Berlin. „Verwahrentgelte“ ihrer Bank verunsichern immer mehr Sparer. Warum das ein Denkfehler ist – und welche Anlagestrategie nun weiterhilft.

Der Blick auf die Zinsen macht vielen Sparern immer schlechtere Laune. Null Komma null Prozent sind längst Standard, doch nun finden immer mehr private Sparer auch noch ein Minuszeichen auf ihrer Zinsabrechnung. Die Postbank etwa nimmt vom Tagesgeld ihrer Neukunden seit einigen Tagen 0,5 Prozent Negativzinsen ab 25.000 Euro. Auch viele Volksbanken und Sparkassen kassieren als „Verwahrentgelt“ bezeichnete Minuszinsen – einige sogar ab dem ersten Euro.

Damit scheint die traditionelle Vereinbarung ungültig zu sein: Sparer bringen ihr Geld zur Bank, und die zahlt für das geliehene Geld in Form von Zinsen. Viele erinnern sich noch gut an Zinsen von 3 oder 4 Prozent. Wie das Geld jedes Jahr etwas mehr wurde. Aber war das wirklich so?

Negativzinsen: Früher haben Sparer mehr Rendite bekommen – oder?

Der Schein trügt. Denn ein Faktor wird in dieser Rechnung gerne übersehen: die Inflation. Experten betrachten deshalb nicht die Zinsen im Bankaushang, sondern die sogenannten Realzinsen. Das ist der Zins, der nach Abzug der Inflation übrig bleibt. Ob das Geld auf der Bank weniger oder mehr wert ist, hängt nämlich auch davon ab, wie stark die Preise steigen.

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es viele Phasen, in denen die realen Zinsen aufgrund hoher Inflation deutlich im Minus lagen. In den 46 Jahren von 1975 bis 2020 waren die realen Zinsen auf Sparbüchern und Tagesgeldkonten in 34 Jahren negativ. Im Schnitt lagen sie bei rund minus 0,3 Prozent. Das Ersparte derjenigen, die immer nur zum Durchschnittszins angelegt haben, verlor real an Wert.

Rückblick: Bis zum Jahr 2000 waren die Realzinsen viele Jahre negativ

Anfang der 1970er-Jahre ließ der Ölpreisschock die Inflation extrem steigen. Bis Anfang der Achtziger blieben die realen Zinsen negativ, lagen phasenweise bei minus 2 Prozent. Dabei gab es auf das Sparbuch rund 4 Prozent – die Inflation lag zugleich bei 6 Prozent. Auch Anfang der Neunziger, kurz nach der Wiedervereinigung, rutschten die Realzinsen wegen hoher Inflation für ein paar Jahre deutlich ins Minus.

Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die realen Zinsen für den Sparbuch-Nachfolger Tagesgeld seit 2004 sogar fast durchgehend im Minus waren – insbesondere nach der Finanzkrise, mit deren Folgen die EU-Wirtschaft bis heute kämpft. Unter anderem um finanzschwächere EU-Staaten und damit den Euro vor dem Kollaps zu bewahren, hat die Europäische Zentralbank (EZB) diverse Maßnahmen ergriffen – darunter die anhaltende Senkung des Leitzinses.

Minuszinsen ärgern heute viele Anleger. Ein Mix aus Tagesgeld, Festgeld und ETFs kann den Verlust abfedern.
Minuszinsen ärgern heute viele Anleger. Ein Mix aus Tagesgeld, Festgeld und ETFs kann den Verlust abfedern. © iStock | istock

Trotz Minuszinsen: Entspannt bleiben und gelassen investieren

Die wirtschaftliche Theorie dazu ist folgende: Ist der Leitzins niedrig, steigen die Preise, weil Verbraucher Geld ausgeben und Unternehmen investieren. Sparen lohnt nicht – Kredite aufnehmen schon. Die EZB möchte damit eine Inflation von annähernd 2 Prozent erreichen. Das gilt als ideal für die wirtschaftliche Stabilität – der Eurozone, aber auch von Deutschland.

Der Grund: Nicht nur zu stark steigende Preise gefährden den Wohlstand, sondern auch sinkende Preise, und die EZB plant mit einem „Sicherheitspuffer“ zur Nulllinie. Sprich: Damit die Preise auf Dauer stabil bleiben, müssen sie kontinuierlich – zumindest etwas – steigen.

