Berlin. Cannabiskonsum soll legal werden. Die Forschung zu Gesundheitsschäden steht noch am Anfang – hat aber eindeutige Hinweise gesammelt.

Die Cannabis-Legalisierung kommt, die Ampel wird das Gras freigeben. Vieles über die Legalisierung der Droge ist noch unklar, sicher ist nur: Ein dickes "Ab 18 Jahren" wird über jedem Gramm stehen. Nur Erwachsene sollen Cannabisprodukte kaufen dürfen – und das aus gutem Grund.

Weil das Bundesgesundheitsministerium – in der Drogenpolitik federführend – lange mit der Coronapandemie eingespannt war, ließ ein Gesetzesvorschlag zur Legalisierung noch auf sich warten. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellte aber bereits ein paar Eckpfeiler vor. Verkauft werden soll Cannabis laut dem Minister in Fachgeschäften, von geschultem Personal, das in der Lage sein soll, "Auskünfte über die Produkte zu erteilen und riskantem Cannabiskonsum, insbesondere bei erkennbar Suchtkranken, entgegenzuwirken". Auch interessant: Cannabis-Legalisierung – So könnte der Verkauf aussehen

Auch dem Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, sind die Risiken von Cannabiskonsum bekannt. In der Parteizeitung "Vorwärts" wies der SPD-Politiker und Befürworter der Legalisierung im November vergangen Jahres darauf hin, missbräuchlicher Drogenkonsum führe "bei vielen Menschen auch bei erlaubtem Konsum zu gesundheitlichen Schäden".

Ziel der neuen Regierung sei es daher, Cannabisprodukte in den Umlauf zu bringen, die "geprüft, sicher und freigeben sind", deren Inhaltstoffe festgelegt und legal seien, und deren Anbau registriert sei.

Was die Forschung über Cannabis weiß

"Cannabis ist sicher keine ganz harmlose Substanz", sagt auch Ulrich Preuss von der Universitätsklinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik Halle-Wittenberg, "vor allem bei regelmäßigem Konsum." Mehr dazu: Cannabis – Legaler Kauf und Konsum sollen 2023 möglich werden

Preuss hat zusammen mit anderen Forschenden für das Bundesgesundheitsministerium eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme zu Potenzial und Risiken von Cannabis zusammengetragen. Auf rund 500 Seiten werteten sie zwischen Oktober 2015 und September 2017 deutsch- und englischsprachige Forschungsliteratur methodisch aus. Gefragt wurde dabei unter anderem nach Risiken des Konsums für Kognition (die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen), für Organe wie Lunge und das Herz-Kreislaufsystem und Folgen für die Psyche.

Die Arbeit bildet auch fünf Jahre später noch den allergrößten Teil der Forschung ab. "Gerade auch was die Risiken für psychische und somatische Gesundheit angeht, hat sich nicht viel getan", sagt Preuss. Der Forschungsbedarf sei noch immer erheblich.

Die wichtigsten Infos über Cannabis
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    Organische Folgen weniger zu erwarten

    Am wenigsten Gedanken müssen sich Cannabis-Konsumierende laut jetzigem Stand der Forschung wohl über körperliche Folgen machen. Zwar kann der Konsum unmittelbar zu beschleunigtem Puls führen, zu Hustenreiz oder Schleimbildung. Langfristige Auswirkungen auf den Körper sind aber nicht bekannt. Auch erhöhtes Krebsrisiko für Kopf- und Halsbereich sowie Lunge scheint im Zusammenhang mit Cannabis nicht zu bestehen – wohl aber, wenn zusammen mit Tabak oder Alkohol konsumiert wird. Einige Studien berichten zudem von einem erhöhten Hodenkrebsrisiko.

    "Es scheint so zu sein, dass Cannabis im Erwachsenenalter weniger zu körperlichen Beschwerden führt eher zu psychischen", sagt Preuss. Er schränkt aber ein: "Was sicher nicht zu empfehlen ist, ist der Cannabiskonsum in der Schwangerschaft." Es gebe einige Hinweise darauf, dass dies ähnlich schädlich für den Nachwuchs sein kann wie das Rauchen in der Schwangerschaft.

    Psychische Folgen sind möglich

    Tatsächlich weiß die Forschung vor allem, dass die Psyche von Cannabiskonsum in Mitleidenschaft gezogen werden kann. Wer kifft, hat etwa ein erhöhtes Risiko an Depressionen oder Angststörungen zu erkranken oder sich mit suizidalen Gedanken zu tragen.

