Hamburg. Im trockenen Jordantal lernen Palästinenser und Israelis, dass die Umweltprobleme nur grenzüberschreitend gelöst werden können.
In der Region rund um den Fluss Jordan ist es sehr trocken. Das ist schon heute ein Problem für die angrenzenden Länder und der Klimawandel wird es noch verschärfen. Wenn man sich einen Flusslauf teilt, können solche Krisen oft nur über Grenzen hinweg gelöst werden. Doch was tun, wenn der Nachbar der Erzfeind ist?
Im Jordantal grenzen Jordanien und die Palästinensischen Gebiete an Israel. Die Parteien tragen seit Jahrzehnten gewalttätige Konflikte aus. Für viele Verantwortliche gilt offiziell die Losung „No cooperation“, keine Zusammenarbeit mit dem Feind. Auch auf wissenschaftlicher Ebene herrscht Funkstille, zumindest auf direktem Wege. Ein Israeli und ein Palästinenser dürfen offiziell nicht zusammen forschen und Ergebnisse veröffentlichen. Nur wenn eine dritte Person etwa aus einem anderen Land beteiligt ist, wird dies toleriert.
Massive Umwälzung der Umwelt
Trotzdem muss etwas passieren, sonst könnten die Folgen für alle drei Länder desaströs sein. Zusammen mit der Universität Tübingen hat unser Team am CEN, dem Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, deshalb unter extrem angespannten Bedingungen einen ganz besonderen Prozess begleitet. Wir haben vor Ort hochrangige Vertreter aus Wissenschaft, Ministerien und Nicht-Regierungsorganisationen eingeladen. Zunächst sollten die Landsleute untereinander die drängendsten Umweltprobleme ihres Landes identifizieren. Ihre Namen blieben dabei anonym. Aus Angst vor etwaigen Anschlägen auf die „Kooperateure“ durften wir nur die Einrichtungen nennen, aus denen sie stammten.
Wir baten die Expertinnen und Experten, die sogenannten Kipppunkte oder Tipping Points für ihre Region zu ermitteln. An einem solchen Punkt löst eine relativ kleine Veränderung eine plötzliche und massive Umwälzung der Umwelt aus, die nicht wieder rückgängig zu machen ist. Quasi der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt.
Einheimische Vegetation vielfach verdrängt
In Jordanien wurde zum Beispiel das trockene Weideland genannt, auf dem traditionell Viehherden grasen. Die Hirten wissen, dass sie mit ihren Tieren kontinuierlich weiterziehen müssen, um die Pflanzen des dürren Bodens nicht zu strapazieren. Die Teilnehmer berichteten jedoch, dass durch anhaltende Trockenheit weniger Flächen zur Verfügung stehen und die Tiere nicht ausreichend wandern können. Grasen sie aber zu lange an einem Ort, reißen sie die Wurzeln der Gräser mit aus. Geschieht dies auf größerer Fläche, können die Pflanzen nicht regenerieren. Die einstige Weide verwandelt sich unwiderruflich in eine Wüste.
Andere berichteten von Prosopis juliflora, einem aus Südamerika eingewanderten Strauch, der sich zurzeit aggressiv in der Region ausbreitet. Er hat die flache einheimische Vegetation schon vielfach verdrängt und zieht so viel Wasser aus dem Boden, dass er die Trockenheit weiter verschärft. Die drei Grenzländer liegen auf kleiner Fläche so eng beieinander, dass ein Alleingang hier nichts nützt: Würde nur ein Land den Busch gezielt ausrotten, wäre Prosopis schon in rund drei Monaten wieder da.
Voller Erfolg
Nachdem die Kipppunkte identifiziert waren, wollten wir allen Teilnehmern zusammen die Ergebnisse vorstellen. Unsere Hoffnung: Wenn die unterschiedlichen Länder gleiche Probleme benennen, sind sie womöglich in Zukunft bereit, zumindest inoffiziell intensiver zusammenzuarbeiten.
Es war ein voller Erfolg! Neben der Wasserknappheit nannten alle Länder das Weideland, aggressive eingewanderte Pflanzen und die Landwirtschaft als größte gemeinsame Risikofaktoren sowie vier weitere Punkte. So viel Übereinstimmung hat selbst uns überrascht – und die Teilnehmer überzeugt, dass viele Umweltprobleme nur grenzüberschreitend bewältigt werden können.