Berlin. Im Notfall lässt sich die Lebensversicherung immer kündigen. Doch das ist nicht in jedem Fall ratsam. Expertentipps für Verbraucher.

Jahrzehntelang galt eine Lebensversicherung als sichere Bank bei der Vorsorge fürs Alter. Jetzt aber werfen viele Verträge weniger Geld ab als erwartet. Mancher Versicherter überlegt, seine Police abzustoßen, andere sind unsicher, ob sich ein Neuabschluss lohnt. Was tun?

Die Zahlen verblüffen: Nur noch 0,9 Prozent Zinsen höchstens – statt früher bis zu vier Prozent – bringt eine heute vereinbarte Lebensversicherung garantiert pro Jahr ein, gleichzeitig aber berichtet die Branche über elf Prozent höhere Beitragszuflüsse.

Als Pluspunkt einer kapitalbildenden Lebensversicherung (K-LV) wird oft genannt, dass sie eine Anlage mit integriertem Hinterbliebenenschutz und einem Höchstrechnungszins, umgangssprachlich Garantiezins, ist, der immerhin über der Verzinsung von Tagesgeldern liegt. Wirtschaftet der Anbieter gut, kommen satte Überschüsse obendrauf.

Lebensversicherung: Verbraucherschützer sind nicht überzeugt

Doch Verbraucherschützer überzeugt das nicht. „Finger weg“ von der K-LV, betont etwa der Bund der Versicherten (BdV). Der Risikoschutz, also die Absicherung von Hinterbliebenen, und das Sparen für das Alter sollten besser getrennt werden. „Nicht geeignet für den Kapitalaufbau“ ist die K-LV auch laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen – und das Todesfallrisiko lasse „sich günstiger über eine Risikolebensversicherung abdecken“, sagt Finanzexperte Ralf Scherfling.

Ein wunder, oft übersehener Punkt: Der Garantiezins bezieht sich nur auf den Sparanteil der Versichertenbeiträge, nicht aber auf die Anteile für den Risikoschutz sowie die Abschluss- und Verwaltungskosten. Außerdem schlagen die Minizinsen für sichere Geldanlagen auf die Auszahlsummen mehr und mehr durch.

Die laufende Verzinsung (Garantiezins plus Überschussbeteiligung) beziffert die Ratingagentur Assekurata in einer aktuellen Studie auf nur noch 2,31 Prozent für die klassische K-LV – im Schnitt der Versicherer wohlgemerkt. Bei zehn Tarifen stehe sogar nur noch eine „Eins vor dem Komma“, berichtet das Fachmagazin „Versicherungsbote“. Fast jedes zweite Unternehmen senkt die Überschussbeteiligung für 2020.

Sparer sollten sich nicht verunsichern lassen

Doch hier ist zu unterscheiden: Am wenigsten unter den niedrigen Zinsen leiden Kunden mit älteren Verträgen, weil sie vom früher hohen Garantiezins profitieren – und dies bis zur Auszahlung der Ablaufsumme. Sparer, die jahrelang Beiträge leisteten, sollten sich deshalb nicht verunsichern lassen, rät die Stiftung Warentest und warnt: „Ein vorzeitiger Ausstieg ist meist teuer.“

Wichtig daher: Bei Abschlüssen bis Ende 2003 beträgt der Garantiezins zwischen drei und vier Prozent. Erst ab 2004 ging er für Neuverträge stufenweise zurück. Stößt ein Versicherter einen lukrativen Altvertrag ab, erhält er aber nur den Rückkaufswert. Das könnte vor allem in den Anfangsjahren zu Verlusten führen, weil die Abschlusskosten das Beitragsguthaben mindern.

Lebensversicherung: Das sollten Verbraucher berücksichtigen

Die Verbraucherzentrale rät Kunden, die eine Vertragskündigung erwägen, zunächst zu prüfen, wie hoch zum einen der aktuelle Rückkaufswert und zum anderen die garantierte Auszahlung bei Beibehaltung des Vertrags zum Laufzeitende ist. Beides steht in der Standmitteilung der Versicherung oder kann dort erfragt werden. „Danach sollte der Versicherte ausrechnen, welche Rendite er mit einer Alternativanlage der Sparraten und des Rückkaufwertes erzielen müsste, um auf mehr als auf diese Summe zu kommen – und wie realistisch das ist“, erläutert Experte Scherfling.

