Berlin. Fake News, Mobbing und Hass im Netz belasten viele Jungen und Mädchen. Was Eltern tun können und welche Seiten Experten empfehlen.
„Ich weiß das, es steht doch im Internet!“ Die meisten Eltern werden den Satz schon gehört haben von ihrem Kind. Knapp die Hälfte der 6- bis 13-Jährigen besitzt ein Smartphone mit Netzzugang, bei den älteren sind es fast alle. In Corona-Zeiten nutzen sie das Internet, soziale Netzwerke und Messenger sogar mehr als je zuvor.
Wie häufig Kinder dabei auf Falschmeldungen, sogenannte Fake News stoßen, zeigt eine neue Umfrage des Forsa-Instituts: 86 Prozent der jungen User sind bereits auf Meldungen gestoßen, die sie als falsch einschätzten. Das Problem dabei: Nur eine Minderheit (25 Prozent) denkt, echte von gefälschten Nachrichten sicher unterscheiden zu können. Viele Falschmeldungen werden geglaubt.
Fake News im Netz: Kinder besonders gefährdet
„Wir raten Eltern, ihr Kind schon früh darüber aufzuklären, dass nicht alles wahr ist, was im Internet steht“, sagt Deborah Woldemichael, Leiterin der EU-Initiative klicksafe, die in Deutschland von den Medienanstalten Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz umgesetzt wird. Es gibt einen zweiten kritischen Punkt: Jugendliche sind von Fake News oft persönlich betroffen – Stichworte Cyber-Mobbing und Beleidigung – oder sie sehen sich indirekt bedroht.
Laut Umfrage betrachten 90 Prozent Falschmeldungen als Gefahr, weil sie zu allgemeiner Verunsicherung, Hass, Hetze, Ausgrenzung oder Diskriminierung anderer führen können. Etwa die Hälfte sagt, im Internet binnen eines Monats auf Hassbotschaften (53 Prozent), extreme politische Ansichten (45 Prozent) oder Verschwörungstheorien (43 Prozent) gestoßen zu sein.
Weil Kinder und Jugendliche besonders aktive Teilnehmer sozialer Netzwerke sind, ist für sie das Risiko, auf sogenannte Hassreden (Hate Speech) zu treffen, sogar größer als für Erwachsene, warnt das vom Bund geförderte Medienportal „Schau-hin!“. Und das Deutsche Kinderhilfswerk sieht Eltern, Kitas und Schulen in der Pflicht, junge Leute „stärker als bisher für den Umgang mit Risiken und Fake News im Netz zu befähigen“.
Kindern Rüstzeug gegen Falschmeldungen vermitteln
Welches Rüstzeug benötigen die Kinder? Die Klicksafe-Fachleute empfehlen, den Heranwachsenden bestimmte Kompetenzen im Elternhaus früh zu vermitteln: kritisches Lesen, das Prüfen von Quellen und Faktenchecks – „ebenso wie die Bereitschaft, Falschinformationen aktiv zu melden und nicht leichtsinnig weiterzuverbreiten“.
Von der scheinbar einfachen Lösung, Kindern den Zugang zu sozialen Netzwerken zu verbieten, rät die EU-Initiative ab. „Der Kontakt mit Fake News und Verschwörungserzählungen im Internet lässt sich kaum verhindern. Der Versuch, diese Gefahr zu umgehen und dem Kind einzelne Seiten zu verbieten, ist daher langfristig nicht zielführend“, sagt Klicksafe-Expertin Woldemichael.
Auch das Begleiten und Kontrollieren des Kindes im Netz stoße früher oder später an Grenzen. Deshalb lautet die Empfehlung: „Das wichtigste Mittel, um das Kind vor Desinformationen zu schützen, ist, es zu befähigen, das Internet kompetent und sicher zu nutzen.“ Dabei helfen folgende Schritte und Tipps:
Drei Experten-Tipps im Umgang mit Fake News bei Kindern
1. Infochecks: Kinder sollten wissen, dass es Menschen gibt, die mit gezielt verbreiteten Falschinformationen Meinungen beeinflussen oder auch Geld verdienen möchten. Ein gesundes Misstrauen im Umgang mit Informationen könne den jungen Leuten helfen, Nachrichten besser einzuordnen und zu hinterfragen, so die Medien-Experten. Beim Quellen- und Faktencheck sollte etwa geprüft werden, ob die Informationen aktuell sind, von wem sie stammen, und ob die Bilder zum Text passen oder möglicherweise bearbeitet sind.
Tipp: Ein kostenloses Lernmodul „Lügner und Betrüger im Internet“ bietet die von den Landesmedienanstalten getragene Homepage „Internet-ABC“ an. Beim spielerischen Klicken erfahren junge Nutzer, welche Gefahren im Internet lauern und wie sie am besten reagieren. Ältere Kinder können auf der Internet-ABC-Seite eigene Beiträge zum Thema Fake News verfassen.
2. Gespräche in der Familie: Besonders in unsicheren Zeiten wie jetzt in der Corona-Krise können Eltern wichtige Gesprächspartner für die Kinder sein. Das Weltgeschehen sollte gemeinsam thematisiert und über verschiedene Meinungen gesprochen werden, empfehlen die Klicksafe-Fachleute.
Tipp: Es gibt Spezial-Suchmaschinen wie „FragFinn“ und „Blinde Kuh“, die nur Quellen anzeigen, die Medienpädagogen als kindersicher einstufen. So werden Jüngere zwischen etwa 6 und 12 Jahren geschützt vor ungeeigneten und gefakten Beiträgen, auf die sie bei einer Google-Suche stoßen können. Für Ältere bereitet die Bundeszentrale für politische Bildung auf der Jugend-Webseite „Hanisauland“ aktuelle Themen jugendgerecht auf.
3. Melden: Klicksafe rät Eltern, Fakten gemeinsam mit den Kindern zu checken und erkannte Falschmeldungen der Plattform, auf der sie stehen, zusammen mit dem Kind zu melden. Hat eine andere Person die Nachricht bereits weitergeleitet, sollte sie „respektvoll“ auf Fehler hingewiesen werden.
Tipp: Um Fakes in sozialen Netzwerken aufzudecken, empfiehlt das von Bund und Ländern getragene Internet-Kompetenzzentrum Jugendschutz.net eine Recherche auf bekannten Nachrichtenseiten im Internet, zu denen die Angebote von Tageszeitungen gehören. „Ergeben sich dort keine Treffer, ist es ziemlich sicher, dass die Information erfunden wurde“, so die Jugendschutz-Experten.
Wichtig auch: Es gibt Portale und Fake-Suchmaschinen, auf denen Eltern mit den Kindern entdeckte Falschnachrichten untersuchen können, etwa die Website hoaxsearch.com.
Kostenlose Beratung per Messenger oder Webformular
Fast 30 Prozent der 12- bis 19-Jährigen sind bereits Opfer beleidigender oder falscher Äußerungen im Internet geworden, ergab eine Umfrage des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (JIM-Studie 2020).
Deshalb gibt es die Beratungsplattform juuuport.de Junge Leute, die Probleme im Netz haben, können sich dort mit ihren Sorgen an sogenannte Scouts im Alter zwischen 14 und 22 Jahren wenden, die für diese Aufgabe von Experten ausgebildet wurden. Die kostenlosen Beratungen per Messenger oder Webformular organisiert der gemeinnützige Verein Juuuport unter dem Dach der Niedersächsischen Landesmedienanstalt.