Hamburg. Die Bewohner auf den Inseln beobachten ihre Umgebung sehr genau. Dr. Martin Döring hat dazu zahlreiche Interviews geführt.
„Wir sind Friesen, wissen Sie? Wir müssen den Klimawandel verhindern, ihn bekämpfen und abschwächen und uns anpassen.“ Mein Gesprächspartner fasst den Pragmatismus und die Entschlossenheit vieler Menschen zusammen, die ich bei meiner Forschung in Nordfriesland kennengelernt habe. Auf den nordfriesischen Inseln wie zum Beispiel Amrum oder Föhr können die Bewohner den Klimawandel spüren: Sie sehen neue Muster im Sand und führen diese auf eine veränderte Brandung und einen steigenden Meeresspiegel zurück. Sardinen und Meeräschen landen jetzt in den Fischernetzen – Arten, die normalerweise weiter südlich leben. Auch neue Pflanzen finden sich nun im Wattenmeer. Und: die Stürme sind intensiver geworden, und es laufen stärkere und höhere Sturmfluten auf.
Einige dieser Veränderungen zeigten mir die Insulaner persönlich. In Interviews, die ich mit ihnen zu Hause und draußen in der Natur führte, erklärten sie mir, welche Blumen jetzt früher blühen und welche Vögel es hier bisher nicht gab. Dies ist der Kern meiner Forschung: Am CEN der Universität Hamburg untersuche ich, wie Menschen mit ihrer Heimat verbunden sind und wie die wahrgenommenen Umweltveränderungen sie für den Klimaschutz motivieren. Dabei achte ich besonders auf ihre Sprache, denn sie zeigt mir, wie sich die Insulaner fühlen und was sie über den Klimawandel in ihrer Heimat denken.
Abstraktes Phänomen Klimawandel
Gerade durch die Beobachtung der Natur können sie das abstrakte Phänomen Klimawandel konkret für sich festmachen. Das gelingt mit Metaphern: So wird der Klimawandel bei meinen Interviewpartnern – sinnbildlich – zum Feind und Gegner. Ihn zu verhindern, gleicht einem Kampf. Sie beschreiben ihn unter anderem auch als Überhitzung der Erde oder fassen ihn religiös als Klimasünde. All diese Sprachbilder deuten auf eines hin: Für die Nordfriesen ist ihre Heimat ein vom Klimawandel bedrohter Raum.
In meiner Arbeit habe ich Sprachbilder in sechs verschiedenen Konzepten zusammengefasst. Sie sind Deutungsraster, mit denen die Menschen den Klimawandel bewerten und überlegen, ob und wie sie handeln. Ich arbeite dabei interdisziplinär, indem ich Sprachanalyse und Geografie verknüpfe, um mir die Lebenswelt der Insulaner zu erschließen. So kann ich Wissen und Werte analysieren, auf sie eingehen und die Menschen besser verstehen.
Das ist wichtig, denn häufig fragen sich Wissenschaftler, warum die Bürger so wenig gegen den Klimawandel tun, obwohl es eine Fülle fundierter Fakten und wissenschaftlicher Informationen gibt.
Menschen verzichten auf Flugreisen
Das stimmt aber nicht ganz, denn viele Menschen beschäftigt das Thema im Alltag: Sie verzichten auf Flugreisen und auf ein eigenes Auto, fahren Zug und sparen Energie. Sie wollen etwas tun, auch wenn es nur Kleinigkeiten sind. Doch für ihr Handeln ist der Bezug zur eigenen Lebenswelt wichtig und nicht allein wissenschaftliche Fakten und Informationen.
Meine Ergebnisse zeigen, dass wir lokales Wissen unbedingt berücksichtigen sollten, um zu überlegen, was beim Klimaschutz möglich ist. Es geht darum, Maßnahmen auch auf lokaler Ebene auszuhandeln, denn insgesamt gibt es eine große Bereitschaft, das Klima zu schützen. Und diese Motivation hängt zu einem erheblichen Maße auch mit der Ortsliebe und dem Heimatgefühl der Menschen zusammen.
Nach meiner Erfahrung handeln Lokalpolitiker auf den Inseln in diesem Punkt sehr umsichtig. Sie sind mit ihrer Insel und den Leuten verbunden, nehmen die Menschen ernst und streiten jenseits des Parteibuchs in der Sache, weil sie ihre Region “klimafit“ machen möchten. Dieses Engagement bestärkt wiederum mich, denn die Nordfriesen zeigen mir: Tu etwas, auch wenn es nur kleine Dinge sind!