Der BdV bietet einen Online-Rechner an, mit dem Versicherte die Rendite berechnen können, die sie mit einer Alternativanlage erzielen müssten, damit sich eine Kündigung lohnt (www.bundderversicherten.de, Suchwort: Lebens- und Rentenversicherungsrechner).

Vertrag trotz geringer Rendite weiterführen – und aussetzen

Aber selbst wenn eine alternative Anlage des Geldes mehr bringt als die K-LV, lohne sich unter Umständen ein Halten des Vertrags, „falls Überschüsse den Auszahlungsbetrag erhöhen“, so Scherfling. Zu bedenken ist weiterhin, dass eine K-LV oft Extras beinhaltet. Beispiel Berufsunfähigkeit (BU): „Versicherte, die heute aufgrund des höheren Alters und des Gesundheitszustands keine vergleichbar gute BU mehr abschließen könnten, sollten überlegen, ob sie den Vertrag nicht trotz geringer Rendite weiterführen sollten“, empfiehlt die Verbraucherzentrale.

Vorab sollte aber geklärt werden, ob die BU eventuell als separater Vertrag weitergeführt werden kann. Einen Vertrag mit guter Rendite müssen Kunden auch nicht unbedingt kündigen, nur weil sie gerade knapp bei Kasse sind. Oft ist eine Beitragsfreistellung die bessere Lösung, das heißt, sie setzen dauerhaft oder vorübergehend mit dem Einzahlen aus.

Lebensversicherung auf dem Zweitmarkt anbieten?

Soll die Versicherung indes auf jeden Fall weg, kann sie auf dem Zweitmarkt angeboten werden – dort lassen sich oft einige Prozentpunkte mehr als den Rückkaufswert erzielen. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Laut Stiftung Warentest tummeln sich dubiose Policen-Aufkäufer auf dem Markt, und seriöse Firmen interessieren sich vor allem für Verträge mit hoher Rendite – „die meist zu gut zum Verkaufen sind“, sagt Experte Scherfling.

Bleibt eine letzte Variante – die Rückabwicklung. Nach einem BGH-Urteil können Kunden einem zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 geschlossenen Vertrag auch heute noch widersprechen, wenn er fehlerhafte Belehrungen enthielt. Dies betreffe rund 60 Prozent der Verträge aus dieser Zeit, schätzt die Verbraucherzentrale Hamburg, die Kunden mit einer Überprüfung beauftragen können. Bei einem Widerspruch gebe es „oft Hunderte oder sogar Tausende Euro“ mehr als bei einer regulären Kündigung.

Immer mehr Lebensversicherungen – genannt „Neue Klassik“ – beinhalten geringere Garantien als bislang üblich, bieten dafür aber größere Chancen auf Überschüsse. „Die Mehrzahl der neuen Verträge garantiert nur noch den Erhalt der eingezahlten Beiträge“, erklärt Theo Pischke von Stiftung Warentest.

Lebensversicherung: Einmalzahlung oder lebenslange Mindestrente

Ein zweiter Trend: Kunden schließen häufiger Lebensversicherungen in Form privater Rentenverträge ab. Statt Geld auf einen Schlag bekommen sie im Alter eine lebenslange Mindestrente, es sei denn, sie stellen vor Rentenbeginn auf Einmalzahlung um. Laut einer aktuellen Studie der Stiftung lohne sich der Neuabschluss einer privaten Rentenversicherung aber „kaum“. Man müsse „sehr alt werden, bis die Summe der garantierten Monatsrenten die eingezahlten Beiträge übersteigt“, berichtet „Finanztest“ (Heft 12/2019). Überschüsse können die Rente zwar erhöhen – doch auf die gibt es keine Gewähr.

Mehr Informationen zu Lebensversicherungen als Geldanlage:

Wer 50.000 Euro auf dem Konto hat, kann mit unseren Expertentipps mehr daraus machen. Die vier besten Geldanlagen. Die Anlage deutscher Sparer auf Tages- und Festgeldkonten bei ausländischen Banken könnte sich lohnen. Es gibt allerdings einen Haken. Viele Verbraucher schrecken davor zurück, an der Börse zu investieren. Dabei gibt es eine Geldanlage, mit der man Risiko gut managen kann. ETF, sogenannte Indexfonds.