    Allerdings ist Cannabis nicht alleiniger Auslöser. "Vermutlich stehen psychische Erkrankungen und Cannabiskonsummuster in einem Wechselspiel", sagt Preuss. "Jemand hat psychische Probleme, konsumiert dann Cannabis, das auch eine angstlösende und entspannende Wirkung haben kann." Wird Cannabis dann abgesetzt, kämen Symptome mitunter schwerer zurück, was wiederum zu erhöhtem Konsum führe. "So schaukelt sich das hoch."

    Psychotisches Erleben bei Konsum

    Besonders häufig wird im Bereich möglicher psychischer Folgen auch vor Psychosen gewarnt. Betroffene erleben hier Wahnvorstellungen und Halluzinationen, verlieren den Bezug zur Realität und ihrem inneren Selbst. Die Warnungen sind nicht unbegründet, denn schon gelegentlicher Konsum erhöht die Häufigkeit des Auftretens solcher Störungen um das 1,4 bis 2-fache. Zur Einordnung: Von 100 Menschen erleben im Laufe ihres Lebens zwischen 1 und 2 eine Psychose – aber nicht nur, weil sie einen Joint geraucht haben.

    "Wer einmal Cannabis konsumiert, wird nicht sofort psychotisch", sagt Preuss. Zwar könnten sehr hohe Dosen Cannabis Intoxikationspsychosen auslösen, etwa Halluzinationen. Die seien aber kein chronischer Zustand. Sie verschwinden also, wenn der Körper die Stoffe im Blut abbaut. "Problematischer wird es, wenn Menschen eine biologische Veranlagung für solche psychotische oder affektive Erkrankungen haben."

    Anzeichen dafür lieferten eigenes psychotisches Erleben in der Kindheit und Jugend, "etwa Verfolgungsideen". Vorsicht ist auch angebracht bei Verwandten ersten Grades mit psychotischen Erkrankungen. "Liegt so eine Veranlagung beziehungsweise Beschwerden vor, ist das Risiko signifikant erhöht, dass sich eine dauerhafte Psychose einstellen kann, wenn regelmäßig Cannabis konsumiert wird", warnt Preuss. Betroffene müssten hier "vorsichtig beim Konsum von Cannabinoiden sein".

    Unbedenkliches Rauschmittel?

    "Unterm Strich steht Cannabis, was Schäden an der eigenen Gesundheit oder die Schädigung des persönlichen Umfelds angeht, im Mittelfeld", sagt Preuss. "Es gibt problematischere Substanzen, etwa Alkohol." Entscheidend ist eher, wann mit dem Konsum begonnen wird und wie das Konsumverhalten aussieht. "Grundsätzlich gilt, je später desto besser", so Preuss.

    Erwachsenen rät er auch, nicht zu häufig zu der Droge zu greifen – "einmal im Monat oder alle zwei Wochen". Zudem sollte der High-machende Wirkstoff THC weder in zu großen Mengen oder zu hoher Konzentration konsumiert werden. "Gelingt Erwachsenen diese Art des Gelegenheitskonsums, dann ist Stand der Forschungslage eher mit geringen psychischen oder körperlichen Folgen zu rechnen", sagt Preuss. Im Einzelfall könne das aber anders sein.

    Nichts für Kinder

    Kinder und Jugendliche sollten hingegen möglichst überhaupt keinen Zugang zu Cannabis haben. Zwar steht die Forschung auch hier noch am Anfang. Doch es gibt etwa Hinweise darauf, dass Cannabiskonsum bei Heranwachsenden zu erheblichen Entwicklungsstörungen im Gehirn führen kann.

    Der in Cannabis enthaltene Wirkstoff THC dockt an Cannabinoid-Rezeptoren im Körper an, die eigentlich die Schlösser für körpereigene Schlüssel sind, sogenannte Endocannabinoide. Die wiederum sind für verschiedene Körperfunktionen zuständig, unter anderem das Hungergefühl – und bei Kindern und Jugendlichen die Hirnentwicklung. Vor allem regelmäßiger Konsum steht daher im Verdacht, wichtige Reifungsprozesse im Gehirn zu behindern oder zumindest zu verlangsamen.