Berlin. Depression – die Krankheit verändert das Leben Betroffener und deren Partner komplett. Doch es gibt gute Wege, die Liebe zu schützen.
Ein Jahr und einige Monate waren Nadine Primo und Alex* ein Paar. Führten eine Beziehung im Schnelldurchlauf. Zwischen den beiden funkte es damals sofort. Nur sechs Monate nach ihrem Kennenlernen zogen sie zusammen. Der gemeinsame Alltag, die Beziehung: Alles sei sehr harmonisch gewesen. Bis Alex seinen Job verlor. Und in eine tiefe Krise stürzte.
Er zog sich zurück, sprach nur noch selten mit seiner Partnerin. „Er hat gekifft, statt Bewerbungen zu schreiben“, erinnert sich Primo. Sie übernahm den Haushalt, versuchte, ihren Partner zu stützen. „Irgendwann hat er seinen ganzen Frust, sein ganzes Leid auf mich projiziert. Je schlechter er sich fühlte, desto besitzergreifender wurde er.“
Anfangs lehnt Alex jede psychologische Hilfe ab. Eines Morgens sieht er seine Freundin an und sagt: „Ich wünschte, ich wäre tot.“ Primo ist schockiert, fühlt sich hilflos. Und schuldig. Denn was, wenn er es allein nicht schaffen würde, seine Trauer über den Jobverlust zu überwinden?
Krankheit Depression: Jede vierte Frau im Leben betroffen
Etwa jede vierte Frau und jeder achte Mann erkrankt im Laufe des Lebens an einer Depression. Laut einer Studie, die Anfang Oktober in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde, sind die Fälle von Depressionen und Panikattacken im ersten Jahr der Corona-Pandemie weltweit sogar um mehr als ein Viertel gestiegen. Auch homosexuelle Menschen erkranken laut Studien im Vergleich häufiger an Depressionen.
Eine Depression ist schwerwiegend, in manchen Fällen sogar lebensbedrohlich. Sie verändert das Leben Betroffener radikal. Und kann sich auch auf deren Partnerschaften auswirken. Die Gründe dafür sind vielfältig.
84 Prozent der Betroffenen ziehen sich während ihrer Erkrankung aus sozialen Beziehungen zurück – aus Sehnsucht nach Ruhe, Interesselosigkeit oder Erschöpfung. So das Ergebnis einer Studie des „Deutschland-Barometers Depression 2018“, die im Auftrag der Deutsche Bahn Stiftung und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe durchgeführt wurde.
Knapp drei Viertel der depressionserkrankten Befragten berichteten demnach auch davon, keinerlei Verbundenheit mehr zu Menschen zu empfinden. Mehr als 80 Prozent hätten sich innerhalb ihrer Partnerschaft unverstanden gefühlt.
All das hat weitreichende Folgen: So zerbricht fast jede zweite Beziehung zwischen einem gesunden und einem an Depression erkrankten Menschen unter dem Druck der Krankheit, die letztlich auf beiden Partnern lastet. Hinzu kommt, dass das Schwanken zwischen Ohnmacht und Verzweiflung Angehörigen so stark zusetzen kann, dass diese ebenfalls erkranken. So wie Primo.
Folgen von Schuldgefühl und Ohnmacht
Im Streit, erinnert sie sich, wird Alex eines Tages handgreiflich. Sie stürmt aus der gemeinsamen Wohnung, kommt bei einer Freundin unter. Ihr wird klar: So kann es nicht weitergehen. Trennen kann sie sich dennoch nicht sofort. Drei Monate und zwei Selbstmordversuche ihres depressiven Partners später zieht Primo aus, verlässt die Stadt und bricht den Kontakt ab. „Und dann ging es bei mir los“, sagt die 31-Jährige.
Nach der Trennung entwickelt sie Schlafstörungen, hat heftige Albträume, wacht schreiend und schweißgebadet auf. Tagsüber erleidet sie Panikattacken. Auf Ohnmacht und Schuldgefühle folgen eine mittelschwere Depression und ein Jahr Therapie. „Ich hätte viel früher gehen müssen“, sagt sie heute.
Mit dem Gefühl, Schuld auf sich geladen zu haben, ist Primo nicht allein. Laut Deutschland-Barometer entwickeln 73 Prozent der Angehörigen derartige Empfindungen gegenüber ihrer erkrankten Partnerin, oder ihrem erkrankten Partner. Weil sie sich für deren Genesung verantwortlich fühlen.
Angehörige sollten auf eigene Belastungsgrenze achten
Dabei ist es besonders für sie wichtig zu wissen: „Schuld an dem depressiven Zustand ist die Erkrankung Depression, nicht der Patient, oder die Patientin und auch nicht der Angehörige, selbst wenn es Konflikte gegeben hat“, sagt Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. So wichtig liebevolle Zuwendung sei, sie könne eine Depression ebenso wenig heilen wie einen Diabetes mellitus.
Angehörige von Erkrankten sollten auf ihre Belastungsgrenzen achten und sich, wenn nötig, um Unterstützung bemühen. Selbstfürsorge bedeutet auch, sich trennen zu dürfen. Ein Verpflichtungsgefühl sollte dem nicht im Weg stehen.
Mit depressivem Partner sich regelmäßig austauschen
Obwohl Beziehungen durch Depressionen gefährdet sein können, gibt es Wege, die Liebe zu schützen. Dazu gehört laut Hegerl, Depression als eine Erkrankung zu akzeptieren, die jeden Menschen treffen kann. Und sich eingehend über sie zu informieren.
„Partner sollten ihre Gefühle einander außerdem möglichst offen und regelmäßig kommunizieren“, rät der Psychologische Psychotherapeut und Paarberater Christoph Schubert. Deutliche Anzeichen längerer Verstimmung dürften nie unausgesprochen bleiben. „Hier sollte die Partnerin, oder der Partner auch kein Abblocken akzeptieren!“, so Schubert.
Depression in der Partnerschaft: Paartherapie als Chance
Darüber hinaus, raten Expertinnen und Experten, kann eine Paartherapie heilsam sein. Nicht nur, weil eine Therapeutin oder ein Therapeut dabei unterstützen kann, die Kommunikation innerhalb der Partnerschaft zu verbessern. Eine gemeinsame Behandlung, das legt eine aktuelle Studie der Universität Heidelberg unter Leitung der Diplom-Psychologin Corina Aguilar-Raab nahe, könne die Beziehung und das Vertrauen der Partner zueinander nachhaltig stärken. Was sie aber nicht vermag: die an Depression erkrankte Person zu heilen.
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Stattdessen können Angehörige Betroffene bei der Suche nach einem Therapieplatz unterstützen. Etwa indem sie einen Termin organisieren und die an Depression erkrankte Person dorthin begleiten, rät die Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Vor allem dann, wenn es Betroffenen an Kraft und Hoffnung fehle, sich selbst Hilfe zu suchen.
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* Name von Redaktion geändert.