Hamburg. Verbraucherschützer Armin Valet über Tricks der Hersteller bei Verpackungsgrößen und wie Kunden versteckte Preiserhöhungen erkennen.
Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg ist Experte für Lebensmittelrecht. Im Interview spricht er über die "Mogelpackung des Jahres" 2021 und die Gründe, warum die Politik nichts gegen die gängige Praxis der Hersteller unternimmt.
Herr Valet, kürzlich hat die Verbraucherzentrale Hamburg die Mogelpackung des Jahres 2021 verliehen. Wer hat es bei dieser unrühmlichen Auszeichnung auf das Treppchen geschafft?
Armin Valet: Auf den ersten Platz hat es dieses Mal die Firma Homann mit ihrer "Paprika Sauce""geschafft. Und das mit einer großen Mehrheit von mehr als 50 Prozent bei der Abstimmung. Die Preiserhöhung bei diesem Produkt betrug 88 Prozent, weil statt 500 Milliliter seit 2021 nur noch 400 Milliliter Sauce pro Glas abgefüllt werden. Gleichzeitig wurde der Preis im Handel in manchen Märkten von 0,99 auf 1,49 Euro angehoben. Auf dem zweiten Platz landete der Schokoriegel "Kitkat" von Nestlé. Anstatt fünf Riegeln enthält die neue Verpackung nur noch vier zum gleichen Preis. Das ist ein Klassiker bei den Mogelpackungen. Beim dritten Platz hat Bahlsen eine Namensänderung beim Waffelgebäck "Afrika" zu "Perpetum" genutzt, um die Füllmenge von 130 Gramm auf 97 Gramm zu reduzieren, obwohl die Packung quasi gleich groß ist. Im Handel liegt der Preis meist weiterhin bei 1,99 Euro.
Die Mogelpackung des Jahres ist aber nur die Spitze des Eisbergs, die Verbraucherzentrale Hamburg erreichen immerhin 2000 bis 3000 Meldungen pro Jahr.
Ja, das zeigt, dass das Mogeln gängige Praxis ist. Bei diesen Meldungen zählen wir sowohl verstecke Preiserhöhungen als auch überdimensionierte Verpackungen mit viel Luft. Und das zieht sich quer durch den Supermarkt und alle Warengruppen. Im Bereich Süßwaren ist es vielleicht ein bisschen mehr, aber auch etwa Drogerieartikel sind betroffen.
Viele Unternehmen schreiben sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen. Wie passt das zu Mogelpackungen, in denen unnötig Luft und damit zusätzliches Verpackungsmaterial steckt?
Homann beispielsweise benötigt 25 Prozent mehr Einweggläser, um die gleiche Menge Soße abzufüllen. Bahlsen braucht für sein Waffelgebäck wegen der verringerten Füllmenge pro Tonne Kekse 2600 Stück mehr an Umverpackungen, Plastiktrays und -folien. Und bei den "Wurzener Waffelblättchen" von Griesson – de Beukelaer steckt die gleiche Menge Kekse in einer fast doppelt so großen Packung. Die Aussagen in den ganzen Nachhaltigkeitsberichten der großen Konzerne sind in dieser Hinsicht Lippenbekenntnisse. Wenn es drauf ankommt, dann scheint sich die Marketingabteilung durchzusetzen und andere Dinge sind wichtiger.
Wir haben jetzt viel über die Hersteller gesprochen; sie allein tragen aber nur einen Teil der Verantwortung.
Genau. Diese versteckten Preiserhöhungen sind eine Win-win-Situation für Hersteller und Händler. Die Hersteller sparen Produktionskosten, die Händler, die allein die Preise festlegen dürfen, müssen nicht die "erlernten" Preise ändern. Die Händler haben großes Interesse daran, dass Schwellenpreise von 1,99 und 2,99 Euro nicht überschritten werden. Die Zeche zahlen aber trotzdem die Verbraucher. Die Methode funktioniert also, wenn beide Seiten mitspielen.
