht schläft, bei dem ändert sich der Hormonhaushalt. Laut einer Studie hat das Folgen für das Körpergewicht.
Mehr schlafen und dadurch abnehmen – ganz ohne Diät und zusätzliche Bewegung? Was sich zu gut anhört, um wahr zu sein, kann zumindest für Menschen, die gewohnheitsmäßig zu wenig schlafen, tatsächlich funktionieren. Übergewichtige, die ihre Schlafdauer normalisieren, essen automatisch weniger und nehmen dadurch ab. Das zeigt eine Studie von Schlafforscherinnen aus den USA, die in der renommierten Fachzeitschrift „Jama Internal Medicine“ erschienen ist.
Die Arbeitsgruppe um Dr. Esra Tasali, die an der Universität von Chicago das Zentrum für Schlafforschung leitet, untersuchte 80 übergewichtige Freiwillige, die im Schnitt nicht mehr als sechseinhalb Stunden pro Nacht schliefen. Als optimale Schlafdauer gelten dagegen sieben bis acht Stunden.
Die eine Hälfte der Probanden wurde eingehend über eine bessere Schlafhygiene beraten. Anders, als der Begriff vermuten lässt, handelt es sich dabei nicht um Tipps für mehr Sauberkeit im Schlafzimmer, sondern um Maßnahmen, die zu einem besseren Schlaf beitragen sollen: Verzicht auf Alkohol etwa oder eine optimal Temperierung des Schlafzimmers (16 bis 19 Grad Celsius). Die andere Hälfte der Studienteilnehmer behielt ihre Schlafgewohnheiten bei. Keine der beiden Gruppen sollte bewusst etwas an ihrem Ernährungs- oder Bewegungsverhalten ändern. Auch interessant:Deshalb erkranken Übergewichtige öfter schwer an Corona
Bessere Schlafhygiene: Probanden schliefen im Schnitt 1,2 Stunden länger
Die Tipps für einen besseren und vor allem längeren Schlaf zeigten Wirkung: Den über eine bessere Schlafhygiene aufgeklärten Probanden gelang es im Schnitt 1,2 Stunden länger zu schlafen. Damit erreichten sie die empfohlene Schlafdauer von sieben bis acht Stunden. „Die Normalisierung der Schlafdauer führte dazu, dass die Studienteilnehmer tagsüber deutlich weniger aßen als zuvor und in der Folge abnahmen“, schreiben Tasali und ihre Kolleginnen. Lesen Sie auch:Stress - das sind die häufigsten Ursachen
Im Schnitt nahmen die länger schlafenden Probanden pro Tag 270 Kilokalorien weniger zu sich als die Studienteilnehmer, die weiterhin zu wenig schliefen. Am Energieverbrauch der Probanden habe sich dagegen nichts geändert, so die Forscherinnen. Die Gewichtsabnahme ging also primär auf die reduzierte Nahrungsmenge zurück. In der Gruppe mit normalisierter Schlafdauer nahmen die Teilnehmer über zwei Wochen im Schnitt ein halbes Kilo ab. Die weiter zu wenig schlafenden Probanden nahmen in der gleichen Zeit sogar fast 400 Gramm zu.
Blutfettwerte und Zuckerstoffwechsel verschlechtern sich
Dass zu wenig Schlaf negative gesundheitliche Folgen haben kann, weiß man bereits aus früheren Studien. „Eine Schlafdauer von weniger als sieben bis acht Stunden pro Nacht kann bei Erwachsenen zu einer Störung des Energiegleichgewichts führen – und in der Folge zu einer Gewichtszunahme, einer Verschlechterung der Blutfettwerte und des Zuckerstoffwechsels“, sagt Prof. Sebastian Meyhöfer, Direktor des Instituts für Endokrinologie und Diabetes an der Universität zu Lübeck. „Verkürzt man bei gesunden Probanden im Schlaflabor die Schlafdauer, indem man sie zum Beispiel vorzeitig weckt, entwickeln sie eine Stoffwechsellage, die man sonst bei Menschen sieht, die kurz davor stehen, an einem Diabetes mellitus zu erkranken.“
Für den Endokrinologen ist es deshalb wichtig zu sehen, dass eine Normalisierung der verkürzten Schlafdauer – wie in der US-Studie veranschaulicht – zumindest kurzfristig zu einer Reduktion der Nahrungsaufnahme führt. „Die Nahrungsaufnahme wird über verschiedene Hormone reguliert“, erklärt er. Während das Sättigungshormon Leptin dem Körper signalisiert, dass es an der Zeit ist, mit dem Essen aufzuhören, drängt das Hungerhormon Ghrelin zur weiteren Nahrungsaufnahme. „Studien aus der Schlafforschung zeigen, dass es nach Schlafentzug zu einem Abfall der Leptin- und einem Anstieg der Ghrelin-Konzentration kommt. Daraus folgt, dass es zu weniger Sättigung und mehr Hunger oder Appetit kommt, was dann zu einer vermehrten Nahrungsaufnahme führen kann“, so Meyhöfer. Auch interessant: Forscher weisen nach: Gehirn räumt im Schlaf auf
In der ersten Nachthälfte überwiegt der Tiefschlaf
Der Lübecker Endokrinologe warnt aber davor, die Studienergebnisse falsch zu interpretieren: „Es geht nicht darum, generell länger zu schlafen, sondern die Schlafdauer zu normalisieren.“ Denn Studien zeigen, dass auch Menschen mit einer sehr langen Schlafdauer von deutlich mehr als acht Stunden ein erhöhtes Risiko für eine ungünstige Stoffwechsel- und Gewichtsentwicklung haben. „Zu viel Schlaf ist nicht gut – und zu wenig auch nicht. Knackpunkt der US-Studie war, dass die Probanden von Haus aus keine normale Schlafdauer hatten.“
Die Schlafforscherin Tasali und ihre Kolleginnen sehen in ihren Studienergebnissen Potenzial für die Behandlung von Übergewicht und Adipositas: „Eine gesunde Schlafdauer zu erreichen und langfristig aufrechtzuerhalten, könnte Teil von Programmen zur Gewichtsreduktion sein“, schreiben sie. Lesen Sie auch:Diese Mundsperre soll beim Abnehmen helfen
Meyhöfer, der selbst an dem Zusammenhang zwischen Schlaf und Gewicht forscht, weist zudem darauf hin, dass nicht nur die Schlafdauer zählt. „Wichtig ist auch die Schlafqualität“, sagt er. Der Schlaf besteht aus 90-minütigen Zyklen. In der ersten Nachthälfte überwiegt der Tiefschlaf. In der zweiten Nachthälfte überwiegt der Anteil an REM-Schlaf, in dem wir träumen. „Wird diese Schlafarchitektur gestört, hat das für Gewicht und Stoffwechsel die gleichen negativen Veränderungen wie eine Verkürzung der Schlafdauer“, sagt Meyhöfer. Ein guter Nachtschlaf sollte also nicht nur sieben bis acht Stunden lang, sondern auch von guter Qualität sein.