Berlin. Immer häufiger bieten Ärzte Leistungen an, die Patienten selbst zahlen müssen. Nicht immer sind sie aber sinnvoll. Eine Anleitung.

Die richtige Arztwahl, das ist eine Sache des Vertrauens. Das gilt auch, wenn einem die Mediziner eine Behandlung empfehlen, für die man als Kassenpatient selber zahlen muss. Die Rede ist von Individuellen Gesundheitsleistungen, IGeL abgekürzt.

Im Volksmund heißen sie eher Selbstzahlerleistungen. Rund eine Milliarde Euro zahlen Kassenpatienten dafür im Jahr. Und noch immer ist die Vorstellung weit verbreitet, dass die Krankenkassen viel Sinnvolles nicht zahlen würden, weil das zu teuer wäre.

Beim Zahnarzt stimmt das auch, zumindest ein bisschen. Doch ansonsten ist es eher so: Sehr oft zahlen die Kassen nicht, weil sie die Behandlungen nicht für sinnvoll halten, weshalb ihr Spitzenverband über seinen Medizinischen Dienst (MDS) den IGeL-Monitor aufgelegt hat (www.igel-monitor.de).

Dieser überprüft systematisch häufig angebotene Selbstzahlerleistungen auf ihren Nutzen und Schaden. Ende August ist die 51. Untersuchung erschienen: über OCT, eine von vielen Augenärzten empfohlene Vorsorge für Grünen Star. Das Urteil des MDS: „tendenziell negativ“. Augenarztpraxen seien sogar „bisweilen besonders aggressiv“ im Marketing. Es würden Ängste geschürt. Das macht die Entscheidung nicht leichter. Aber woran erkennt man seriöse Angebote? Eine Anleitung:

1. Atteste, Impfungen, Kosmetik

Es gibt durchaus eine Reihe von Behandlungen, die Patienten brauchen können, die die Kasse aber nicht zahlt. Dazu gehören Atteste, etwa für einen höhenverstellbaren Schreibtisch, wenn der Arbeitgeber dies verlangt, bestimmte kosmetische Behandlungen wie Tattoo-Entfernungen oder Reiseimpfungen inklusive Beratung. Patienten sollten dann immer auf eine ordentliche Abrechnung achten.

Wichtig zu wissen: Nicht jeder Arzt berechnet dasselbe. Und: Manche Kassen zahlen einige dieser Leistungen ganz oder teilweise. Fragen lohnt sich. Die Krankenkassen, die Finanztip in seinem Ratgeber Krankenkassen empfiehlt, übernehmen zum Beispiel allesamt die Kosten von Reiseimpfungen. Fragen lohnt sich.

2. Besondere Vorsorge

Was tun, wenn der Augenarzt einem erklärt, dass Grüner Star eine häufige Erkrankung ist, die zur Blindheit führt – und man für nur 30 Euro testen lassen könne, ob sich diese bei einem gerade entwickelt? Oder wenn die Frauenärztin schnell noch mal für 40 Euro einen Ultraschallcheck auf Eierstockkrebs anbietet?

Man wäre doch schon gerne sicher, nichts zu übersehen. Aber nicht für jeden macht jede Vorsorge Sinn. Es gibt immer das Risiko, dass eine Krankheit fälschlicherweise diagnostiziert wird oder dass die Vorsorge selbst schädlich ist.

In den oben genannten Fällen sind laut IGeL-Monitor die Untersuchungen nur sinnvoll, wenn weitere Hinweise oder Risikofaktoren vorliegen. Und dann zahlt sie die Kasse. Manchmal rät die Fachgesellschaft der jeweiligen Ärztedisziplin auch ohne Risikofaktoren zum Test, wie etwa im Falle des Grünen Stars. Das macht die Entscheidung für den Patienten nicht einfacher. Vom Eierstock-Ultraschall ohne Verdacht raten sogar Fachgesellschaften ab.

3. Besondere Behandlungen

Was tun, wenn die normalen Behandlungen nicht wirken? Natürlich würde man dann gerne was anderes ausprobieren, gegen Arthrose im Knie zum Beispiel Blutegel (Urteil laut IGeL-Monitor: „tendenziell negativ“). Oder eine Infusionstherapie, die nach einem Hörsturz die Durchblutung fördern soll (Urteil: „negativ“).

Dass die Kassen diese nicht zahlen, heißt nicht, dass jede kostenpflichtige Behandlung Unfug ist. Aber es lohnt sich, einmal auf den IGeL-Monitor zu schauen, bevor man zustimmt. Besonders bei teuren Behandlungen. Es ist übrigens auch schon vorgekommen, dass eine Behandlung nach einer MDS-Studie für den IGeL-Monitor in die Kassenleistungen aufgenommen wurde: etwa Anfang des Jahres die Stoßwellentherapie bei Fersenschmerz.

4. Erst mal nachschauen

Wer unsicher ist, sollte sich die Leistung genau von seinem Arzt erklären lassen und im IGeL-Monitor nachschauen, ob sie bereits bewertet wurde. Wenn im Wartezimmer ein Fernseher mit „Aufklärungsfilmen“ läuft, große Hinweise wie „Krebsvorsorge plus“ an der Wand hängen oder Sprechstundenhilfen einem eine Behandlung aufschwatzen wollen, dann weist das eher auf unseriöse Geschäftemacherei des Arztes hin. Im Zweifel können Patienten auch bei ihrer Krankenkasse fragen oder einen weiteren Arzt konsultieren. Unter Druck setzen lassen sollte man sich jedenfalls nicht. IGeL sind von ihrem Wesen her selten dringliche Sachen.

5. Zahlung beachten

Es kann durchaus passieren, dass ein Arzt eine IGeL abrechnet, obwohl die Kasse sie zahlen würde. Das kann daran liegen, dass der Arzt sich irrt und die Kasse bei bestimmten IGeL aus eigenen Stücken zahlt (Beispiel: Hautkrebsvorsorge unter 35). Oder daran, dass bestimmte Risiken oder Befunde beim Patienten vorliegen, bei denen die Behandlung zu einer Kassenleistung wird – was der Arzt eigentlich wissen sollte.

Patienten sollten das unbedingt vorab mit ihrer Kasse klären. Denn im Nachhinein zahlt die nicht mehr. In der Regel ist es auch so, dass der Arzt für eine IGeL mehr verlangen kann, als die Kasse zahlen würde – und er das in der Regel auch tut. Das 2,3-Fache des Satzes der Kassen-Gebührenordnung darf er ohne Weiteres in Rechnung stellen.

Schließlich muss der Arzt grundsätzlich einen schriftlichen Vertrag mit seinem Patienten machen (und gegebenenfalls einen Kostenvoranschlag), wenn er eine Selbstzahlerleistung anbietet. Ohne den Vertrag muss der Patient nicht zahlen. Gut zusammengefasst hat das übrigens auch die Verbraucherzentrale Niedersachsen in folgender Broschüre.

  • Dieser Beitrag erscheint in einer Kooperation mit finanztip.de. Finanztip ist gemeinnützig und hilft Verbrauchern bei den täglichen Finanzentscheidungen.