Kitas: Rückkehr zum Normalbetrieb im Sommer möglich
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Berlin. Die Kitas sind während der Corona-Krise im Notbetrieb. Nun hat Familienministerin die Rückkehr zum Regelbetrieb in Aussicht gestellt.
Nach wochenlangem Corona-Stillstand versuchen die Schulen in Deutschland wieder schrittweise ihren Weg in einen Regelbetrieb zurückzufinden. Doch die Kitas bieten weiterhin nur Notbetreuung – betreut werden nur Kinder von Eltern, die in sogenannten systemrelevanten Berufen tätig sind. Die Notbetreuung soll nun schrittweise erweitert werden – bis hin zur Wiederaufnahme des Regelbetriebs.
Das entschied die Politik beim Treffen von Bund und Ländern am 6. Mai. Wie in vielen anderen Bereichen wird es aber auch bei Kindertagesstätten und Horten keine einheitliche Regelung für die Bundesländer geben. Spätestens ab dem 11. Mai soll die Kindernotbetreuung bundesweit erweitert werden, die Einzelheiten lägen aber in der Hand der Länder, so die Regierung.
Kita-Regelbetrieb bereits wieder im Sommer?
Grundlage dafür soll ein Vier-Phasen-Plan sein, den die jeweiligen Familienminister ausarbeiten. Der Plan geht auf Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) zurück. Giffey appellierte an die Bundesländer, sich auf einen Zeitplan zur Öffnung der Kitas zu einigen. „Ich hoffe, dass sich die Länder auf konkrete Zeitpunkte für die nächsten Stufen verständigen – die erweiterte Notbetreuung und auch den eingeschränkten Regelbetrieb in den Kitas und in der Kindertagespflege“, sagte die SPD-Politikerin unserer Redaktion.
Nun hat Giffey eine Rückkehr zum Kita-Regelbetrieb im Sommer in Aussicht gestellt. „Wenn das Infektionsgeschehen es zulässt, könnte die Rückkehr zum vollständigen Regelbetrieb vielleicht im Sommer möglich sein. Aber darüber entscheiden letztlich die Länder“, sagte die SPD-Politikerin der „Welt am Sonntag“.
Sie wolle in der kommenden Woche mit der Jugend- und Familienministerkonferenz die weiteren Schritte besprechen. „Wenn jetzt Geschäfte, Hotels, Restaurants und viele andere Bereiche wieder öffnen und mehr Eltern wieder arbeiten gehen, brauchen sie auch eine gute Betreuung für ihre Kinder. Sonst funktioniert das Gesamtsystem nicht.“ Ab Montag gilt eine erweiterte Notbetreuung in Kitas.
Öffnung der Kitas: Erweiterte Kita-Notbetreuung ab 11. Mai
Der Vier-Phasen-Plan sieht vor, dass die Kitas erst in der vierten Phase von Giffeys Plan wieder normal geöffnet werden. Nämlich dann, wenn ein Impfstoff gegen die Covid-19-Erkrankung vorliegt. Zu den vorherigen drei Phasen gehören die einfache Notbetreuung, die erweiterte Notbetreuung, sowie als vorletzte Stufe ein „eingeschränkter Regelbetrieb“. Die meisten Länder setzen derzeit eine erweiterte Notbetreuung um, also Phase 2 des Plans.
Die erweiterte Kita-Notbetreuung soll ab dem 11. Mai kommen. Dann dürften Kinder, die in schwierigen familiären Verhältnissen leben, als erste in die Kitas zurück – gemeint sind Kinder, die etwa ohne Kinderzimmer leben oder deren Betreuung in der Kita aus anderen Gründen dringend erforderlich ist. Auch Kinder mit besonderem Förderbedarf sollen dann zurück in die Kita kommen dürfen.
Bis zu den Sommerferien soll jedes Vorschulkind vor dem Übergang zur Schule noch einmal die Kita besuchen können. Der Beschluss der Regierung sieht aber vor, dass die Staatskanzleien der Länder über die genauen Regelungen entscheiden sollen.
Nordrhein-Westfalen hat dabei bereits angekündigt, im September den eingeschränkten Regelbetrieb in den Kitas des Landes einführen zu wollen. Bayern will 50 Prozent der betroffenen Kinder schon bald wieder in Kitas schicken, hat dafür aber kein Datum festgelegt.
Corona-Krise: Kita bleibt zu – Eltern betreuen Kinder zu Hause
Der Deutsche Städtetag schätzt, dass derzeit weniger als fünf Prozent der 3,7 Millionen Kinder in Deutschland in Notbetreuungsangeboten unterkommen. Für Eltern, die in der Krise ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, plant Sozialminister Hubertus Heil (SPD) längere Lohnausfallzahlungen. Gegenüber der „Bild am Sonntag“ hatte der SPD-Politiker angekündigt: „Eltern müssen Sicherheit haben. Deshalb schaffen wir eine Anschlussregelung.“
Die aktuelle Regelung läuft nach sechs Wochen Mitte Mai ab. Auch für den Fall, dass nach einem Kontakt mit einem Corona-Infizierten ein Angestellter oder eine Angestellte für zwei Wochen in häusliche Quarantäne muss, soll es eine Regelung für die Lohnfortzahlung geben.
