Berlin. Material und Bauweise einer Matratze sind weniger entscheidend als der Stützeffekt, sagen Experten. Was es beim Kauf zu beachten gilt.
Kaltschaum oder Memory, Federkern oder Tonnentaschen, Latex oder doch lieber Boxspring, mit Zonen oder ohne? Eine Matratze zu kaufen kann eine komplizierte Angelegenheit sein. Wer versucht, sich über das komplette Angebot zu informieren, landet in einem Dschungel aus verwirrenden Begrifflichkeiten. Wie also finden Verbraucherinnen und Verbraucher das richtige Modell? Eine Kaufanleitung:
Was sagen die Orthopäden?
Aus Sicht von Orthopädinnen und Orthopäden sind Material und Bauweise einer Matratze nicht unbedingt entscheidend. Es zählt vor allem, was sie bewirkt: Eine Matratze soll das Skelett und dabei insbesondere die Wirbelsäule entlasten und unterstützen. Vermeide man beim Liegen eine einseitige Belastung, könnten sich die Bandscheiben im Verlauf der Nacht regenerieren, erklärt Uwe Heldmaier, Orthopäde aus Tübingen. Bei der Suche nach der richtigen Matratze spielten Schlafverhalten, Körpergewicht und Anatomie eine Rolle.
„Eine gute und passende Matratze gibt an Gesäß und Schultern nach. Auf dem Rücken liegend muss die natürliche Doppel-S-Form der Wirbelsäule erhalten bleiben“, sagt Heldmaier. Da es verschiedene Rückentypen gebe – Flach- oder auch Hohlrücken –, müsse eine Matratze unterschiedliche Anforderungen erfüllen.
Liegt der Schläfer auf der Seite, so der Orthopäde weiter, sollten Schultern und Becken so einsinken, dass die Rückenwirbel eine gerade Linie bildeten. Auf einer zu harten Matratze werde die Wirbelsäule unzureichend unterstützt. Eine zu weiche, vor allem jene aus Viskoschaum, fixiere stark und könne so den natürlichen nächtlichen Positionswechsel stören oder durch einen Hängematteneffekt die Wirbelsäule belasten.
Ist die Körperform von Bedeutung?
Größe und Gewichtsverteilung entscheiden über die Körperform. „Die Buchstaben H, E, I und A symbolisieren dabei die Körpereigenschaften von rund zwei Drittel der deutschen Bevölkerung“, erklären die Verbraucherschützer von Stiftung Warentest. H zum Beispiel steht für breit in Schulter und Bauchumfang, I für klein und schmal. Im Internet bietet Stiftung Warentester einen Produktfinder an (kostenpflichtig), der aus etwa 280 getesteten Matratzen passende Modelle für die jeweiligen Körperformen vorschlägt. Anhand der Vorschläge könnten sich Kunden weiter vorantasten.
Hart oder weich?
Im Netz kursieren diverse Tabellen, die Körpergröße oder Gewicht einem bestimmten Matratzen-Härtegrad zuweisen. Eine 1,80 Meter große Person, die 90 Kilogramm wiegt, bräuchte demnach den Härtegrad H3 – mittelhart. Auf die Angaben der Hersteller ist häufig aber kein Verlass, sagt Stiftung Warentest. Handel und Hersteller testeten mit unterschiedlichen Skalen.
Der Matratzenverband und die darin organisierten Hersteller wollen dies nun ändern. Die einheitliche Kennzeichnung ist laut Stiftung Warentest aber erst im Laufe des kommenden Jahres zu erwarten. Darüber hinaus sei die Härte zwar wichtig für das Wohlbefinden, sie habe aber nicht zwangsläufig einen messbaren Einfluss darauf, ob eine Matratze das Skelett gut abstütze. „Es hilft nur Probeliegen“, folgern die Verbraucherschützer.
Das Probeliegen
Probeliegen ist bei der Auswahl das A und O. Darin sind sich alle Experten einig. Und: Bei einer großen Matratze sollte dies immer zu zweit geschehen. Denn womöglich brauchen Menschen, die gemeinsam im Bett liegen, unterschiedliche Matratzen. Dann könnte es für einen erholsamen Schlaf besser sein, zwei Modelle zu kombinieren, statt eine breite Matratze zu wählen.
Wichtig kann der Partner aber auch aus einem anderen Grund sein: Er kann beim Probeliegen die Position der Wirbelsäule kontrollieren. Eine abknickende Linie ist oft gut zu erkennen, im Zweifel hilft ein Foto mit der Smartphone-Kamera.
Ebenfalls berücksichtigen sollten Kundinnen und Kunden das Kissen. „Denn auch das ist entscheidend für die Position der Wirbelsäule“, sagt Orthopäde Heldmaier. Eine unpassende Kopfunterlage könne die Vorteile einer gut stützenden Matratze zunichtemachen. Lesen Sie dazu auch:Schaumstoffmatratzen im Labortest
„Um sich an eine neue Matratze zu gewöhnen, kann der Körper einige Tage bis mehrere Wochen brauchen, “, erklärt Verena Senn, Neurobiologin bei einem Anbieter von Schlafsystemen. Eine Matratze, so Senn, sollte daher über einen längeren Zeitraum getestet werden. „Probeliegen im Geschäft ist ein guter Anfang, allerdings testet man die Matratze dort meistens nicht in den Liegepositionen, in denen man tatsächlich schläft.“
Während viele Online-Händler werbewirksam eine längere Probefrist anbieten, muss man diese im stationären Handel individuell verhandeln. Stiftung Warentest rät: „Sprechen Sie die Rückgabe-Modalität beim Kauf an − und lassen Sie sich eine eventuelle Zusage des Händlers schriftlich geben.“
Doch auch im Online-Handel sollten die Bedingungen fürs Probeliegen sorgfältig geprüft werden: Weil Rückgabefristen jenseits der gesetzlich geregelten 14-tägigen Widerrufsfrist freiwillig sind, kann der Handel die Bedingungen für die Rücknahme definieren. Mitunter müssen Matratzen beim Probeliegen eingeschweißt bleiben oder der Kunde muss im Fall des Rückversands die Kosten zahlen, erklärt Stiftung Warentest. Da Matratzen Sperrgut seien, könne dies teuer werden.
Welche Aussagekraft hat der Preis?
ach der Analyse von etwa 280 Matratzen aller Typen bilanziert Stiftung Warentest: „Teuer heißt nicht automatisch gut. Es gibt teure Matratzen für über 1000 Euro, die im Test der Liegeeigenschaften nur ein „Ausreichend“ haben. Und günstige Matratzen schneiden oft richtig gut ab.“ Dennoch hätten die verschiedenen Materialien ihren Preis: „Latexschaummatratzen zum Beispiel sind in der Herstellung aufwendiger und damit teurer als Schaumstoff.“ Dazu auch:Beste Federkernmatratze kostet wenig