Berlin. Fremde Tier- und Pflanzenarten wandern in Deutschland ein. Landwirten drohen massive Ernteschäden. Aktuelle Gefahr: Der Japankäfer.
Der Japankäfer ist gefräßig – und eine Bedrohung. Er macht sich her über Ahorn, Buche, Eiche und Flieder, Schneeball, Thuja, über Dahlien und Astern, über Mais, Kartoffeln, Spargel, über Apfel-, Kirsch-, Pflaumenbäume und Weinreben. Er hat Appetit auf die Blätter, auf Blüten und Früchte von rund 300 Pflanzenarten. Auch Wiesen und Weiden sind vor ihm nicht sicher. Sie nutzt er als Kinderstube.
Dabei sieht er dem Maikäfer zum Verwechseln ähnlich. Der Halsschild schillert metallisch, die Flügel sind braun. Eins ist dann doch anders: Der Japankäfer hat an den Seiten jeweils fünf weiße Haarbüschel. Und zwei am Ende des Körpers. Außerdem spreizt er die Hinterbeine seitlich ab, wenn er gestört wird. Daran lässt er sich erkennen. Das ist entscheidend, weil ihm die Ankunft in Deutschland schwer gemacht werden soll. Das Julius-Kühn-Institut (JKI) bittet alle um Hilfe (siehe unten).
Japankäfer in Deutschland: Grenzgebiet zur Schweiz im Fokus
Das JKI ist zuständig für die Krankheitsüberwachung von Pflanzen – und alarmiert, seit der Japankäfer Mitte Juli in eine Insektenfalle in der Nähe des Baseler Güterbahnhofs im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet getappt ist. Eigentlich stammt Popillia japonica, so der lateinische Name, aus Asien. Dort ist er unauffällig.
Vor etwa 100 Jahren aber wurde er bereits in die USA eingeschleppt. Er hat dort keine natürlichen Feinde und hinterlässt großen Fraßspuren. In den 1970er-Jahren tauchte er dann auf den Azoren auf. 2014 reiste er vermutlich als blinder Passagier mit dem Flugzeug von dort nach Norditalien. Er macht seinen Weg – um zu bleiben.
„Invasive Arten“: So gelangen Schädlinge nach Europa
Biologen wie Phillip Haubrock vom Senckenberg-Forschungsinstitut und Naturmuseum zählen ihn zu den „invasiven Arten“, zu den fremden Spezies, die in neue Regionen vordringen und sich dort auf Kosten anderer breitmachen. Sie kommen nicht nur per Flugzeug, auch per Schiff oder mit dem Laster.
Sie reisen mit im Erdballen, wenn Topfpflanzen für Privatleute oder Gewächse für Baumschulen aus dem Ausland importiert werden. Mitunter werden sie auch – wie die Rote Feuerameise – als exotische Haustiere gehandelt, büxen dann aber aus.
Berühmt dafür sind die Schwärme von grünen asiatischen Halsbandsittichen, die nun in der Düsseldorfer Königsallee fliegen. Andere Arten schwimmen in den Ballastwassertanks von Schiffen. Oder sie setzen sich – wie der Japankäfer es mit den Haken an seinen Beinen kann – im Gepäck, am Haustier, am Fahrzeug fest.
Reisende aus Italien sollen, so fordert das JKI, darum besonders auf den verdächtigen Käfer achten. Aber auch alle Gärtner und Landwirte, vor allem in Baden-Württemberg. „Erst einmal hier, wird der Käfer sich voraussichtlich sehr wohlfühlen, ihm behagt das Klima hier“, sagt Biologe Haubrock. „mit allen ökonomischen Schäden.“
Eindringlinge zählen zu den großen Verursachern von Kosten
Haubrock ist einer der wenigen in Deutschland, die sich mit den wirtschaftlichen Folgen der Eindringlinge befassen. Gerade erst hat er den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zusammengetragen: Mit internationalen Kollegen hat er die Datenbank Invacost durchforstet, in der einzelne Schäden, die invasive Arten auf der Welt verursacht haben, erfasst sind.
Demnach gehört zu den fünf größten Kostenverursachern europaweit bislang: die Wanderratte, die ursprünglich aus den Steppen in Sibirien, Nordchina und der Mongolei kommt und alles annagt. Der Asiatische Eschenprachtkäfer, der Eschen so zusetzt, dass sie binnen zwei Jahren sterben. Das Wildkaninchen, das einst allein in Iberien und Nordafrika vorkam, sich längst aber auch in Deutschland oft zu vielen tummelt, Beete kahl frisst, auch Seuchen bringen kann.
Das Beifußblättrige Traubenkraut, die Ambrosia artemisiifolia, das aus Nordamerika eingeschleppt wurde und in der Landwirtschaft sowie für Allergiker ein Schrecken ist. Und zu guter Letzt die Plattwurmart Gyrodactylus salaris, ein Fischparasit, der auch Lachsen zu schaffen macht.
Japankäfer und Co.: Neuankömmlinge verdrängen heimische Arten
Insgesamt haben invasive Arten in den vergangenen 60 Jahren in Europa Schäden von gut 116 Milliarden Euro verursacht. Allein in Deutschland sind es geschätzte 8,21 Milliarden. Betroffen sind vor allem Land- und Forstwirtschaft. Das ökologische Desaster ist da noch gar nicht eingerechnet. Die Neuankömmlinge können heimische Arten verdrängen.
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Noch würden die teuren Eindringlinge nicht ernst genug genommen, kritisiert Haubrock. Es mangele an Erhebungen, Berichterstattung und Vorsorge. Ihre Ankunft müsse besser verhindert werden. „Die Invasionsraten steigen mit der Globalisierung und einer immer vernetzteren Welt weiter,“ sagt er, „wir müssen davon ausgehen, dass auch die wirtschaftlichen Kosten diesem Trend folgen.“ Die Kosten durch wirtschaftliche Schäden hätten sich in der Vergangenheit in jeder Dekade verzehnfacht.
EU erstellt Liste der 20 gefährlichsten Schädlinge
Erkannt ist das Problem allerdings längst. Die EU hat in einer „Unionsliste“ 66 Pflanzen- und Tierarten benannt, die als invasiv und damit gefährlich gelten. Darüber hinaus hat sie 20 Arten als „prioritäre Schädlinge“ eingestuft, weil sie als schwerwiegende Bedrohung gelten, darunter der Japankäfer. Wird er gefunden, ergreifen die Behörden laut JKI „Ausrottungs- und Monitoringmaßnahmen, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten geeinigt haben“.
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„Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nimmt das Auftreten des Japankäfers in Basel sehr ernst“, so eine Sprecherin. Verstärkte Beobachtung sowie die Beteiligung der Öffentlichkeit seien die wichtigsten Maßnahmen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Baden-Württemberg, der Bund, die französischen und schweizerischen Behörden hätten nach dem Fund in Basel sofort reagiert: „Es gibt eine konzertierte Überwachung.“
Wo kann ich verdächtige Käfer-Funde melden?
Wer verdächtige Käfer sieht, soll sie tot oder lebendig fangen, in einem Röhrchen oder Gläschen verschließen, das Funddatum draufschreiben und es dann den Behörden übergeben. Das Julius-Kühn-Institut hat eine Liste der zuständigen Stellen zusammengestellt.
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