Derzeit können Eltern bis zu 67 Prozent ihres Lohns vom Staat erhalten, wenn sie Kinder unter zwölf Jahren wegen geschlossener Kitas und Schulen zu Hause betreuen müssen und deshalb Einkommensverluste haben. Ferien- und Schließzeiten werden nicht mitgerechnet. Die Leistung ist begrenzt auf 2016 Euro für einen vollen Monat und wird zudem maximal für sechs Wochen gezahlt. Für manche Kita-Eltern wären die Zahlungen damit Mitte Mai also bereits erschöpft. Bisher steht die von Heil angekündigte Anschlussregelung allerdings noch aus.
Sozialverband VdK: „Kinder brauchen andere Kinder“
Der Sozialverband VdK dürfte die baldige Wiedereröffnung der Kitas befürworten: „Die Kitas müssen wieder öffnen. Weitere Wochen der Isolation ohne die Möglichkeit, Gleichaltrige zu treffen und mit ihnen zu spielen, sind inakzeptabel“, erklärte VdK-Präsidentin Verena Bentele am 24. April. „Kinder brauchen andere Kinder.“
Coronavirus-Pandemie – Bilder der Krise
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Bentele hatte zunächst vorgeschlagen, den Kita-Betrieb mit einem Drittel der Normalkapazität wieder aufzunehmen. Es seien auch Kleingruppen im zeitlich versetzten Schichtbetrieb denkbar, so dass die Kinder zweimal die Woche die Möglichkeit hätten, ihre Freundinnen und Freunde zu treffen und mit ihnen zu spielen. „Das gibt Eltern die Chance, wieder geregelt zu arbeiten.“
Geschlossene Kitas: Wissenschaftler wollten Zustand bis zum Sommer beibehalten
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina war für den Kita-Bereich wesentlich zurückhaltender: Da kleinere Kinder sich nicht an die Distanzregeln und Schutzmaßnahmen halten können, gleichzeitig aber die Infektion weitergeben, sollte der Betrieb in Kindertagesstätten nur sehr eingeschränkt wieder aufgenommen werden, hatte es in einem Papier der Experten geheißen. Die Kleinsten sollten laut Leopoldina bis zu den Sommerferien zu Hause bleiben.
„Inakzeptabel“ sei dieser Vorschlag, sagte Ulrike Grosse-Röthig, Sprecherin der Bundeselternvertretung der Kindertagesstätten, unserer Redaktion. Für die Eltern verschärfe sich das Problem, je länger die Schließungen andauern. Nicht zu überlegen, welche Möglichkeiten einer teilweisen Öffnung es gebe, gehe „an der Lebenswirklichkeit von Millionen Menschen vorbei“, sagte sie.
Experten sagen gestaffelte Rückkehr der Kinder schon vor Beschluss als Möglichkeit
Der Vier-Stufen-Plan der Regierung deckt sich dabei mit den Vorstellungen vieler Experten und Expertinnen. Bereits vor dem Beschluss wurden Modelle diskutiert, in denen die Zahl der zurückkommenden Kinder gestaffelt wird. „Naheliegend ist, erst einmal mit einer geringeren Zahl von Kindern zu beginnen“, sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Städtetags, unserer Redaktion.
Auch bei der Erziehungsgewerkschaft GEW hielt man eine gestaffelte Rückkehr der Kinder für denkbar, vor allem in Hinblick auf Familien, die die aktuelle Lage besonders belastet. Eine Möglichkeit für die schrittweise Öffnung der Einrichtungen sei es, zuerst wieder Betreuung für die Kinder zu garantieren, bei denen es dringender als bei anderen angezeigt sei, Druck aus der Familie zu nehmen, sagte Björn Köhler, Mitglied im GEW-Vorstand.
„Das können zum Beispiel Kinder mit Behinderungen sein oder Familien, in denen Elternteile besonders psychisch belastet sind. Aber auch beengte Wohnverhältnisse sollten eine Rolle spielen.“
Aus Elternsicht sei ein Modell, das sich am individuellen Bedarf der Familien orientiert und zumindest einigen Kindern die Rückkehr ermöglicht, „das kleinere Übel“ im Vergleich zu vollständigen Schließungen, so Elternvertreterin Grosse-Röthig. Besser wäre aber, wie in Dänemark, die schnellstmögliche Rückkehr zum normalen Betrieb – „am besten mit viel zusätzlichem Personal, um kleinere Gruppen bilden zu können und so Abstand zu halten“.
Vor der Corona-Krise fehlten bereits 100.000 Fachkräfte
Wo zusätzliches Personal herkommen könnte, wussten allerdings viele Einrichtungen schon vor der aktuellen Krise nicht. Eine Studie aus dem vergangenen Jahr diagnostizierte eine Lücke von mehr als 100.000 Fachkräften, die derzeit fehlen. Die Pandemie verschärft das Problem zusätzlich. Denn ein erheblicher Teil der Erzieherinnen und Erzieher gehört selbst zur Risikogruppe.
So war 2018 laut dem Fachkräftebarometer Frühe Bildung fast ein Drittel des Kitapersonals älter als 50 Jahre, in jeder fünften Einrichtung betraf das mehr als die Hälfte des Teams. Für einige Erzieher und Kinder werden die Corona-Ferien deshalb noch länger gehen als für andere. (FMG/reba/dpa)
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