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Warum unternimmt die Politik nichts, obwohl dieses Problem seit vielen Jahren bekannt ist?
Ja, da gibt es auch Verärgerung und Frust bei uns als Verbraucherzentrale. In den vergangenen zwei Jahren hat uns das Bundesjustizministerium in Aussicht gestellt, dass sich hier etwas bewegen würde. Es hieß wörtlich, dass man bei den Verpackungen für mehr Klarheit sorgen will. Leider ist nichts passiert.
Es gab zwar schon Gesetzesänderungen in der Fertigpackungsverordnung oder im Verpackungsgesetz. Dort steht drin, dass das Gesetz dafür sorgen soll, Verpackungsmüll zu vermeiden. In der Umsetzung ist das aber einfach zu schwammig formuliert und es fehlen konkrete Vorgaben. Eine Verwaltungsrichtlinie, in der steht, dass Verpackungen nur 30 Prozent Luft haben dürfen, ist über 40 Jahre alt. Ob diese heute vor Gericht Bestand hätte, wird von manchen Experten bezweifelt. Deshalb können wir auch als Verbraucherzentrale kaum mit Abmahnungen gegen Mogelpackungen vorgehen.
Was müsste passieren?
Die Politik müsste sich durchringen, klare Vorgaben zu machen, in denen keine Spielräume vorhanden sind. Die Lebensmittelindustrie bekommt es doch auch hin, beispielsweise Mehl- und Zuckerpackungen randvoll zu füllen. Das dürfte auch bei anderen Lebensmitteln und Drogerieartikeln ohne Weiteres möglich sein. Ausnahmen dürfte es nur geben, wenn es technisch in der Produktion nicht anders möglich ist.
Im Zuge der Bekanntgabe der Mogelpackung des Jahres 2021 haben Sie sich für ein Onlineportal ausgesprochen, das Verpackungsänderungen transparent macht. Warum gibt es so was nicht schon längst?
Mit unserer Mogelpackungsliste machen wir das ja schon in gewisser Weise. Aber für einen durchschlagenden Erfolg wäre auch hier wieder die Politik gefragt. Es müsste eine Verpflichtung für die Hersteller geben, Mengenänderungen vorab zu melden. Dann wäre auch eine App denkbar, die mit solchen für Benzinpreise vergleichbar wäre. Aktuell ist es so, dass die Verbraucher im Supermarkt gar nicht bemerken, dass sich mit der Verpackung auch die Mengen geändert haben. Häufig fällt es dann erst zu Hause auf, wenn noch eine alte Verpackung im Schrank steht oder das Produkt in ein anderes Behältnis umgefüllt wird, das dann plötzlich nicht mehr so voll wird. Das erreicht uns dann meist, weil die Verbraucher eine E-Mail schreiben und uns auf die Mogelpackung aufmerksam machen.
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Was können Verbraucher bereits heute tun, um sich vor Mogelpackungen zu schützen?
Das ist sehr schwierig. Im Grunde muss man beim Einkauf wissen, welche Mengen in den jeweiligen Produkten enthalten sind, um einen Unterschied feststellen zu können. Warnsignale sind auf jeden Fall, wenn es einen sogenannten Produkt-Relaunch gegeben hat. Das heißt, wenn sich das Design oder die Aufmachung der Verpackung verändert hat. Oder es stehen auf dem Etikett Hinweise wie "Jetzt mit neuer Rezeptur" oder "Unverändert lecker".
Zur Person
Armin Valet ist staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker. Studiert hat er in Karlsruhe und Bonn. Bei der Verbraucherzentrale Hamburg ist der 55-Jährige seit 2000 als Referent für Öffentlichkeitsarbeit in der Abteilung Ernährung und Lebensmittel. Dort beschäftigt er sich hauptsächlich mit Lebensmittelrecht, speziell die Kennzeichnung von Lebensmitteln, dem Lebensmittelhandel und Eichrecht. Das spielt vor allem eine Rolle bei der Prüfung von Mogelpackungen.