In der Praxis hat das aber nicht wie gewünscht funktioniert. Mitte der 2010er-Jahre lag die Inflation sogar bei unter einem Prozent. Daher musste die EZB die Zinsen erneut senken und durch Anleihekäufe weiter Geld in den Markt pumpen. Das Ergebnis: Von 2017 bis 2019 lag der Realzins so niedrig, dass 10.000 Euro auf einem unverzinsten Konto pro Jahr zwischen 140 und 170 Euro an Kaufkraft verloren.

Für Sparer ist wichtig, die Inflation mitzudenken, sich aber nicht beunruhigen zu lassen von Diskussionen – wie der derzeitigen um eine höhere Preissteigerung durch den Aufschwung nach der Corona-Krise. Aktuelle Negativzinsen der Banken sind ärgerlich, aber es gibt einen Ausweg.

Dieser Mix kann aktuelle Verluste abfedern

Der Reihe nach: Für den Notgroschen von zwei bis drei Nettogehältern nutzen Sparer am besten ein Tagesgeldkonto. Eine aktuelle Umfrage des Geldratgebers Finanztip zeigt, dass die meisten der größten deutschen Banken keine Zinsen mehr aufs Tagesgeld bieten und auf Summen über 50.000 oder 100.000 Euro Negativzinsen fordern. Häufig lohnt es sich daher nicht, ein Tagesgeldkonto bei der Bank zu nutzen, bei der auch das Girokonto läuft.

Denn auch ein Zins von null Prozent ist nach Abzug der Inflation ein Negativzins. Es gibt aber noch ein paar positive Zins-Angebote. Die besten Angebote – gefiltert nach strengen Stabilitätskriterien – finden Interessierte im Tagesgeld-Rechner von Finanztip.

Da 0,2 Prozent Zinsen aufs Tagesgeld, aktuell das beste Angebot für alle Kunden, aber real ebenfalls zu einem Wertverlust führen, sollten Sparer auch an ein Festgeldkonto denken, das etwa schon für ein Jahr einen höheren Zins garantiert. Zwar sind die Realzinsen dafür derzeit auch negativ, aber zumindest weniger als jene fürs Tagesgeld.

Und: Sowohl auf dem Tages- als auch auf dem Festgeldkonto ist das Ersparte bis zu 100.000 Euro pro Bank sicher. Sollte eine Bank tatsächlich pleitegehen, springt die Einlagensicherung ein. Betroffene bekommen dann innerhalb von maximal zehn Tagen ihr Geld wieder.

Die besten Chancen auf eine positive Rendite haben Sparer, die auch am Aktienmarkt anlegen. Dafür langfristig am besten geeignet sind breit aufgestellte Indexfonds (ETFs), die einen bestimmten Börsenindex möglichst exakt nachbilden.

Je nach der eigenen Risikobereitschaft, empfiehlt Finanztip, zwischen 20 und 80 Prozent des Ersparten in ETFs anzulegen. Die untere Grenze reicht in der Regel schon aus, um die lediglich niedrigen Zinsen und die Inflation auszugleichen. Wichtig ist, dass Sparer nur Geld in solche Aktienfonds investieren, auf das sie mindestens zehn bis fünfzehn Jahre verzichten können. Denn kurzfristig müssen sie mit Einbußen rechnen. Auf lange Sicht aber, das zeigt die Vergangenheit, bieten ETFs eine gute Renditechance.

Vorsicht vor riskanten Lockangeboten

Ganz wichtig: Viele Verbraucher verlieren angesichts der Negativzinsen die Nerven – und fallen auf unseriöse Angebote herein, die trotz niedriger Zinsen hohe Renditen für „sichere Anlagen“ versprechen. Eine Rendite von beispielsweise 2,5 Prozent auf wirklich sichere Anlagen kann keine Bank der Welt bieten. Meist verstecken sich in solch scheinbar lukrativen Angeboten große Risiken. Oft laufen Anleger Gefahr, nichts von ihrem Geld wiederzusehen.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit finanztip.de. Der Geld-Ratgeber für Verbraucher ist Teil der ­Finanztip-Stiftung.